Hans-Jürgen Wischnewski wurde am 24. Juli 1922 in Allenstein geboren. Er wuchs in einer preußisch geprägten Familie in Berlin auf. Nach dem Abitur 1941 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und kämpfte im Zweiten Weltkrieg als Panzergrenadier an der Ostfront, zuletzt als Oberleutnant. Nach kurzer amerikanischer Kriegsgefangenenschaft kam er 1945 nach Bayern, wo er als Metallarbeiter tätig war. 1946 trat Wischnewski in die SPD und die IG Metall ein. Die Gewerkschaft schickte ihn zur Betreuung von Betriebsräten nach Köln. Dort begann Wischnewski seine Parteikarriere:
1957 wurde er Vorsitzender des Kölner Kreisverbandes und zog in den Bundestag ein. “Als ich das erste Mal den Plenarsaal betrat, musste ich in der letzten Reihe sitzen, denn wir saßen alphabetisch”, erinnerte sich Wischnewski. Herbert Wehner habe ihm gesagt: “Hier musst du Arschloch heißen, wenn du nach vorne willst.” Wischnewski schaffte es ohne Namenszusatz – mit Hilfe einer alten preußische Tugend: ” ‘Ich diene’ hat bei mir einen hohen Wert.”
Wischnewski verstand sich als Pragmatiker, der Bewegung braucht. Seine erste “Action” führte gleich zu internationalen Verwicklungen: Als er 1958 Algerien im Unabhängigkeitskampf gegen Frankreich unterstützte, beschwerte sich der französische Botschafter bei Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU). Aber sein umstrittener Einsatz für Algerien öffnete Wischnewski später die Türen zur arabischen Welt.
1966 wurde er in der ersten Großen Koalition Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Aufgrund seiner Tätigkeit als Reise-Diplomat vor allem in die arabische Welt erhielt Wischnewski von Bundeskanzler Brandt den Spitznamen “Ben Wisch”. 1970 schickte Brandt den Krisenmanager zu einer Flugzeugentführung nach Amman in Jordanien. Mit Hilfe von Palästinenserführer Jassir Arafat gelang es Wischnewski, über 200 Geisel aus drei entführten Flugzeugen freizubekommen. Immer wieder wurde er mit diplomatischen Sondermissionen betraut. Die spektaluärste fand 1977 in Mogadischu statt: die Befreiung von 90 deutschen Geiseln aus einer von palästinensischen Terroristen entführten Lufthansa-Maschine. Wischnewski verhandelte vier Tage, dann stürmte die Anti-Terror-Einheit GSG-9 die Maschine.
Wischnewski bezeichnete sich als harmoniebedürftig, gleichzeitig ging er aber keinem Streit aus dem Weg. Auch nicht in der eigenen Partei: Er kritisierte Hans-Jochen Vogel, Brandt und seinen Freund Helmut Schmidt. “Wenn er bisweilen gesagt hat: Das kannst du so nicht machen, dann hat er immer recht gehabt”, erinnerte sich Schmidt. 1990 schied Wischnewski aus dem Bundestag aus und vermittelte von nun an im Nahen Osten.
1999 traf ihn ein schwerer Schicksalsschlag: Die älteste seiner drei Töchter – die über 20 Jahren an Multipler Sklerose litt – nahm sich gemeinsam mit ihrem Ehemann das Leben. Ein paar Wochen danach hatte Wischnewski einen Herzinfarkt. Zwei Jahre später verlor er seine dritte Frau durch Leukämie. Nach einem weiteren Herzanfall starb Wischnewski am 24. Februar 2005 im Alter von 82 Jahren in einem Kölner Krankenhaus.