Christian Thielemann und Kilian Heck geehrt
Das Ostpreußische Landesmuseum erwies sich als ein ehrwürdiger und höchst
angemessener Ort für die vorgestrige Verleihung der Heinrich-von-Lehndorff-Medaille
an Prof. Dr. h.c. Christian Thielemann und Prof. Dr. Kilian Heck. Beide hatten sich in der
Vergangenheit sehr für das Zusammenbleiben des Konvoluts von Gemälden, Möbeln,
Tapisserien und Kunsthandwerk aus dem einst von äußerst qualitätsvoller Ausstattung
geprägten Schloss Steinort eingesetzt, das Fachleute zu den bedeutendsten Beständen
an erhaltenem adligen Inventar aus Ostpreußen zählen. Künftig werden die
Kunstgegenstände nach ihrer Restaurierung in einer Ausstellung im Ostpreußischen
Landesmuseum Lüneburg der interessierten Öffentlichkeit präsentiert.
Im Vorfeld der Veranstaltung wurden die beiden Preisträger und deren Ehrengäste im
Rathaus empfangen und trugen sich in das Goldene Buch der Stadt Lüneburg ein. Beim
anschließenden Rundgang durch das Rathausgebäude zeigten sich die Gäste
beeindruckt von der überragenden bildkünstlerischen und skulpturalen Ausstattung des
größten mittelalterlichen Rathauses im Norden Deutschlands.
Der feierliche Festakt der Verleihung fand vor rund 100 Gästen im bis auf den letzten
Stuhl besetzten Foyer des Ostpreußischen Landesmuseums statt. Nach der Begrüßung
durch den Hausherrn Direktor Dr. Joachim Mähnert hielt Dr. Tessen von Heydebreck,
Vorstand der Deutsch-Polnischen Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz, eine kurze
Rückschau zur Tätigkeit dieser Rechtsinstitution, zurückreichend bis zu ihrer Gründung
im Jahr 2007. Heute ist die Polnisch-Deutsche Schwesterstiftung Eigentümerin von
Schloss Steinort im heute polnischen Masuren, das insbesondere mit dem Namen von
Heinrich von Lehndorff und seiner Beteiligung an der Vorbereitung des
Umsturzversuchs vom 20. Juli 1944 verbunden ist. Die Heinrich-von-Lehndorff-Medaille
wird seit 2021 an herausragende Persönlichkeiten vergeben, die sich um die Rettung des
Schlosses und seines Inventars sowie die Festigung der deutsch-polnischen Beziehungen
verdient gemacht haben. Erstmalig ging sie an die ehemalige Vizepräsidentin des
Deutschen Bundestages Frau Dr. Antje Vollmer, sowie an den einstigen Botschafter
Polens in Deutschland, Janusz Reiter.
Danach richtete Frau Bürgermeisterin Christel John das Wort an die Gäste und die
Auszuzeichnenden. In ihrer Rede drückte sie den Stolz der Stadt aus, dass die Ehrung in
Lüneburg stattfindet. Sie hob die erfolgreiche Brückenfunktion des Ostpreußischen
Landesmuseums nach Mittelosteuropa hervor, die eine der Hanse im positiven Sinne
fortsetzt.
In seiner unterhaltsamen Laudatio würdigte der Denkmalpfleger und Kunsthistoriker
Dr. Albrecht Graf von und zu Egloffstein den Beitrag der beiden Preisträger zur Rettung
des Schlosses und vor allem eines durch glückliche Umstände erhaltenen Konvoluts des
Inventars. Dr. Mähnert schilderte im Anschluss den schwierigen, ja abenteuerlichen Weg, den die
Kunstgegenstände bis zu ihrer Rettung in ein öffentlich finanziertes Museum gehen
mussten: die Evakuierung aus Ostpreußen in Güterwaggons, das eilige Einmauern in
einen Burgkamin und der Jahrzehnte später erfolgte „Schatzfund“, die
Beschlagnahmungen durch die Rote Armee, verschlungene Wege in Depots von DDR-
Museen sowie in den privaten Kunsthandel durch das KoKo-System von Alexander
Schalck-Golodkowski, nach der Wende schließlich langjährige Restitutionsbemühungen
der einst von den Nationalsozialisten enteigneten Familie, drohender Auktionsverkauf
bei Christies in London und glückliche Rettung als zusammenhängender Bestand durch
die von den Laureaten initiierte Gruppe von Kunstfreunden, bis sie letztendlich vom
Deutschen Historischen Museum erworben und als Leihgabe vom Ostpreußischen
Landesmuseum Lüneburg übernommen werden konnten.
Dr. Mähnert würdigte das Konvolut, welches nicht nur wegen herausragender
Einzelstücke, etwa ein ungewöhnliches Familienporträt vom „Goethe-Tischbein“ Johann
Heinrich Wilhelm Tischbein (1751–1829) oder Porträts von Antoine Pesne und Anna
Rosina de Gasc sowie ein mächtiger Gobelin mit biblischer Szenerie von höchstem
musealen Wert sei. Besonders angesichts der Verheerungen zu Kriegsende sei die einst
bedeutende Substanz adliger Lebenswelten kaum und nur fragmentarisch in dinglichen
Zeugnissen erhalten, was diesen so glücklich geretteten Bestand einzigartig machen
würde. Nach ihrer Restaurierung sollen die Kunstgegenstände im Ostpreußischen
Landesmuseum ausgestellt werden.
