Der starke Mann aus Königsberg: Eugen Sandow

Eugen Sandow kam als Friedrich Wilhelm Müller, Sohn eines jüduschen Gegemüsehändlers, in Königsberg zur Welt. Um dem Militärdienst zu entgehen, schloss er sich einem Wanderzirkus an. In Brüssel wurde er 1887 von Louis Durlacher, einer Koryphäe des seinerzeitigen Kraftsports, entdeckt und gefördert und Durlacher gab ihm den Künstlernamen Eugen Sandow.

Zunächst versetzte Sandow sein Publikum in Europa und Amerika mit traditionellen Herkules-Taten in Erstaunen, indem er Gewichte, Menschen und Pferde stemmte. Der Durchbruch gelang ihm in London, als er in einem Wettkampf gegen Charles Sampson, dem damals angeblich stärksten Mann der Welt, obsiegte. Anschließend begeisterte er das Londoner Publikum bei spektakulären Vorführungen als fast nackter Herkules im Alhambra-Theater. Er beeindruckte auch Sir Arthur Conan Doyle und Mitglieder des Königshauses, als er u. a. ein Klavier mit acht darauf sitzenden Musikern stemmte.

1893 entdeckt der US-Show-Impresario Florence Ziegfelden den Modellathleten und präsentiert ihn als Attraktion auf der Weltausstellung in Chicago. Mit Posen, die seine Muskelpakete eindrucksvoll schwellen ließen, riß Sandow das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin und löste in Amerika einen völlig neuen Körperkult aus.

Als Medienstar kehrte Eugen Sandow 1897 nach Europa zurück, verzichtete bald auf Kraftakte und verlegte sich auf das Bodybuilding. Was Sandow von anderen unterschied, war sein athletischer Körper. Er begann, diesen unabhängig von seinen Kraftleistungen zu vermarkten und eröffnete in England eine Kette von Fitnessstudios. Seine Trainingsmethooden waren dabei revolutionär. Bis dahin glaubte man, Muskeln und Kraft seien das Ergebnis des nachhaltigen Stemmens großer Gewichte. Sandow dagegen hielt es für sinnvoller, mit kleineren Hanteln zu trainieren und dieses 50 Mal oder öfter zu wiederholen. Mit dem Verkauf von Hanteln, Postkarten und Trainingsbüchern machte er dabei ein Vermögen.

Als er 1901 in der Royal Albert Hall den ersten Bodybuilding-Wettkampf ausrichtete, zog das Ereignis 15.000 Zuschauer an. Sir Arthur Conan Doyle agierte dabei als Punktrichter. Englands König Georg V. berief den Muskelprotz zu seinem persönlichen Trainer; US-Präsident Theodore Roosevelt macht ihn zum Gesundheitsberater der Nation und Eugen Sandow wurde ein reicher Mann. Mit seinem Geld spendete er großzügig für die Olympischen Spiele 1908 in London und für die Antarktisexpedition des australischen Geologen Douglas Mawson, die von 1911 bis 1914 dauerte. In deren Verlauf wurde ein neu entdeckter Berg im Queen-Mary-Land nach Sandow benannt.[1]

Völlig überraschend starb er am 14. Oktober 1925 – möglicherweise an einem Schlaganfall.

[1] Wolfgang Kaufmann, Eugen Sandow galt als „stärkster Mann der Welt“, PAZ Nr. 33/2022 (19. August), S. 18