Wischnewoje – Kapkeim
Kapkeim wurde 1388 als prußisches Dorf Cabekaym gegründet. Der Name leitet sich ab von einem Prussen namens Kabe, „Caymiß“ ist das prussische Wort für Dorf, so dass es sich also um das Dorf des Kabe handelte. Nachfolgend bekannte Besitzer waren Christoph von Wegner, dem Hochmeister Heinrich von Richtenberg 1473 in Kapkeim 13 Hufen und 20 Morgen Land verschrieb, unmittelbar gefolgt von Ambrosius, Sohn des Mathias von Windekaym gen. Perbandt, mit dem vielleicht ein Landtausch vorgenommen wurde. Kapkeim blieb mehrere Generationen im Besitz der Familie Perbandt, die im Samland hoch angesehen war und den Ordensoberen sowie dem nachfolgenden Herzog Albrecht treue Dienste in hohen Ämtern leistete.
Im 19. Jh. befand sich Kapkeim in Besitz von John Friedrich Heubach (1811 in Königsberg – 1895). Der Erbe Arnold Heubach (1857 – 1923) zeichnete sich durch eine erfolgreiche Landbewirtschaftung aus. Dessen erbender Sohn Horst Heubach geriet jedoch in den schwierigen 1920er Jahren in wirtschaftliche Turbulenzen und musste das Gut der Siedlungsgesellschaft überlassen, die das Land für Neusiedler aufteilte. Es hatte damals eine Größe von 950 ha.
Im schlossartigen neobarocken Gutshaus vom Anfang des 20. Jhs. verdiente der Musiksaal, besonders hervorgehoben zu werden. Er reichte über 2 Etagen und beherbergte neben zwei Flügeln und etlichen anderen Musikinstrumenten auch eine Orgel. In den 1930er Jahren erwarb der Fleischermeister Max Tietz das Schloss und baute es um. In den östlichen Teil zogen 40 Maiden des Reichsarbeitsdienstes ein, der andere Teil des Schlosses nahm 16 Mietparteien auf. Max Tietz bewohnte einen Teil des Turms. Das Schloss existierte in den 1990er Jahren noch.
Auf einem Teil der Siedlerstellen entstanden Gebäude für eine Weberei aus Groß Lindenau, Kreis Königsberg Land, der ein landwirtschaftlicher Betrieb angeschlossen war. Die Weberei war 1930 von Dr. Wilhelm Neufeldt gegründet worden. Man produzierte Bettwäsche und Handtücher, teils mit dem Schriftzeichen „Kriegsmarine“ eingewebt. Auch von der Weberei haben sich nach dem Krieg Gebäudeteile erhalten. Die Weberei selbst war nach dem Krieg bis in die 1960er Jahre in Lauenburg in Westdeutschland tätig.
Die alte Gutsschule wurde in einen Bauernhof umgewandelt und für die Unterrichtung der aufgrund der neu geschaffenen Bauernstellen erheblich angewachsene Zahl der Schüler wurde ein neues Schulgebäude errichtet, das heute noch – renoviert – existiert.[2]
Das Gut in Kapkeim wird heute – 2010 – von einem Gefängnis beansprucht, zu dem sogar eine orthodoxe Kirche gehört.
In Kapkeim wurde Oskar Negt 1. 8. 1934 – 2. 2. 2024) )als jüngstes von sieben Kindern in einer Familie von Kleinbauern geboren. Er war ein Repräsentant der Frankfurter Schule und gilt als einer der wichtigsten Sozialwissenschaftler Deutschlands. Nach der Flucht aus Ostpreußen machte er 1955 an der Oldenburger Hindenburg-Schule (dem heutigen Herbart-Gymnasium) das Abitur. Er studierte Philosophie und Soziologie bei Max Horkheimer und Theodor W. Adorno in Frankfurt am Main und promoviert 1962 bei Theodor W. Adorno mit einer Arbeit über Auguste Comte und Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Danach wurde er Assistent von Jürgen Habermas, der 1998 Gast der Jaspers Vorlesungen war. Er wurde einer der Wortführer der Studentenbewegung von 1968. Von 1970 bis 2002 war Negt Lehrstuhlinhaber für Soziologie der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit wandte sich Negt auch immer wieder tagespolitischen Themen zu. Als Intellektueller hat er die Geschichte der Bundesrepublik kritisch begleitet. Der jahrzehntelangen literarisch-wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Filmemacher und Schriftsteller Alexander Kluge entstammen mehrere herausragende Buchprojekte, die 2001 unter dem Titel „Der unterschätzte Mensch“ neu aufgelegt worden sind. In dem Buch „Überlebensglück“ (2016) nimmt Negt seine autobiographische Geschichte auch zum Anlass für eine Analyse der aktuellen Flüchtlingssituation. Negt erhielt mehrere Ehrendoktorwürden sowie den Niedersachsenpreis für Publizistik (1996), das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse (2006) und zusammen mit Kluge den Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch (2008).[1] 2011 wurde Oskar Negt mit dem “August-Bebel-Preis” für sein Lebenswerk gewürdigt.