Erinnerung an Johanna Ambrosius
03.08.2020
Johanna Ambrosius (3. 8. 1854 – 27. 2. 1939) wurde in Lengwethen (Kreis Tilsit-Ragnit) als zweites von 14 Kindern eines kleinen Handwerkers geboren. Sie wuchs in vermutlich gar nicht so ärmlichen Verhältnissen auf, denn die Eltern konnten sich z. B. ein Dienstmädchen leisten, aber ihre Ausbildungsmöglichkeiten waren vermutlich begrenzt. Sie besuchte die Dorfschule bis zum 11. Lebensjahr. Daneben bildete sie sich durch die Familienzeitschrift „Gartenlaube“, die auch ihre Vorstellung von Literatur, ihre Weltanschauung und ihren Stil prägte. Anschließend bis zum 14. Lebensjahr ging sie auf die Schule in Titschken. Mit 20 Jahren am 17. Mai 1875 heiratete sie in Klingsporn den zwei Jahre älteren Bauernsohn Friedrich Wilhelm Voigt. Bis 1883 bewirtschaftete das Ehepaar ein kleine Landstelle in Dirwonuppen im Kreis Tilsit/Ragnit und siedelte am 2. Juli 1883 nach Belkino – Groß Wersmeningken/Langenfelde bei Lasdehnen/Haselberg über. Einige Gedichte, die sie neben ihrer harten Arbeit als Bäuerin schrieb, schickte ihre Schwester heimlich bei Zeitschriften ein, und diese wurden sogar abgedruckt. So begann ihr Erfolg als Volksdichterin. 1884 schrieb sie das erste Ostpreußenlied „Mein Heimatland“, das aber heute weitgehend vergessen ist. Eine 1890 nur mühsam überstandene schwere Grippe schwächte sie gesundheitlich so stark, dass sie nie mehr schwere landwirtschaftliche Arbeiten verrichten konnte.
1894 begann ihr bemerkenswerter Aufstieg. Der Literaturprofessor Karl Weiß-Schrattenthal aus Pressburg (heute Bratislava), der sich vorgenommen hatte, Frauen aus dem Volke mit lyrischer Begabung ausfindig zu machen, entdeckte Johanna Voigt, geb. Ambrosius. Er veröffentlichte eine Auswahl ihrer Gedichte zunächst im Eigenverlag und bat viele Leute um Subskriptionen. Seine Werbung, die mit einer Schilderung der beklagenswerten Lebensumstände der Dichterin verbunden war, erhielt große Resonanz. Binnen weniger Tage war die erste Auflage verkauft. Es folgte die Veröffentlichung der Gedichtsammlung durch den Verlag G. Heckenast Nachfolger in Pressburg, deren 4. Auflage schon 1895 erschien. In diesem Jahr zog der Verlag nach Königsberg um und die Gedichte von Johanna Ambrosius erschienen nun bei Thoma und Oppermann (Ferd. Beyers Buchhandlung), gedruckt in der Hartungschen Buchdruckerei. In rascher Folge erschienen jetzt 45 Auflagen dieses Gedichtbands, insgesamt 50.000 Exemplare und 1896 erfolgte eine erste Übersetzung ins Englische durch Mary J. Safford, erschienen in Boston/USA. In England erschien das Buch 1910 in der Übertragung durch Ellen Kullmann. 1897 folgte ein zweiter Gedichtband, der mit 10 Auflagen nicht ganz so erfolgreich war. Viele ihrer Gedichte wurden vertont. Mindestens 150 Kompositionen sind belegt. Der nun einsetzende literarische Erfolg verbesserte die wirtschaftliche Situation. 1896 wurde das alte Haus in Groß Wersmeningken durch einen Neubau ersetzt.
Ihr Werk wurde nun jedoch Gegenstand kontroverser öffentlicher Diskussionen, ihr Ruhm verblasste und die Auflagen sanken. Als der 1. Weltkrieg ausbrach, sprach kaum noch jemand von ihr. Nach dem Tod ihres Mannes am 2. Juli 1900 im Alter von nur 48 Jahren und dem Tod ihrer Tochter Marie im Kindbett 1908 im Alter von 32 Jahren verkaufte die Dichterin ihr Haus und zog nach Königsberg, wo ihr Sohn als Lehrer tätig war. Hier starb sie im 85. Lebensjahr noch vor Ausbruch des Krieges. Ihr Grabstein auf dem ehem. Luisenfriedhof II wurde im September 2005 / Anfang Januar 2006 zufällig mitten unter russischen Grabmalen gefunden. Die Stadt Krasnonamensk – Haselberg stellte den Grabstein im Frühjahr 2006 vor der Kirche wieder auf, weil man dort ihrem Geburtsort nahe ist. Eine Schule in Kaliningrad trägt bis heute ihren Namen (ehemals Schule für Mädchen in der Luisenallee 3).[1]
[1] Marianne Kopp, Johanna Ambrosius – eine ostpreußische Heimatdichterin?, Masurische Storchenpost, Nov. 2008, S. 29 f