Osterbrief von Prof. W. Jäger, Projektleiter Schloss Steinort/Masuren

Gruppenbild vor dem Schloss 2021 (c Prof. Jäger)

Die Osterglocken blühen und die Störche in Masuren sind zurück – ein Zeichen, dass der
Winter hinter uns liegt.
In den kalten Monaten haben aber keineswegs die Tätigkeiten am Schloss Steinort
vollkommen geruht. Matthias Hohl hat mit seinen Leuten weiter an einer Decke im
Obergeschoss Richtung Ostflügel gearbeitet. Da der strukturelle Abbau der Mauerschwelle
am Mittelwand-Auflager stärker war, als vorher von außen zu erkennen, musste hier der
Ringanker aus Carbonmauerwerk verlängert und an die intakten Schwellen angeschlossen
werden. Außerdem waren in dem Bereich 4 Balkenköpfe zu erneuern und die Anschlüsse
statisch zu ertüchtigen. Am Randbalken zum Ostflügel waren noch Restarbeiten zu
erledigen. Hier kommen die Dachhölzer aus verschiedenen Richtungen an. Die beengten
Platzverhältnisse verlangten akrobatische Einsätze! Matthias Hohl hat die Arbeiten alle in
bester Qualität ausgeführt und Erfahrungen für die nächsten Decken gesammelt.
Es folgte das Schließen der Decke nach oben unter Berücksichtigung der statischen und
brandschutztechnischen Anforderungen. Die Technologie erlaubt den späteren Einbau der
polychrom bemalten Kriecher-Decker-Bretter. Trotzdem hat der Raum jetzt schon einen
Abschluss zum Dach hin. Voraussichtlich noch vor Ostern wird das Raumgerüst abgebaut,
um es dann für die Fortführung der Arbeiten im Erdgeschoss weiter verwenden zu können.
Als nächstes ist der Raum, der an das Café Nona anschließt, mit den Notsicherungsarbeiten
dran (rechts vom Hauptfoyer), darauf soll der Abschluss des Treppenhauses zum Dach hin
folgen. Im Büro haben wir im Januar ein weiteres Teilprojekt zur Mittelfreigabe bei BKM für
diese Arbeiten fertigstellen und einreichen können. Das nächste ist in Arbeit und wird Mitte
April vorgelegt. Alle Fundamente des historischen Kernbaus sowie des Ostflügels konnten
bisher fertig gesichert und gleichzeitig in diesem Bereich die Drainage und Regenwasser-
kanalisation eingebaut werden. Zur Komplettierung dieser Arbeiten fehlt jetzt nur noch der
Bereich um den Westflügel herum. Dieser soll möglichst noch in diesem Jahr realisiert
werden, um künftigen Rissen in der Fassade infolge von Setzungen vorzubeugen. Die
Notsicherung an weiteren Erdgeschossdecken soll den Bau weiter stabilisieren und
gleichzeitig so viel an originaler Substanz der polychrom bemalten Deckenbalken und
Putzen wie nur möglich bewahren.
Mit den Arbeiten am Mittelrisalit zur Verankerung der Fassade an den abgerissenen
Querwänden mussten wir wegen der immer wieder aufgetretenen Frostperioden noch
warten. Da waren die zuerst erforderlichen Arbeiten zum Verfestigen des Mauerwerks nicht
möglich. Das erforderliche Material konnte aber inzwischen beschafft und die einzelnen
Arbeiten abgestimmt werden. Die Kernbohrarbeiten im Mauerwerk sollen an eine
Spezialfirma vergeben werden. Es ist schwierig, eine solche Firma vor Ort oder in
akzeptabler Entfernung zu gewinnen, die dann noch unsere aus Erfahrung heraus
kalkulierten Kosten einhalten kann. Das gleiche gilt für die Reparatur der Kernbau-Fenster in
der Hauptfassade. Es müssen Beschläge repariert oder ergänzt, fehlende Scheiben ersetzt
und vorhandene neu eingekittet sowie fehlende Flügel nachgefertigt werden. Dies ist Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger notwendig, um die Räume mit statisch sanierten Decken weitgehend schützen und
klimatisieren zu können – soweit das ohne Heizung möglich ist.
Die planerische Durchdringung der Arbeiten muss dabei schon recht weit gehen, um auch
die Kosten genau kalkulieren zu können. Ebenso müssen die zugehörigen Genehmigungen
beantragt und eingeholt werden. Fast wöchentlich führen wir dazu unsere Beratungen mit
dem Inspektor, Bauleiter und Architekten vor Ort per Videoschalte durch.
Anfang März bekamen wir die erfreuliche Mitteilung von der Städtischen Fachschule für
Bautechnik der Stadt München, dass deren bisherige Projektarbeit im Rahmen des
Erasmus+ Programms der EU sehr positiv evaluiert worden ist und sie bis 2027 für dieses
Programm zertifiziert worden sei. Sie kann somit jedes Jahr in dieser Zeit Mittel für die zwei
Wochen im September abrufen. Darüber haben wir uns sehr gefreut, da die Einsätze immer
wieder von höchster Effektivität sind und uns sehr weiterhelfen.