Die Heinrich-von-Lehndorff-Medaille besteht aus hochwertigem Meißner Porzellan und
trägt einen Goldrand. Sie zeigt das Konterfei von Heinrich von Lehndorff sowie auf der
Rückseite eine stilisierte Abbildung von Schloss Steinort, beschriftet mit dem heute
polnischen Namen „Palac Sztynort“. Die feierliche Übergabe der Medaillen war
verbunden mit der Verlesung der zugehörigen Urkunden und wurde von den
Vertretern der Deutsch-Polnischen Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz und ihrer
Schwesterstiftung, Dr. Tessen von Heydebreck und Udo Donau, sowie dem Stifter der
Medaille, Prof. Dr. Wolfram Jäger, vorgenommen.
Christian Thielemann bedankte sich für die Auszeichnung herzlichst und schilderte kurz,
aber in emotionalen Worten, seine Affinität zum ehemaligen Ostpreußen. Getrieben
von dem Bemühen um die Bewahrung der Erinnerung an ein Stück verlorengegangene
Geschichte zu dem nicht mehr existenten Schloss Friedrichstein der Familie von Dönhoff
kam er schließlich zu Schloss Steinort. Seine eindrucksvollen Eichenalleen und seine bis
vor einiger Zeit kaum bekannte Geschichte im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944
inspirierten ihn. Es war ihm ein Bedürfnis, Impulse für dessen Erhalt zu geben. Aus der
Unsicherheit, was denn ein Einzelner da überhaupt tun und ausrichten kann und durch
sein anhaltendes Kunstinteresse ergab sich der Glücksumstand, dass die wenigen noch
existenten Kunst- und Ausstattungsgegenstände von Schloss Steinort in ihrer
Gesamtheit auf Initiative der Ausgezeichneten hin bewahrt werden konnten. Die von
ihm aktivierte kleine Gruppe der „Kunstfreunde Schloss Steinort“ unterstützte das
Anliegen in großzügiger Art und Weise mit einer Zwischenfinanzierung, bis die
vorläufige Lösung des Verbleibs im Ostpreußischen Landesmuseum über öffentliche
Gelder gefunden werden konnte. Die Vision der beiden Geehrten ist es, diese später
einmal im sanierten Schloss in Steinort auszustellen und zur Unterstützung der
Authentizität des Ortes einzusetzen.Kilian Heck spannte den aktuellen Bogen zu der Notwendigkeit der Bewahrung historischen Kunstgutes über den Ukrainekrieg und sein derzeitiges Engagement über
ein von ihm organisiertes Netzwerk zur Unterstützung der ukrainischen Museen und
Galerien. Eindringlich schilderte er die Not der ukrainischen Museumskollegen, die er
wöchentlich in Videokonferenzen vermittelt bekommt. Die Invasion Russlands in der
Ukraine zeigt auch, wie wichtig es ist, an den militärischen Widerstand und die
Vorbereitung des Umsturzversuchs vom 20. Juli 1944 in Steinort zu erinnern. Kilian Heck
schloss in seinen Dank für die Ehrung alle langjährig um die Erhaltung von Schloss
Steinort bemühten Freunde und aktiven Mitstreiter ein.
Zum Abschluss des Festakts überbrachte Maurermeister Thorben Rievesehl, Alumnus der
Städtischen Fachschule für Bautechnik der Stadt München, die Glückwünsche aller
Lehrer und Schüler dieser Einrichtung. Er hatte in seine Gratulation noch eine weitere
freudige Mitteilung eingebunden. Nachdem die Münchner Bautechniker bereits seit
2019 jährlich im September 14 Tage in Steinort bei Bau-, Maurer- und Zimmerarbeiten
im Schloss verbrachten, erhielt die Schule für diese Einsätze nunmehr die Zertifizierung
des Programms Erasmus+, was die weitere Finanzierung erst einmal bis 2027 sichert. Die
jungen Leute lernen voneinander und von den außergewöhnlichen anstehenden
Aufgaben, sie erfahren dessen Geschichte, und sie leisten einen wertvollen Beitrag zur
Rettung des Gebäudeensembles.
Die Einsätze werden im Rahmen des europäischen Projekts Erasmus+- finanziert. Sie
sind damit die erste europäische Einrichtung im Schloss im Sinne seiner späteren
zukunftsorientierten Ausgestaltung.
Der Abend wurde mit einem Empfang in den Räumen des Museums abgeschlossen, in
denen für die Gäste 3 der bereits restaurierten Gemälde sowie ausgewählte
Ausstattungsgegenstände präsentiert wurden.
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Kontakt Öffentlichkeitsarbeit und Marketing Ostpreußisches Landesmuseum
Mareike Kelzenberg M.A., Wissenschaftliche Volontärin
Tel. +49 (0)4131 7599528, E-Mail: m.kelzenberg@ol-lg.de
Ostpreußisches Landesmuseum mit Deutschbaltischer Abteilung
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Tel. +49 (0)4131 759950, Fax +49 (0)4131 7599511
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Prof. Thielemann und Prof. Heck: Danksagung
Gruppenfoto nach Verleihung der Lehndoff-Medaille