Freilichtmuseum Skansen bei Olsztynek – Hohenstein
20.01.2022
Geschichte des Freilichtmuseums in Hohenstein/Olsztynek[1]
Die ersten Freilichtmuseen wurden in Skandinavien errichtet. Das erste „Skansen-Museum“ wurde 1891 auf der Insel Djurgärden bei Stockholm errichtet. Weitere bedeutende Museen wurden 1894 in Bygdö bei Oslo und Lund, 1901 in Lyngby bei Kopenhagen und 1904 in Lillehammmer eröffnet. In Deutschland beschäftigte man sich erst im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts mit Bauernhäusern und dem Freilichtmuseumsgedanken. Der Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine gab 1906 die Dokumentation „Das Bauernhaus im Deutschen Reiche und seine Randgebiete“ heraus. In einigen Museen wurden repräsentative Bauernstuben gezeigt. In Ostpreußen erschienen Aufsätze über das Bauernhaus, so unter anderem 1874 „Das alte ermländische Wohnhaus“ von F. Dittrich, „Über das litauische Haus“ von A. Bezzenberger (1886) oder „Das samländische Bauerndorf, insbesondere das Bauernhaus und das Leben darin“ von C.L. Fischer (1899).
Der Provinzialkonservator Adolf Boetticher zeigte in seiner Reihe „Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Ostpreußen“ (1891 – 1899)[2] u.a. Aufmessungen ostpreußischer Bauern-häuser. Nach seinem Tod übernahm der Regierungsbaumeister Richard Dethlefsen die Tätigkeit als Dombaumeister in Königsberg, ein Jahr später wurde er Provinzialkonservator. Während der Restaurierung des Königsberger Doms (1901-1907) beschäftigte sich Dethlefsen mit dem ostpreußischen Bauernhaus. 1911 erschien sein Buch „Bauernhäuser und Holzkirchen in Ostpreußen“.
Auf Dethlefsens Anregung traf sich am 24. Oktober 1909 ein Kreis interessierter Persönlichkeiten, um den Gedanken eines Freilichtmuseums zu besprechen und umzusetzen. Man entschied sich für die Freigrabenschlucht am Rand des Königsberger Tiergartens und ein weiteres ungenutztes Gebiet des Tiergartens zur Errichtung eines Freilichtmuseums.
Dethlefsen entwarf den Gesamtplan des Museums und leitete den Aufbau der Objekte. Unterstützt wurde er dabei unter anderem von Prof. Adalbert Bezzenberger[3], dem Königsberger Oberbürgermeister Dr. Körte und Dr. Krollmann.[4]
1913 wurde das Königsberger Freilichtmuseum mit Nachbauten von Bauernhäusern eröffnet, während die großen skandinavischen Freilichtmuseen Originalbauten versetzten. Dies lag laut Dethlefsen daran, dass es mit geringen Ausnahmen aussichtslos war, in Betracht kommende Originalgebäude zu bekommen.[5] 1916 gab Dethlefsen ein Buch heraus mit dem Titel „Das schöne Ostpreußen“, in welchem er auch die Formen der Bauernhäuser erwähnt.
In den 1930er Jahren wurde das Freilichtmuseum von „Ostpreußisches Heimatmuseum“ in „Freiluftmuseum der Provinz Ostpreußen“ umbenannt. Es unterstand während der ganzen Zeit seines Bestehens dem Provinzialverband Ostpreußen und wurde von Prof. Dr. h.c. Dethlefsen geleitet, der bei besonderen Anlässen persönlich durch das Museum führte.
Bis zur Eröffnung eines Freilichtmuseums in Cloppenburg 1936 war das „Ostpreußische Heimatmuseum“ in Königsberg das einzige in Deutschland gewesen. Die seit Mitte der 1930er Jahre angedachten Erweiterungspläne konnten in dem eingeengten Gelände nicht umgesetzt werden. Geeignete Grundstücke außer am Fürstenteich, welches die Stadt jedoch für einen anderen Verwendungszweck zur Verfügung stellte, ließen sich in Königsberg nicht finden.
In dieser Zeit war das Tannenberg-Nationaldenkmal bei Hohenstein mit seinen Schlachtfeldern neben einem Besuch der masurischen Seen zu einem Mittelpunkt des ost-preußischen Fremdenverkehrs geworden.
