Sorquitten

Geschichte von Dorf und Gut Sorquitten

Das Dorf Sorquitten zwischen dem Gieland- und dem Lampaschsee wurde 1379 gegründet, als den Brüdern Christian und Otto von Oelsen durch Hochmeister Winrich von Kniprode hier Land übereignet wurde.

Seit 1451 gehörte das Gut Jan von Krenit Przebedowski. 1469 erwarb Georg von Schlieben, dessen Familie ihren Stammsitz in Gerdauen hatte, das Gut. In dieser Zeit entstand die Kirche. Nachfolgender Besitzer waren Sigismund von Egloffstein ab 1599 und die Familie von der Groeben ab 1693. Als Eustachius von der Groeben (1690 – 1748) kinderlos starb, wurde über seinen gesamten Nachlass der Konkurs eröffnet. Seine Frau Charlotte, geb. v. Nickeritz, (1707 oder 1709 – 1776) ersteigerte 1749 Gut Sorquitten für 11.433 Reichstaler. Sie heiratete 1750 Johann von Oppeln-Bronikowski (1680 – 1765), der vermutlich das Geld für den Erwerb zur Verfügung gesstellt hatte. Nach seinem Tod erbte erst die Witwe und dann der Neffe Johann-Sigismund v. Oppeln-Bronikowski (1736 – 1796). Dieser war verheiratet mit Charlotte, geb. Schmid von Schmidseck (1750 – 1810) Der Verbindung entsprangen 13 Kinder, von denen immerhin zwei im Mannesstamm bis heute überlebten. Dazu gehört auch Friedrich v.Oppeln-Bronikowski, der Autor eines Romans über mörderische Eifersucht im Allensteiner Offiziersmilieu und dessen Sohn Friedrich-Wilhelm v.Oppeln-Bronikowski, Autor des Buches über Sorquitten – siehe Literaturverzeichnis.

Charlotte von Oppeln-Bronikowski erbte Gut Sorquitten und verkaufte es 1804 an Major Ernst Friedrich Gottlob von Mirbach aus Kurland für 95.000 Reichsthaler.

Er und seine Nachfolger brachten das Gut zu wirtschaftlicher Blüte. Die Familie hat ihren Ursprung im Dorf Mirbach in der Eifel und breitete sich von dort europaweit aus. Ein oder mehrere Familienmitglieder wanderten nach Kurland aus, von wo aus der genannte Major von Mirbach 1804 nach Süden ins Ostpreußische weiterzog. Sein Enkel Julius Ulrich von Mirbach (27. 6. 1839 – 26. 6. 1921), Jurist und Nationalökonom sowie ein Mitarbeiter Bismarcks, erhielt 1870 den Freiherrentitel und wurde 1888 in den Grafenstand erhoben. Im Wald seiner Sorquitter Besitzung betrieb er die Einzelstammpflege, eine frühe Form der heute populären naturgemäßen Waldwirtschaft. Er war Mitglied des Herrenhauses auf Lebenszeit seit 1874 und des Reichstags von 1878 – 1881 und 1886 – 1893 als Mitglied der Deutsch-Konservativen Partei. Außerdem gehörte er als begeisteter Jäger zu den Gründern des Allgemeinen Deutschen Jagdschutzvereins und war bis zu seinem Tod dessen Vizepräsident und Geschäftsführer.[1] Er ließ das Gutshaus 1850 – 1856 im neogotischen Tudorstil umbauen. In seiner Zeit wurde Gut Heinrichshöfen erworben. Er vergrößerte das Gut auf 5.770 ha (Stand 1904). Der Gutspark wurde unter der Aufsicht der damaligen Gutsherrin Ulrike von Mirbach, geb. von Elditt, zwischen 1844 und 1855 angelegt. Julius Mirbach war verheiratet mit Marie, geb. Freiin von Paleske (1845 – 1916).

Der letzte deutsche Besitzer, Kapitänleutnant Frhr. Bernard v. Paleske (1877-1962), Flügeladjutant Kaiser Wilhelms II., erbte 1921 die Begüterung einschließlich Heinrichshöfen von seinem Onkel Julius Ulrich von Mirbach, der kinderlos starb. Frhr. v. Paleske ließ 1922/23 das im 1. Weltkrieg 1914 von den Russen in Brand gesetzte Schloss unter Leitung des Architekten Otto Rüger originalgetreu wieder entstehen. Das Gutshaus in Heinrichshöfen, das während der Zeit des Wiederaufbaus als Ausweichquartier der Familie diente, wurde Ende der 1920er Jahre an den Staat verkauft, um auf diese Weise erfolgreich die Wirtschaftskrise jener Zeit zu überstehen.[2] Bernhard von Paleske war verheiratet mit Valeska, geb. von Oppen (1889 – 1960), deren Wappen im Alianzwappen in der Krone der Patronatsloge der Sorquitter Kirche wiedergegeben ist.