Es ist somit das erste fest installierte europäische Programm, das in Steinort stattfindet und
zudem noch einen erheblichen Nutzen für den Baufortschritt hat. Die mühsame Arbeit der
Antragstellung bei der EU haben die Münchner mit viel Energie selbst erfolgreich erledigt –
wie bereits bei den bisherigen Einsätzen 2019, 2021 und 2022. Zudem werden sie auf der
Weltleitmesse des Bauwesens in München nach Ostern die Botschaft, dass Schloss Steinort
Hilfe braucht, in die Welt tragen. Die Schule hat erstmals an zentraler Stelle im
Eingangsbereich ihren Stand, auf dem sie auch über ihren Einsatz in Steinort und ihre
Motivation dazu berichtet. Wir könnten noch mehr solcher Initiativen gebrauchen, die
einerseits eine materielle Hilfe darstellen und andererseits zur inhaltlichen Ausgestaltung der
späteren Nutzung beispielhaft beitragen (Stichwort Ausbildung von Handwerkern und
praktische Denkmalpflege). Eine polnische Partnereinrichtung, die ebenso begeistert ist und
Möglichkeiten der Kostendeckung akquiriert, wird noch gesucht.
Wir wollen natürlich gern den Münchner Bautechnikern den Aufenthalt Anfang September
etwas erleichtern und angenehmer gestalten, indem wir den Ostflügel weiter herrichten.
Dazu zählen die interimsmäßige Nutzung der Küche und der Ausbau weiterer Räume für
Arbeit und Aufenthalt im Obergeschoss. Nur direkte Notsicherungsarbeiten dürfen aus den
Bundesmitteln finanziert werden. Die genannten Arbeiten im Ostflügel gehören nicht dazu,
weshalb wir hier besonders auf Spenden angewiesen sind.
Für größere Zuwendungen bieten wir auch eine Zweckbindung und eine sichtbare
Vergegenständlichung an, beispielsweise:
– Fußboden für die Bibliothek im Dachgeschoss des Ostflügels 1.500 EUR
– IT-Technik für die Nutzung der Bibliothek 3.000 EUR
– Fertigstellung eines Zweibett-Zimmers im Dachgeschoss (derzeit rohbaufertig) 9.000 EUR
– Fertigstellung eines weiteren Zimmers im Obergeschoss des Ostflügels 10.000 EUR
– Fußbodenfliesen im Cafe Nona einschließlich Verlegen 1.500 EUR
Wir wollen Ihnen damit zeigen, dass die Spenden nicht in einer großen namenlosen Summe
münden, sondern für ganz konkrete Maßnahmen eingesetzt werden sollen, die Sie selbst
später vor Ort sehen und anfassen können.
Die aktuellen Belastungen durch gestiegene Kosten in diversen Lebensbereichen treffen uns
alle. Die DPS leidet deshalb insgesamt unter einem stark zurückgegangenen
Spendenaufkommen, was natürlich auch für Schloss Steinort zutrifft. Die weitere
Notsicherung in kleinen Schritten wird dankenswerterweise derzeit über BKM gefördert. Wie
bereits erwähnt, sind die Grenzen für die „Notsicherung“ eng definiert. Wir freuen uns
deshalb ganz besonders über jede kleine oder große Unterstützung, die dazu beiträgt, dass
darüber hinaus auch die Arbeitsbedingungen vor Ort verbessert und die Nebenkosten für
das Schloss bezahlt werden können.
Zum Schluss möchten wir Sie noch auf 2 Veranstaltungen in diesem Jahr aufmerksam
machen: Am 14. Juni 2023 erfolgt die Verleihung der Heinrich-von-Lehndorff-Medaille an
den Dirigenten Christian Thielemann und den Kunsthistoriker Kilian Heck, die sich beide
zusammen mit den „Kunstfreunden Schloss Steinort“ in der Vergangenheit sehr intensiv um
die Sicherung der überlieferten originalen Kunstgegenstände von Schloss Steinort und den
Ankauf durch das Deutsche Historische Museum erfolgreich bemüht haben. Die
Veranstaltung findet im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg statt und beginnt um
17:00 Uhr. Wir würden uns über Ihr Kommen sehr freuen; die genaue Einladung geht Ihnen
noch zu.
Weiterhin planen wir Ende September/Anfang Oktober im Rahmen der Notsicherung ein
wissenschaftliches Kolloquium zu aktuellen Fragen der Denkmalpflege, das dem deutsch-
polnischen Austausch auf diesem Gebiet dienen wird. Genauere Informationen folgen.
Im März mussten wir leider Abschied nehmen von Antje Vollmer, die nach langer schwerer
Krankheit verstorben ist. Ihre besonderen Verdienste um die Erforschung, Dokumentation
und ergreifende literarische Darstellung des „Doppellebens“ von Heinrich und Gottliebe von
Lehndorff im Schloss Steinort wurden im Sommer 2021 mit der erstmaligen Verleihung der
Heinrich-von-Lehndorff-Medaille gewürdigt. Ihr Tod erinnert uns einmal mehr an die
Verpflichtung, sich für den Erhalt dieses einmaligen Ortes deutsch-polnischer Geschichte
einzusetzen. Das geplante Denkmalkolloquium im Herbst wird noch einmal Gelegenheit
bieten, sich gemeinsam ihrer zu erinnern.
Wir wünschen Ihnen für das bevorstehende Osterfest geruhsame und besinnliche Stunden.
Bleiben Sie vor allem gesund. Wir würden uns freuen, Sie bald wieder in Steinort begrüßen
zu können.
Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger
für das ganze Team „Schloss Steinort“