Stankowo – Riesenwalde
Der nachfolgende Bericht über Riesenwalde fand sich im Internet und ebenso im Heimatbuch „Der Kreis Rosenberg“. Autor: Dr. Herbrand Orlop:
Die Gemeinde Riesenwalde liegt an der Hauptverkehrsstraße von Riesenburg nach Rosenberg. Sie bestand aus dem Gut und 14 Bauerngehöften. Im Jahre 1945 hatte sie 349 Einwohner. Der Name Riesenwalde geht, wie die Namen Riesenkirch und Riesenburg auf den Prussenstamm der „Ryssen“ oder „Reisen“ zurück.
Die Gemarkung Riesenwalde wird urkundlich zum ersten Mal im
14. Jahrhundert erwähnt. Sie befand sich im Mittelalter im Besitz des Bischofs von Pomesanien. Nach der Reformation kam Riesenwalde in die Hand des weltlichen Landesherrn und wurde 1654 von Friedrich Wilhelm dem Großen Kurfürsten von Brandenburg an Herrn Israel Köhne von Jaski verkauft.
Im Besitz der Familie Köhne von Jaski blieb Riesenwalde etwa 100 Jahre.
Um 1740 kaufte Herr Karl Gustav von Bardeleben Riesenwalde. Von ihm soll die Anlage des etwa zwölf Morgen großen Gutsparkes im französischen Stil mit geraden, sich rechtwinklig schneidenden Wegen, geraden Baumreihen („Laubengänge“) und Hecken sowie einem Schneckenberg und einem künstlichen Teich stammen. Diese Anlage wurde zwar in den folgenden 200 Jahren mehrfach geändert, blieb aber im Wesentlichen bis 1945 erhalten.
In der Zeit von 1790 bis 1795 soll von dem damaligen Besitzer Riesenwaldes, Herrn Wilhelm Julius von Pogwich, die Riesenwalder Dorfschule gegründet worden sein. Auf Herrn von Pogwich, dessen Tochter Ottilie Goethes Sohn heiratete und die bekannte Schwiegertochter Goethes war, wird auch die erste Landkarte des Rittergutes Riesenwalde, die bis 1945 im Rosenberger Kreisarchiv aufbewahrt wurde, zurückgeführt. Außerdem soll er die lange strittigen Instandhaltungspflichten am Liebe-Fluß mit den Riesenwalder Nachbarn geregelt haben.
Bei der Bauernbefreiung im Rahmen der vom-Stein-Hardenbergschen Reformen erhielten die Riesenwalder Bauern etwa ein Drittel des Bodens als Eigentum. Eine Urkunde über diese Landverteilung befand sich bis 1945 im Rosenberger Kreisarchiv. Die selbständigen Bauern oder Besitzer, wie sie in Riesenwalde hießen, verließen das Dorf und siedelten sich auf ihren neuen Höfen an, die den zwischen Riesenwalde und Obrzynow – Riesenkirch gelegenen Riesenwalder „Abbau“bildeten.
Im Jahre 1858 erwarb Herr Friedrich Schrader Riesenwalde. Außerdem gehörten ihm die Güter Liebsee und Grasnitz. Aus Geldnot ließ er die ausgedehnten Eichenwälder beiderseits der Straße nach Rosenberg bis zum Burgalsee (jez. Burgale) abholzen. Nur drei mächtige Eichen blieben auf freiem Felde stehen. Von ihnen wurde erzählt, dass sie angeblich deshalb verschont worden seien, weil einmal fahrende Musikanten sich auf sie vor Wölfen gerettet haben sollen. Bis zum Jahre 1945 waren noch zwei Eichen übrig. Im Jahre 1963 stand noch eine.
Herr Schrader verkaufte Riesenwalde und Liebsee im Jahre 1877 an Herrn Johann Gottfried Borowski, Handelsherr in Danzig. Er selbst siedelte nach Waldhof über, das er von Riesenwalde abgetrennt und zu einem selbständigen Gut gemacht hatte. Außerdem behielt er Grasnitz. Im Jahre 1882 baute Herr Borowski anstelle des bei dem großen Riesenwalder Brand im Jahre 1850 beschädigten Gutshauses ein neues Gutshaus, das bis zum Januar 1945 unverändert blieb und durch die Kriegsereignisse zerstört wurde.
Nach dem Tode von Herrn Johann Gottfried Borowski übernahm sein Sohn, Herr Gerhard Borowski, im Jahre 1896 das Gut Riesenwalde. Er hinterließ es nach seinem Tode im Jahre 1936 seinen vier Töchtern, von denen die Älteste, Frau Gertrud Orlop, mit ihrer Familie in Riesenwalde lebte und es seit 1934 bewirtschaftete.
