Die nachfolgende Begebenheit mit dem Titel „Tante Schöler kauft Vorhänge“ übersandte uns Bernhard Waldmann:
Tante Schöler fuhr zusammen mit ihrem Mann aus dem Memelland nach Tilsit, um Gardinen zu kaufen. Der Einkauf zog sich hin und Onkel Schöler langweilte sich sehr. Er ging in die Gaststätte nebenan und genehmigte sich ein paar Schlückchen.
Nach gelungener Auswahl zog Tante Schöler sich bis auf den Unterrock aus und ließ sich im Geschäft in die Vorhänge einwickeln, um den Zoll auf der Luisenbrücke zu sparen. Nach der Wiederankleidung war die Tante zwar erheblich dicker als vorher, aber für ostpreußische Frauen in fortgeschrittenem Alter stellte eine stattliche Figur keinen Makel dar.
Auf der Straße merkte die Tante, daß ihr Gemahl sich wohl ein paar Schlückchen zu viel genehmigt hatte. Da kam ihr eine Idee.
“Ich schicke meinen Mann voraus. Dann haben es die Zöllner mit einem betrunkenen Kerl zu tun und achten nicht so sehr auf mich.”
Überlegt – getan. Tante Schöler schickte ihren Mann voraus. Die Zöllner fragten: “Nu, Mann’che, was zu verzollen?” Onkel Schöler war so benebelt, daß er die Frage nicht richtig verstand. Er torkelte und antwortete: “Neijn, neijn, hab’ ich all’ nich. Aber da hinten, da kommt meine Frau, die hat all”, weil er meinte, die Zöllner wollten die Leidimmas, die Grenzübertrittsscheine, sehen.
Die Grenzbeamten interpretierten die Antwort auf ihre Weise, und zu ihrer Verblüffung war Tante Schöler ratzfatz aus den Vorhängen ausgewickelt und sollte Zoll bezahlen. Tat sie aber nicht, sondern trug die Gardinen zurück ins Geschäft. Drei Tage später hat sie dann den bereits bezahlten Vorhangstoff ohne ihren Mann in Tilsit abgeholt.