Der ostpreußische Gewerkschafter Carl Legien

Der ostpreußische Gewerkschafter Carl Legien

01.12.2021

Carl Legien (1. 12. 1861- 26. 12. 1920) wurde in Marienburg als 13. Kind eines Steueraufsehers geboren. Die Mutter starb früh, der Vater war alkoholkrank. Deshalb wuchs Carl Legien 1867 – 1875 in einem Waisenhaus in Thorn auf.

In Thorn ging er als Drechsler in die Lehre und in Altenburg absolvierte er seine dreijährige Militärzeit, u. a. als Bursche eines preußischen Generals. Danach nahm er eine Tätigkeit im Fachverein der Drechsler in Hamburg auf, trat 1885 der Sozialdemokratischen Partei bei und gründete 1887 die “Vereinigung der Drechsler Deutschlands”, was ihm im ganzen Reich Aufmerksamkeit verschaffte.

Aus Neigung und durch seine ausgezeichneten organisatorischen Fähigkeiten beflügelt wurde er hauptamtlicher Gewerkschaftsangestellter. In dieser Funktion suchte er nach Wegen für eine fachübergreifende gewerkschaftliche Organisation, was zur Gründung der “Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands” führte, aus der 1919 der “Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund” hervor ging, dessen Vorsitz Legien übernahm. 1913 wurde er zum Vorsitzenden des Internationalen Gewerkschaftsbundes gewählt.

Von 1893 – 1920 mit einer Unterbrechung von 1898 – 1903 gehörte er dem Deutschen Reichstag für den Wahlkreis Kiel an. Legien organisierte während des Kapp-Putschs (1920) den Generalstreik und leistete damit einen wesentlichen Beitrag, diesen Putsch scheitern zu lassen.

Legien verfolgte eine pragmatische und konsensorientierte Politik. Deshalb forderte er den Ausschluß von Karl Liebknecht aus der SPD-Franktion, weil der gegen die Kriegskredite gestimmt hatte, und er sorgte dafür, dass Hugo Haase 1916 wegen dessen Angriffen auf die Regierungspolitik aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen wurde. Im Frühstadium der Weimarer Republik verstarb er an Magenkrebs.

Noch nach seinem Tod ließ der Industrielle Hugo Stinnes (12. 2. 1870 – 10. 4. 1924) am 20. Mai 1922 in Wilhelmshaven einen Schiffsneubau auf den Namen “Carl Legien” taufen, weil er nach der Novemberrevolution als Gewerkschaftsvertreter mit der Arbeitgeberseite das so genannte Stimmes-Legien-Abkommen geschlossen hatte, das eine partnerschaftliche Regelung wirtschafts- und sozialpolitischer Fragen zwischen den Vertragspartnern zur Folge hatte. In diesem Abkommen erkannte die von Stinnes vertretene Arbeitgeberseite die Gewerkschaften als legale wie legitime Interessenvertretung der Arbeiterschaft und Verhandlungspartner auf Augenhöhe an, woraufhin die durch Legien vertretene Gewerkschaftsseite auf eine revolutionäre Ersetzung des Kapitalismus durch den Sozialismus verzichtete. Der Geist dieses Abkommens, das nur wenige Jahre formal bestand, wirkte immerhin bis in die Zeiten der Bundesrepublik Deutschland nach.