Die Kirchengemeinde Riesenwalde umfasste Riesenwalde und Grasnitz. Bis zum 17. Jahrhundert war sie eine Tochtergemeinde von Riesenkirch. Nach vorübergehender Selbständigkeit wurde Riesenwalde 1739 wieder mit Riesenkirch, jetzt jedoch als selbständige Schwestergemeinde mit einem gemeinsamen, in Riesenkirch wohnenden Pfarrer, vereinigt. So blieb es bis 1945. Bei der Wahl eines neuen Pfarrers besaßen das Riesenkircher und das Riesenwalder Patronat abwechselnd das Vorschlagrecht.
Der Riesenwalder Kirchhof lag außerhalb des Dorfes an dem Wege nach Waldhof. Er wurde im Jahre 1832 dorthin verlegt, weil der an der Kirche in der Mitte des Dorfes gelegene alte Kirchhof wegen der Todesfälle durch die Cholera-Epidemie zu klein geworden war. Der Kirchhof macht heute von der Dorfstraße aus einen unveränderten Eindruck, als wenn er den Krieg ohne Zerstörung überstanden hätte. Die hohen Tannen, die ihn umstehen, sind erhalten. Wie die Gräber aussehen, ist nicht bekannt.
Riesenwalde hatte eine zweiklassige Volksschule mit zwei Lehrern. Zum Schulbezirk gehörten auch noch Waldhof und Grasnitz. Das im Jahre 1945 vorhandene moderne und geräumige Schulgebäude stammte etwa aus dem Jahre 1930. In zwei Generationen hatte die Familie Preuß die erste Lehrerstelle inne, mit der das Organistenamt verbunden war. Genauso lange verwalteten die beiden Lehrer Preuß das Standesamt Riesenwalde.
Die Gemeinde Riesenwalde umfasste 1945 eine Bodenfläche von etwa 4,500 Morgen. Davon waren etwa 2,750 Morgen Gutsbesitz und ungefähr 1,750 Morgen Bauernbesitz. Zum Gut gehörten zwei je etwa 300 Morgen große Seen, die nach Brunowo – Brunau (Burgalsee) und nach Riesenkirch bzw. Liebsee (Zuweisersee, poln. jez. Sowica) die Grenze bildeten. Im Zuweisersee lag ein 30 Morgen große Insel, die als Jungviehweide diente. Die Rinder mussten im Frühjahr an einer schmalen Stelle des Sees zur Insel schwimmen und blieben dort die Weidezeit über. Im Herbst schwammen sie auf dem gleichen Wege wieder zurück. Wegen seines klareren Wassers eignete sich der zum großen Teil vom Brunauer umsäumte Burgalsee besser zum Baden als der Zuweisersee. Besonders beliebt und an schönen Tagen stark besucht war die Badestelle an der Straße nach Rosenberg. Die Nutzung der beiden Seen war pachtweise einem Fischer überlassen, für den am Zuweisersee ein gutseigenes Fischerhaus vorhanden war.
Der Riesenwalder Ackerboden ist in seiner Qualität allgemein als rotkleefähig zu bezeichnen. Die einzelnen Schläge waren nicht gleich. Neben schwerem Zuckerrübenboden war auch leichter Boden vorhanden. Der aus der Zeit der größten Waldrodung und nach der Abtrennung von Waldhof übrig gebliebene Riesenwalder Wald war mit etwa 180 Morgen verhältnismäßig klein. In diesem Walde lag an der Kreuzung der Bahnstrecke von Riesenburg nach Rosenberg mit dem Wege nach Waldhof ein Bahnwärterhaus und die sogenannte Riesenwalder „Weiche“, eine Verladestation, die um die Jahrhundertwende angelegt worden war und von den umliegenden Gütern benutzt wurde.
Seit der Gründung der Danziger Herdbuchgesellschaft besaß das Gut Riesenwalde eine Herdbuch-Rinderherde. Daneben bestand eine bedeutende Stammherde des Merino-Fleischschafes, aus der regelmäßig auf der Auktion des Schafzuchtverbandes Jungböcke abgegeben wurden. Außerdem war das Gut ein anerkannter Saatzuchtbetrieb für Kartoffeln und Getreide und anerkannter landwirtschaftlicher Lehrbetrieb. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bestand in Riesenwalde eine eigene Meierei, die aufgelöst wurde, als der letzte Betriebsleiter, Herr Matthiesen, die größte Meierei in Riesenburg übernahm.
Wie überall auf dem Lande, so lebten auch in Riesenwalde noch einige alte Bräuche, wie das „Schmackostern“ mit Kaddickzweigen am zweiten Osterfeiertag, das Abbrennen des Johannisfeuers mit Hilfe einer Teertonne und das „Binden“ bei Beginn der Getreideernte. Auch mit dem letzten Fuder der Ernte hatte es seine besondere Bewandtnis. Es wurde bei der Fahrt durchs Dorf und bei der Einfahrt in die Scheune ausgiebig mit Wasser begossen. Sobald der Wagen ins Dorf hineinkam, öffneten sich die Türen der Insthäuser, und alt und jung wetteiferten darin, Getreideladung und Begleitmannschaft naß zu gießen. Als Junge war man daher besonders stolz, wenn man das letzte Fuder fahren durfte und Pferde und Wagen möglichst trocken in die Scheune bringen konnte.
