Das Denkmal von Agnes Miegel wird aus dem Kurpark von Bad Nenndorf verbannt

Das Denkmal von Agnes Miegel wird aus dem Kurpark von Bad Nenndorf verbannt

01.02.2015

»Das hat sie nicht verdient«
Der Streit um das Bad Nenndorfer Denkmal von Agnes Miegel, der »Mutter
Ostpreußens«, hat ein trauriges Ende gefunden.

Das amtliche Schreiben aus Bad Nenndorf habe sie sehr deprimiert, erzählt
Dr. Marianne Kopp. Sie wolle als Vorsitzende der Agnes-Miegel-Gesellschaft
doch die Schönheit des Werks der Dichterin bekannt machen und nicht zusehen
müssen, wie ihr Andenken verleumdet werde. Der Brief von der Stadtverwaltung
war in einem schroffen Beamtendeutsch gehalten. Man möge doch bitteschön das
Denkmal bis zum 13. Februar 2015 aus dem Kurpark entfernen.

Nachdem der Bürgerentscheid am 11. Januar dieses Jahres für den Erhalt der
etwa einen Meter großen Bronze-Statue im Kurpark gescheitert war, hatten es
die Verantwortlichen im niedersächsischen Bad Nenndorf anscheinend sehr
eilig, das in Ungnade gefallene Objekt loszuwerden.

Ihr Schreiben ist der vorläufige Schlusspunkt eines Vorgangs, der nicht nur
die Anhänger von Agnes Miegel entsetzt. Profilierungssucht, Ignoranz und
Scheinheiligkeit zerstören das Ansehen einer Dichterin, die es wie keine
andere vermocht hat, ostpreußische Themen über den Bereich der
Heimatliteratur hinaus in den Raum der großen deutschen Literatur zu
stellen.

Aber von Anfang an: Nach der Flucht aus Königsberg im Februar 1945 mit einem
der letzten Flüchtlingsschiffe findet Agnes Miegel einige Jahre später in
Bad Nenndorf ihre Altersheimat (siehe auch PAZ-Ausgabe 43 von 2014, Seite
10). Eineinhalb Jahrzehnte lang ist sie hier als Künstlerin tätig und
schafft unter anderem Altersgedichte, die zu den schönsten der deutschen
Literatur gehören. Kritikerpapst Marcel Reich-Ranicki wird sie unter anderem
dafür Jahre später in seinen Kanon der deutschen Literatur aufnehmen.

Aber auch zu Lebzeiten ist die „Mutter Ostpreußens“ eine hochverehrte
Künstlerin. In ihrem Haus in Bad Nenndorf empfängt sie prominente Besucher
und Verehrer, darunter im Juni 1961 auch Willy Brandt, damals
Kanzlerkandidat der SPD und Regierender Bürgermeister von Berlin.

Als Agnes Miegel am 26. Oktober 1964 im Alter von 85 Jahren stirbt, wird sie
als Ehrenbürgerin der Gemeinde Bad Nenndorf auf dem dortigen Bergfriedhof
bestattet. 1969 gründet sich dann die Agnes-Miegel-Gesellschaft. Von der
Gemeinde kaufen ihre Mitglieder 1971 das Bad Nenndorfer Haus, in dem die
Dichterin zur Miete gewohnt hatte. Sie setzen es instand und machen es
wenige Jahre später der Öffentlichkeit als Gedenkstätte zugänglich. 1994,
zum 30. Todestag von Agnes Miegel, wird dann die Bronze-Statue, gefertigt
vom Essener Bildhauer Ernst Hackländer, im Kurpark eingeweiht. Der
Unternehmer Willibald Völsing stiftete die Skulptur der
Agnes-Miegel-Gesellschaft. Ausdrücklich auf Wunsch des damaligen
Kurdirektors Hans-Joachim Schick wird sie nicht am Haus der Dichterin
platziert. Stattdessen soll sie den Kurpark verschönern. „Was kann es
Schöneres geben, als Agnes Miegel … für ihr dichterisches Wirken in Bad
Nenndorf besondere Anerkennung entgegenzubringen“, erklärt noch im Jahre
2004 Hartmut Manthey, ebenfalls ein ehemaliger Kurdirektor des Ortes.

2013 folgt dann die abrupte Kehrtwende: Ein Ratsbeschluss legt fest, dass
die Skulptur entfernt werden muss. Agnes Miegel wird ihre Nähe zum
Nationalsozialismus vorgeworfen. Unter anderem habe sie ein verherrlichendes
Gedicht auf Adolf Hitler geschrieben. Nach 1945 habe sie sich niemals vom
Nationalsozialismus distanziert.

Kompletter Unfug, sagen Miegel-Experten. „Agnes Miegel war nie ein politisch
denkender Mensch und durchschaute nicht, wie das NS-Regime sie für seine
Ziele und Zwecke instrumentalisiert“, erklärt zum Beispiel Marianne Kopp.
„So erlag sie, wie unzählige andere, dem Banne Hitlers und seiner Propaganda
und trat der NSDAP bei – zumal Hitler sich in dem seit dem Versailler
Vertrag vom übrigen Reich abgetrennten Ostpreußen als ein Retter
darstellte.“

Erst nach dem Ende der Hitler-Ära hörte Agnes Miegel von dem Unrecht, den
Gewalttaten, den Konzentrationslagern und litt schwer darunter. Im Gegensatz
zu anderen gab sie aber zu, an Hitler geglaubt zu haben. Mit Gott allein
wollte die gläubige, tiefreligiöse Christin dies ausmachen. Ihr
Entnazifizierungsurteil im Jahre 1949 lautete ausdrücklich „entlastet“.
Wörtlich heißt es dort: „Sowohl Motive wie Handlungen haben niemals NS-Geist
verraten.“

Auch viele Bad Nenndorfer Bürger wollen nichts auf „ihre“ Agnes Miegel
kommen lassen. Eine derartige Behandlung habe sie einfach nicht verdient,
lautet ihre Meinung. So wird nach dem Ratsbeschluss von 2013 ein
Bürgerentscheid für den 11. Januar 2015 angesetzt. Es gehört zur Tragik der
Geschichte, dass er knapp scheitert. 77 Prozent der Wähler stimmten für den
Verbleib des Denkmals, 23 Prozent dagegen. Allerdings hätten mindestens 25
Prozent der 9000 Stimmberechtigten an der Wahl teilnehmen müssen. Es sind
knapp 21 Prozent.

Eiligst verfassen die Bad Nenndorfer Verantwortlichen ihr
„Rauswurf-Schreiben“. Marianne Kopp erklärt, dass die Skulptur nun einen
Platz im Garten des Agnes-Miegel-Hauses finden soll. Wer sie dort besucht,
wird dann sicherlich auch die Inschrift zu Füßen der Plastik lesen. Es ist
eine Miegel-Zeile von 1950 und das genaue Gegenteil jedweden
nationalsozialistischen Gedankengutes. „Nichts als den Hass zu hassen“ steht
dort.
Frank Horns