Agnes Miegel

Agnes Miegel

09.03.2021

Agnes Miegel (9. 3. 1879 – 26. 10. 1964), Dichterin, von vielen als „Mutter Ostpreußen“ oder die „ostpreußische Nachtigall“ verehrt. Geboren in Königsberg auf dem Kneiphof, gestorben in Bad Salzuflen. Ihre Eltern waren der Kaufmann Gustav Adolf Miegel (1838 – 1917) und seine Ehefrau Helene (1858 – 1913), deren Vorfahren 1732 als protestantische Glaubensflüchtlinge aus Salzburg eingewandert waren, was seinen Niederschlag in ihrer Erzählung „Truso“ gefunden hat. Sie besuchte die Höhere Mädchenschule in Königsberg; lebte von 1894 – 1896 in einem Weimarer Pensionat, wo sie zur Kinderschwester ausgebildet wurde und erste Gedichte schrieb. In einem Berliner Kinderkrankenhaus wurde sie 1900 zur Kinderkrankenschwester weitergebildet und arbeitete 1902 – 1904 als Erzieherin in einem Mädcheninternat im englischen Bristol. Den Besuch des Lehrerseminars in Berlin 1905 musste sie aus gesundheitlichen Gründen abbrechen und ging 1906 nach München, wo sie die „Maidenschule zur landwirtschaftlichen Ausbildung“ besuchte. Von dort kehrte sie 1906 nach Königsberg zurück, um ihren krankenEltern zur Seite zu stehen. 1901debütierte sie mit einem Gedichtband, 1907 folgte ihr zweites Buch, “Balladen und Lieder”. Bis 1917, als ihr Vater starb, widmete sie sich dann ausschließlch der Pflege ihrer kranken Eltern und veröffentlichte in dieser Zeit kein einziges Buch. Dann wurde sie Journalistin und ab 1927 freie Schriftstellerin. Der Schriftsteller Carl Bulcke war ihr Jugendfreund.

Wesentlich durch Börries Freiherr von Münchhausen (1866 – 1945), einem Nachfahr des Lübenbarons, Gutsbesitzer, nationalkonservativer Schriftsteller und einer der ehrgeizigsten Literaturpolitiker der ersten Hälfte des 20. Jhs., Herausgeber des „Göttinger Musenalmanachs“, den sie schon auf der Universität kennengelernt hatte, geriet Agnes Miegel von Anfang an auf die rechte Seite der literarischen Parteienlandschaft. Münchhausen, der in Göttingen Jura studierte und sich besonders für die Literaturform der Ballade engagierte, vertrat ein höchst konservatives Weltbild und scharte einen Kreis gleichgesinnter Landsleute um sich, die er in den 1930er Jahren regelmäßig zu Dichterkreisen auf der Wartburg versammelte. Beim Einmarsch der Amerikaner nahm er sich das Leben.[2] Nachdem die jüdischen und liberalen Mitglieder der Preußichen Akademie der Künste entlassen und dafür konservative Schriftsteller und der neuen Führung des Nationalsozialisten und oberster Schriftstellerfunktionär des NS-Staates aufgenommen wurden, unterschrieben Münchhausen und Miegel eine Ergebenheitsadresse an Hitler und Agnes Miegel rückte in den Senat der Akademie auf. Parallel dazu brach sie offenbar abrupt die Beziehungen zu ihren jüdischen Freunden ab. 1940 trat sie in die Partei ein. 1945 flüchtete sie aus Königsberg, u. a. auf dem kleinen Flüchtlingsschiff Jupitter, und ließ sich nach einem jahrelangen Aufenthalt in Dänemark 1948 in Bad Nenndorf nieder.

Sie zählt zu den bekanntesten deutschen Balladendichterinnen und sie beherrschte die Ballade wie kein anderer Dichter. Nach der Vertreibung wurde sie als „Mutter Ostpreußens“ verehrt. Ehrungen: 1911 Literaturpreis des Schillerbundes, 1916 zusammen mit Heinrich Lersch der Kleistpreis, 1924 anlässlich der Feiern zum 200. Geburtstag von Immanuel Kant Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Königsberg, 1929 Ehrensold der Stadt Königsberg und freies Wohnrecht auf Lebenszeit, 1933 Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, 1936 Herderpreis der Goethe-Stifung, 1939 Ehrenbürgerin von Königsberg – einziger weiblicher Ehrenbürger Königsbergs in der 700jährigen Geschichte, 1940 Goethe-Preis der Stadt Frankfurt/M., 1952 Westfälischer Kulturpreis, 1954 Ehrenbürgerin von Bad Nenndorf. 1957 Ehrenplakette des Ostdeutschen Kulturrats, 1959 Literaturpreis der Bayrischen Akademie der Schönen Künste, 1962 Westpreußischer Kulturpreis.

Wir wissen, dass Agnes Miegel sich für Hitler begeisterte und schließlich sogar der NSDAP beitrat. Wir wissen aber auch, dass ihre Huldigungsgedichte an Hitler rein emotionaler Natur waren und nichts von seiner Ideologie verherrlichten. Es finden sich keine Zeichen für Antisemitismus, Hassparolen, Kriegspropaganda, Terror und Gewalt darin. Bekannt ist Agnes Miegels tiefe Religiosität, die auch während der NS-Zeit ihre Lebenshaltung bestimmte. Wir wissen ebenso, dass Agnes Miegel ihr ganzes Leben lang Toleranz und Menschlichkeit propagierte und sich zu einer umfassenden Humanitas bekannte, so wie sie es in ihrem Spruch für den Ostdeutschland-Gedenkturm in Schloss Burg an der Wupper schrieb: „nichts als den Hass zu hassen“. Dieses Bekenntnis ist umfassender und beeindruckender als ein Bekenntnis zu irgendeiner Ideologie oder Staatsform. Auch der russische Dichter Sem Simkin,der viele Gedichte von Agnes Miegel in russischer Sprache nachgedichtet hat, äußerte gegenüber der Presse, er hätte nichts Faschistisches in ihren Texten gefunden. Bekannt ist außerdem, dass das Entnazifizierungsurteil „unbelastet“ lautete.

Bedeutende intellektuelle Vertreter der Erlebnisgeneration haben das dichterische Werk der Miegel höher eingeschätzt als ihren politischen Irrweg. Willy Brandt ehrte sie mit seinem Besuch in ihrem Heim in Bad Nenndorf und Willy Brandt, Fritz Erler und Herbert Wehner beklagten ihren Tod in einem gemeinsamen Nachruf: „In Frau Agnes Miegel verliert die Geisteswelt eine Dichterin, deren Schaffen, von der tiefen Liebe zur Heimat geprägt, in die deutsche Literaturgeschichte eingehen wird.“ Solche Worte wiegen mehr als linker Hass.