Die Provinzialverwaltung, welche das „Ostpreußische Heimatmuseum“ mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen wollte, erhielt von der Stadt Hohenstein ein Angebot, für die Aufstellung des Freilichtmuseums ein etwa 30 ha großes Gelände am Stadtrand zwischen der Chaussee nach Allenstein und der nach Wilken zu sehr günstigen Bedingungen zu erhalten. Ein Teil dieses Gelände wurde im Volksmund „Die Hexenberge“ genannt, die höchste Erhebung war die „Schwedenschanze“.[6]
Die Provinzialverwaltung entschloss sich für diesen Standort, obwohl die von der Stadt Hohenstein zur Verfügung gestellte Fläche sehr groß und mit den damals in Königsberg aufgestellten Baulichkeiten und Anlagen nicht zu füllen war. Die Berliner Geldgeber wünschten eine Aufstellung kennzeichnender Bauten aus Westpreußen. Die Museumsleitung plante neben dem lange vorgesehenen masurischen Haus und verschiedenen Mühlen die Errichtung weiterer ostpreußischer Objekte sowie einen Dorfkrug zur Bewirtung der Besucher. Schwerpunkt der Anlage sollte der auf einer Anhöhe gelegene Dorfanger mit der Kirche, den oberländischen Bauten, der Schmiede und einer Dorfschule[7] bilden.
Das Hohensteiner Gelände schien auch für die Anlage eines Freilichtmuseums besonders geeignet, weil es mit seinen Hügelkuppen und Geländeeinschnitten die Voraussetzungen für eine reizvolle Landschaftsgestaltung bot und die Häuser mit genügend Abstand aufgestellt werden konnten. Am Fuß der „Schwedenschanze“, wo nach alten Flurkarten schon einmal ein Teich existierte, sollte ein neuer ausgehoben und aufgestaut und eine Wassermühle errichtet werden.
Nach der Finanzierung des ersten Bauabschnitts und Abschluss der Verhandlungen über den Ankauf des Geländes wurde im Frühjahr 1937 die Öffentlichkeit über die Verlegung des Freilichtmuseums von Königsberg nach Hohenstein informiert. Die Bauarbeiten unter der Oberaufsicht des Landesbaurat Ploke wurden nach dem Lageplan von Provinzialbaurat Dr.-Ing. Wünsch durchgeführt. Der 1936 pensionierte Prof. Dethlefsen nahm die Belange des Museums war. Der Königsberger Stadtgartendirektor Ernst Schneider plante die Entwürfe für die Landschaftsgestaltung und leitete die umfangreiche Anpflanzung. Für die neu angelegten Wege war die Königsberger Firma Victor Kaiser zuständig. Die Hohensteiner Firma Kendelbacher bohrte auf dem zukünftigen Dorfanger einen Brunnen.
1938 und 1939 wurden durch die Königsberger Baufirma Ernst Wispereit die Häuser in Königsberg abgebrochen, nach Hohenstein transportiert und zum Teil wieder am neuen Standort aufgestellt. Die spätere Betreuung der bereits fertiggestellten Häuser übernahm ebenfalls die Firma Wispereit. Bei Kriegsbeginn standen nur die Holzkirche und die Paltrockmühle aus Schönfließ. Ab 1940 wurden sehr geschickte französische Kriegsgefangene für die Aufstellung und Einrichtung weiterer Gebäude eingesetzt. Neuaufstellungen wurden offenbar im Haushaltsjahr 1942/43 beendet. Während des Krieges war das Museum für Besucher nicht mehr geöffnet. Planierungen und Bepflanzungen wurden nicht mehr durchgeführt. Das Freilichtmuseum überstand den Krieg fast ohne größere Schäden.
Helena Koreyo übernahm vom Winter 1944/45 bis 1948 die örtliche Aufsicht über die Objekte, danach bis zum 31.12.1961 Jan Zabrzycki. Dr. Franciszek Klonowski, Abteilungsleiter am Muzeum Mazurskie in Olsztyn (Allenstein), betreute seit 1953 betreute das Museum wissenschaftlich zusammen mit seinem Mitarbeiter Józef Wieczerzak. Am 1. Januar 1962 kam das Freilichtmuseum offiziell unter die Verwaltung des Muzeum Mazurskie. Sein erster Leiter wurde Józef Wieczerzak. Als das Muzeum am 1. Januar 1969 selbständig wurde, war Józef Wieczerzak bis zu 31. Dezember 1972 als Direktor tätig.
Danach wechselte mehrfach die Leitung. Vom 1. Januar 1973 bis zum 31. Mai 1973 leitete das Muzeum Wacaw Radziwinowicz, Kustos an der Naturwissenschaftlichen Abteilung des Muzeum Mazurskie, kommissarisch.
Sein Nachfolger wurde Marceli Jurdeczka, der am 8. Oktober 1973 verstarb.[8]
Vom 1. Januar 1974 bis 31. Mai 1974 wurde das Museum wieder kommissarisch geleitet von Witold Lempka, der am Amt für Denkmalpflege in Olsztyn tätig war. Seit dem 1. Juni 1974 war der Kunsthistoriker Mag. Viktor Glodzik Direktor des Museum. Die offizielle Bezeichnung des Freilichtmuseums ist „Muzeum Budownictwa Ludowego Park Etnograficzny w Olsztynku“.