Sobald die Getreideernte beendet war, wurde alljährlich auf dem Gut das Erntefest gefeiert. Am Nachmittag dieses Tages marschierte die „Erntefestkapelle“ durchs Dorf und sammelte alle an der Einbringung der Ernte
Beteiligten mit ihren Angehörigen zu einem Zug vor das Gutshaus. Dort überreichte die älteste Scharwerkerin mit einem Gedicht eine selbst geflochtene Erntekrone, die anschließend bis zum nächsten Erntefest im Eingangsflur des Gutshauses aufgehängt wurde. Nach einer Ansprache mit dem Dank für die Ernte und dem gemeinsamen Choral „Nun danket alle Gott“ ging es dann zu dem Getreidespeicher, in dessen ausgeräumtem Erdgeschoss mit „Erntefestmusik“ und freien Getränken die ganze Nacht hindurch gefeiert und getanzt wurde.
Im Winter ging in der Vorweihnachtszeit der „Schimmelreiter“ mit seiner Begleitung (Spielmann, Klapperstorch, altes Weibchen, Schornsteinfeger u.a.) durchs Dorf und tanzten nach der Musik des Spielmanns in verschiedenen Häusern.
Am Silvesterabend versammelten sich nach der Jahresschlussandacht die zehn Gespannführer, die sogenannten Knechte, in der Vorfahrt vor dem Gutshaus und knallten mit ihren Peitschen das alte Jahr aus.
Ende Januar 1945 gingen alle Riesenwalder im gemeinsamen Treck auf die Flucht vor den anrückenden russischen Truppen. Bei den chaotischen Verhältnissen verlor der Treck leider bald den Zusammenhalt, so dass die versprengten Gruppen sich allein durchschlagen mussten. Viele konnten nach Westdeutschland gelangen. Über die genauen Verluste durch Tote und Vermisste besteht keine Klarheit.
Durch die Kriegsereignisse wurde dass Dorf mit Kirche, Gutshaus und Wirtschaftsgebäude völlig zerstört. Riesenwalde war daher in den ersten Nachkriegsjahren unbewohnt und wurde nicht bewirtschaftet.
Inzwischen ist ein neues und anderes Riesenwalde wieder aufgebaut worden. Es heißt jetzt „Stankowo“ und wird als Staatsgut wieder voll bewirtschaftet. Gegenwärtig werden umfangreiche Dränierungsarbeiten durchgeführt. Anstelle des alten Gutshauses ist ein neues Gutshaus von annähernd gleicher Größe gebaut worden, an dem noch das alte Fundament mit dem nur wenig veränderten Grundriss und einige alte Außenmauern zu erkennen sind. In dem Haus sind eine Schule und einige Familienwohnungen untergebracht. Von der Kirche steht nur noch ein Stumpf des Turmes mit wenigen Resten der Außenmauern des Kirchenschiffes. Die alte Schule und das Lehrerhausneben der Kirche sind restlos verschwunden. Als einziges Haus hat das Trosiensche Haus neben dem Teich an der Schule den Krieg trotz einiger Schäden überdauert. Auch das Haus der Lehrerwitwe Preuß auf dem sogenannten Uhlenberg am Dorfausgang nach Rosenberg ist wieder bewohnbar gemacht und mit einem kleinen Stallanbau versehen worden. Die Häuser der Arbeiter und die Wirtschaftsgebäude sind alle, anders als früher, wieder aufgebaut worden. Sie stehen auch an anderen Stellen als früher.
Das alte Riesenwalde, wie wir es kennen und wie es uns in Erinnerung geblieben ist, existiert nicht mehr. Zwar erscheint die Landschaft mit den weiten Ackerschlägen, den Seen und dem Wald dem Besucher auch heute noch so vertraut wie früher, und die zum großen Teil noch stehen gebliebenen alten, hohen Bäume des Gutsparkes grüßen schon von weitem.
Wenn man aber näher herankommt und durch das völlig veränderte Dorf fährt, wirkt alles fremd. Die Gebäude erinnern nicht mehr an früher, und in ihnen leben andere Menschen. Man verlässt daher Riesenwalde mit dem Gefühl, in der Heimat, aber nicht mehr zu Hause gewesen zu sein.
Eine ausführliche Dokumentation von Riesenkirch, Jakobsdorf und Tönigesdorf hat Frau Lieselotte Zerwer (Riesenkirch) Wedemark erstellt, und dem Heimatkreis Rosenberg-Wpr. für sein Archiv (Heimatstube) überlassen.[1]
[1] Christa Mühleisen, e-mail 3.3.08