Zu Sorquitten gehörten im Laufe der Zeit sieben Vorwerke: Zaluki – Salucken, Slomowo – Neblisch (Name abgeleitet von Schlieben rückwärts), Joachimowo – Joachimowen, Mlynik – Lasken, Stamm, Miluki – Milucken und Jedrychowo – Heinrichshöfen mit Radowen.[3] In Niekamers Landwirtschaftlichem Güter-Adressbuch von 1922 wurden die Vorwerke Chabrim (Name Mirbach rückwärts), Bagnowen, Neblisch, Stamm und Heinrichshöfen mit Rodowen und Milucken genannt.

In der Sorquitter Gutsforst mit besonders dichten Kiefern- und Fichtenbeständen gab es einen guten Wildbestand. Besonders imposant waren die Geweihe der Rothirsche, für die etliche Gold- und Silbermedaillen auf Geweihausstellungen errungen wurden, so 1900 der Kaiserpokal und 1927 der erste Preis auf der Berliner Jagdausstellung für ein Geweih mit 114 cm Stangenlänge eines Hirsches, den der Freiherr v. Paleske geschossen hatte. Sorquitten war seinerzeit berühmt für seine Rotwildjagden.

Das Klima auf dem Gutsgelände war so vorteilhaft, dass man in der Mitte des 19. Jhs. auf der dazugehörigen Halbinsel Ostrow am südlichen Abhang Wein anbaute und aus den geernteten Trauben Wein keltern konnte. Hier sind heute noch steinbedeckte Terrassen erkennbar. Sogar Südfrüchte wie z. B. Feigen sollen dort gediehen sein. Im Nordteil der Halbinsel befand sich in der Sichtachse zum Schloss das Erbbegräbnis der Gutsherren.

Das Dorf Sorquitten erhielt 1898 den Anschluss an das Eisenbahnnetz, und zwar an die Strecke Rothfließ – Sensburg –Rudczanny. Der dazugehörige Bahnhof flog 1945 in die Luft und heute fährt keine Eisenbahn mehr. Eine Postexpedition gab es im Ort seit 1857. Diese wurde 1876 in ein Postamt III.Klasse umgewandelt und 1939 zu einer Poststelle II gemacht. Das Postamt war ein durchaus respektables Gebäude.[4]



[1] aus einer Broschüre von Herrn v. Oppen. Mai 2012
[2] Albrecht von Klitzing, Mein Abenteuer in Polen, Heinrichshöfen 2013, S. 16
[3] Friedrich-W. v. Oppeln-Bronikowski, Sorquitten in Masuren/Ostpreußen, 1. Aufl. 2016, S. 16
[4] Friedrich-W. v. Oppeln-Bronikowski, Sorquitten in Masuren/Ostpreußen, 1. Aufl. 2016, S. 48

Bilder

Literatur

Biografie: Friedrich v. Oppeln-Bronikowski

© 2009, DIN A 5, gebunden, farbiger Schutzumschlag, 220 Seiten, 19 Fotos, 17 Reproduktionen, davon 2 farbig, ausführliches Personenregister., ISBN 978-3-7980-0581-5, Preis 19,80 Euro

Friedrich v. Oppeln-Bronikowski war im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts kein Unbekannter und ist der älteren Generation durch seine weit verbreiteten Schriften noch bekannt. Sein facettenreiches Leben wurde anhand der noch verfügbaren Dokumente in eine thematische und chronologische Gesamtschau eingebracht, die Zusammenhänge und Querverbindungen erkennen lässt.

Nach einer frühzeitig durch einen Unfall beendeten Offizierslaufbahn und einem Philosophiestudium widmete er sich literarischen Aufgaben, betätigte sich journalistisch und verfasste eigene belletristische Werke, übersetzte Werke französischer und belgischer Dichter ins Deutsche und zeichnete sich hierbei durch einfühlsame Stilkunst aus, die ihn neben seiner universal-historischen Kenntnis auch befähigte, eine Gesamtausgabe der Werke, Briefe und Gespräche Friedrichs des Großen herauszugeben.

Neben seinem mutigen und durch humanistischen Geist geprägtem Eintreten gegen den Antisemitismus, leider heute kaum mehr bekannt, galt sein Interesse auch der Archäologie, deren Ehrendoktor er war.

Die vorliegende Biographie bietet eine ungewöhnliche Fülle an Material. Die Zeitumstände und die großen vielfältigen Themen des Schriftstellers und Übersetzers werden durch umfangreiche Zitate lebendig.


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Friedrich v. Oppeln-Bronikowski: “Der Exot”

Auszüge aus dem Nachwort von Friedrich W. von Oppeln-Bronikowski zum geschichtlichen Hintergrund des Romans. Hinweis: Der Roman ist keine Nacherzählung der Tragödie, sondern eine freie künstleische Beshäftigung mit ihr unter Veränderung der Namen von Personen und Orten und der Geschehensabläufe

Das Geschehen spielte 1907-1908 in Allenstein in Ostpreußen, dem Kuhren des Romans. Wegen der Nähe zur russischen Grenze war Allenstein Garnisonsstadt. Unter anderen waren damals dort stationiert: das Masurische Feldartillerie-Regiment Nr. 73, dem der Hauptmann von Goeben (der Hauptmann Hugo von Verden des Romans) und das Dragonerregiment König Albert von Sachsen, Ostpreußisches Nr. 10, dem der Major August von Schönebeck (der Major von Burgess des Romans), angehörten.