Von den Objekten, die einst im Königsberger Freilichtmuseum standen, findet man in Olsztynek heute[9] folgende wieder:
1. Holzkirche aus Reichenau, Kr. Osterode
2. Oberländisches Vorlaubenhaus aus Bordehnen, Kr. Pr. Holland
3. Oberländisches Loggienhaus aus Bertung, Kr. Allenstein
4. Memelländisches Bauerngehöft aus Pempen, Kr. Memel
5. Schmiede mit Giebelvorhalle aus Behlenhof bei Schlobitten, Kr. Pr. Holland
6. Paltrockmühle aus Schönfließ, Landkreis Königsberg
7. Vorgeschichtliches Hügelgrab
8. Bienenbeuten
9.Vierrutenberg, ursprünglich in Königsberg zum Bauerngehöft aus Pempen gehörig. Steht jetzt neben dem Giebellaubenhaus aus Gansen, Kr. Sensburg.
10. Tranküche, ursprünglich in Königsberg zum Fischergehöft aus Gilge gehörig. Steht jetzt neben dem Bauerngehöft aus Pempen und wird als „Fischerstall“ bezeichnet.
Folgende Objekte, die in Königsberg noch standen, sind nicht mehr vorhanden:
1. Die oberländische Stalllaube aus Sonnenborn, Kr. Mohrungen
2. Das Fischerhaus aus Gilge, Kr. Labiau
3. Der Stall des Fischergehöfts aus Gilge
4. Das Dörrhaus bzw. Bahaus des Bauerngehöfts aus Pempen, Kr. Memel5. Der Erdkeller des Bauerngehöftes aus Pempen
6. Das Backhaus aus Dommelkeim, Kr. Fischhausen
7. Das sogenannte masurische Haus, das in Königsberg als Torhaus am Nebeneingang des Tiergartens stand.
In den Jahren 1959-1960 wurde eine Wassermühle aus Kaborno pow. Olsztyn/ Kalborn Kr. Allenstein vom Wojewodschaftsdenkmalpfleger angekauft und im Museum aufgebaut.
Ende der 60er Jahre wird das Museum um einige Bauten erweitert, die aus den Orten überführt werden, z.B.
1967 Vorlaubenhaus aus Zielonka Pascka pow. Pask/Grünhagen Kr. Pr. Holland
1968 Mühle aus Dobrocin pow. Morg/Alt Bestendorf, Kreis Mohrungen
1971 Wirtschaftsgebäude mit originaler Ölpresse aus Zielonka Pascka pow. Pask/Grünhagen Kr. Pr. Holland
1971 Ecklaubenhaus aus Nowe Kawkowo pow. Plsztyn/Neu Kockendorf Kr. Allenstein
1972 Scheune aus Stkiny pow. Olsztyn/Stenkienen Kr. Allenstein
1974 Scheune aus Kwietniewo pow. Pask/ Königsblumenau Kr. Pr. Holland
1974 Bockwindmühle aus Wodziany pow. Morg, Wodigehnen Kr. Mohrungen.
Das Museum findet in der polnischen Bevölkerung starke Resonanz. Der ethnografische Park zählt heute zu den größten Sehenswürdigkeiten der Woiwodschaft. Er gilt als ältestes Freilichtmuseum von ganz Polen. Das Museum ist von Mitte April bis Ende Oktober geöffnet. Aus Anlass des Jubiläums finden dort verschiedene Veranstaltungen statt. Über die 100-jährige Geschichte des Museums informiert eine Sonderausstellung.[10]
Jürgen Ehmann
6564 Ottweiler
[1] Bis 1976. Quelle des Artikels: Erhard Riemann „“Das Freilichtmuseum in Hohenstein/Olszytnek“, erschienen im Jahrbuch für Ostdeutsche Volkskunde, 1975, Band18.
[2] Band 3 „Das Oberland“, herausgegeben 1898
[3] Von 1891 bis 1916 Direktor des Prussia-Museums in Königsberg. Er leitete den Aufbau der vorgeschichtlichen Anlagen.
[4] Krollmann war zuerst Archivar beim Fürsten Dohna-Schlobitten, später Direktor des Stadtarchivs und der Stadtbibliothek in Königsberg. Er sammelte Museumsgut im Bereich des Oberlandes.
[5] Richard Dethlefsen „Führer durch das Ostpreußische Heimatmuseum“
[6] Max Toeppen vermutete auf diesem Gelände frühere Siedlungen und Befestigungsanlagen der prussischen Vorbevölkerung.
[7] Musterzeichnung aus dem 18. Jahrhundert befand sich im Königsberger Staatsarchiv
[8] http://leksykonkultury.ceik.eu/index.php/Marceli_Jurdeczka#cite_note-1
[9] Stand 1975
[10] https://ermland-masuren-journal.de/freilichtmuseum-in-olsztynek-feiert-den-100-geburtstag/