August von Schönebeck, 1860 in München geboren, war seit 1897 mit Antonie geb. Lüders, 1876 in Görlitz geboren, verheiratet. Ihr Großvater war der österreichische Minister von

Stremayr und sie war dank ihrer Herkunft vermögend. Antonie war eine schöne und lebenslustige, aber auch nymphoman veranlagte und hysterische Frau, die keiner Männerbekanntschaft aus dem Weg ging. Als ihr Mann sie bei einem Seitensprung ertappte, enterbte er sie. Eine Ehescheidung kam für ihn als Katholiken jedoch nicht in Betracht; auch wäre eine Scheidung nicht karrieredienlich gewesen. Beide Eheleute lebten also ihr eigenes Leben. Antonie von Schönebeck empfing ihre Verehrer, die meist aus den Militärkreisen stammten, in ihrem gemeinsamen Haus, was dadurch erleichtert wurde, dass das Paar getrennte Schlafzimmer hatte und ihr Ehemann zumeist entweder seinen Dienst versah oder seiner Jagdleidenschaft nachging.

Im Jahr 1907 Hauptmann Hugo von Goeben vom Großen Generalstab in Berlin nach Allenstein versetzt. Hier sollte er sich als Chef der ersten Batterie des Masurischen Feldartillerie-Regiments Nr. 73 praktisch bewähren. In Allenstein fand er u. a. Anschluss an den Major August von Schönebeck vom Dragonerregiment, dessen Familie er schon aus früheren Zeiten kannte und der sich deshalb Goebens privat annahm. Auf diese Weise lernte er auch dessen Ehefrau Antonie kennen; beide waren voneinander fasziniert und planten eine gemeinsame Zukunft. Um den Weg dafür zu bereiten, plante v. Goeben ein ‚Duell ohne Zeugen’, in dessen Verlauf der Ehemann getötet werden sollte.

Am Weihnachtstag 1907, den Goeben im Hause Schönebeck verbracht hatte, plante er mit Wissen seiner Geliebten die entscheidende Tat. Goeben verließ zum Schein die Villa Schönebeck und kehrte in der Nacht auf den 26. Dezember durch ein zuvor entriegeltes Fenster zurück, um den Major zu einem Duell ohne Zeugen vor seine Pistole zu zwingen. Dieser war jedoch durch ein Geräusch aufgewacht und trat dem vermummten Eindringling mit seiner Dienstpistole entgegen. Beide schossen auf einander. Die Pistole des Majors versagte zweimal, und Hugo von Goeben, der als sicherer Schütze gefürchtet war, schoss dem Major um ca. 3 Uhr morgens eine tödliche Kugel in die Stirn.

Goeben wurde nach zwei Tagen verhaftet und legte am 31.12.1907 ein umfassendes Geständnis ab. Er nahm sich Anfang März 1908 in der Militärhaftanstalt das Leben. Antonie von Schönebeck wurde wegen Anstiftung bzw. Beihilfe zum Mord am 31. Dezember 1907

verhaftet, jedoch gegen ein Kaution von 50.000 RM frei gelassen. Sie nutzte diese Zeit, um in London den 1868 geborenen Schriftsteller Alexander Otto Weber zu heiraten, seinerzeit ein erfolgreicher satirischer Schriftsteller. Im Prozess wurde sie von vier Rechtsanwälten, darunter zwei Staranwälten aus Berlin, verteidigt und genoss darüber hinaus das Wohlwollen des Richters aus alter Familienbekanntschaft. Das Verfahren wurde am 22. Verhandlungstag im Jahr 1910 vorläufig eingestellt und nicht wieder aufgenommen. Nach dem Tod von Alexander Otto Weber heiratete heiratete sie seinen Bruder, den Bankier Fritz Weber, und verstarb 1931 in Rapallo.

Die Villa Schönebeck blieb nach dem Mord unbewohnt; sie erhielt im Volksmund den Beinamen „Mordvilla“. 1912 kaufte sie der Verleger der Allensteiner Zeitung und Eigentümer einer großen Druckerei Wilhelm Ernst Harich. Er ließ sie abreißen und baute auf dem Grundstück eine repräsentative Jugendstilvilla, die heute noch steht. Einer seiner Enkel war Walter Harich, der Vater des DDR-Nonkonformisten Wolfgang Harich, der sich in einem seiner Werke auch zur Allensteiner Offizierstragödie äußert

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Friedrich-W. v. Oppeln-Bronikowski “Sorquitten in Masuren/Ostpreußen”

Der Autor schreibt dazu:

Die vorliegende Broschüre ist meine abschließende Darstellung des Stoffes in wissenschaftlicher Aufbereitung; ihr gingen mehrere Aufsätze in Form von Zeitschriftenartikeln in unterschiedlichen Medien voraus, darunter eine Darstellung im Deutschen Adelsblatt vom 15. Oktober 2006 unter der Überschrift: “Schloss Sorquitten, Kreis Sensburg in Ostpreußen”.

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