Siegfried Mathus ist gestorben

Siegfried Mathus ist gestorben

05.09.2021

Siegfried Matthus (13. 4. 1934 – 27. 8. 2021) wurde in Mallenuppen, Kreis Angerapp, als Bauernsohn geboren. Schon der Vater Franz Matthus, der in der Gastwirtschaft des Großvaters für Tanzmusik sorgte, erteilte den ersten Unterricht auf verschiedenen Instrumenten, so auf Geige, Trompete und Klavier. Mutter Luise war ebenfalls sehr musikalisch und liebte es, zu singen Da der Großvater früh starb, musste Vater Franz den elterlichen Hof übernehmen und konnte dadurch seinen Traum einer Musikerkarriere nicht verwirklichen. Im Oktober 1944 floh die Familie aus Mallenuppen nach Neumark bei Elbing. Im Januar 1945 ging es weiter nach Danzig, wo die sterbende Großmutter im Krankenhaus zurückgelassen werden musste[1]. Die im sechsten Monat schwangere Mutter flüchtete mit einem der vier Kinder alleine weiter. Siegfried wurde mit weiteren zwei Geschwistern einem Treck zugeteilt, den er jedoch bald aus den Augen verlor. In Läsikow bei Wusterhausen, Land Brandenburg, fand sich die Familie wieder zusammen. Die jüngste Schwester und die Großmutter waren inzwischen gestorben. 1948 ging Siegfried Matthus nach Rheinsberg auf die Rau-Oberschule. In der Aula der Schule stand ein Flügel, den Siegfried Matthus benutzen durfte, und das tat er ausgiebig. Außerdem tat er sich als Leiter des Schulchors hervor. In diesem Umfeld festigte sich seine Hinwendung zur Musik.

In den Jahren 1952 bis 1958 studierte Matthus an der Musikhochschule Berlin Chor- und Ensembleleitung sowie seit 1956 Komposition. Von 1958 bis 1960 war er Meisterschüler von Hanns Eisler und danach freischaffender Komponist. 1964 engagierte ihn Walter Felsenstein für die Komische Oper, wo er fortan als Dramaturg und Komponist tätig war. 1972 übernahm er eine Meisterklasse an der Akademie der Künste der DDR. Matthus gilt als Pionier der Modernen Klassischen Musik in der DDR. Bereits 1967 begründete er mit der Uraufführung seiner Oper “Der letzte Schuß” seine Stellung im Musikleben des Landes. In den Folgejahren machte er sich vor allem mit psychologisch vielschichtigen Opernstoffen wie Friedrich Hebbels Drama “Judith”, das 1985 zur Wiedereröffnung der Dresdner Semper-Oper uraufgeführt wurde, auch international einen Namen. Sein Orchesterwerk „Responso“ wurde von der Staatskapelle Dresden uraufgeführt und kam mit auf die Amerika-Tournee des Orchesters. 1979 wurde es im Beisein des Komponiste vor der UNO in New York aufgeführt. Bis heute steht es wie das „Manhattan Concerto“, „Die Windsbraut“, das Paukenkonzert „Der Wald“ und viele weitere Kompositionen auf den Spielplänen der Orchester weltweit. 1983 vertonte er „Die Weise von Liebe und Tod des Cornetts Christoph Rilke“.

In der Zeit der politischen Wende nutzt der Komponist seine internationale Bekanntheit und die neuen Möglichhkeiten, um in Rheinsberg seine Vesion von der Wiedererweckung des einstigen Musenhofes Wirklichkeit werden zu lassen. 1991 wurde er Künstlerischer Leiter des von ihm ins Leben gerufenen Projekts “Kammeroper Schloss Rheinsberg”, das Opernwerkstatt und Aufführungen in der Schlossanlage Rheinsberg mit jungen Künstlern umfasst. Das Festival hat heute Weltruf und bringt jährlich 20 000 Opernfreunde in die Stadt. 1997 erhielt Matthus den Kulturpreis für Musik der Landsmannschaft Ostpreußen. Er schuf über 600 Werke, darunter 14 Opern, mehr als 60 goße Orchesterwerke, zahlreiche Kammermusiken, Ballettszenen und Filmmusiken.[2] Siegfried Matthus wohnte bis zuletzt in Stolzenhagen bei Wandlitz in der Mark Brandenburg. Er gehört seit den 70er Jahren zu den gefragtesten deutschen Komponisten. Seine Werke sind in den größten Opernhäusern der Welt willkommen.[3] Auch in Danzig hätte er gerne die Aufführung einer seiner Opern gesehen, um an seine dort verstorbene Großmutter zu erinnern, aber niemand ging auf diese Bitte ein.

Seine von Tod und Vertreibung geprägte Kindheit in Ostpreußen und die spätere in Brandenburg hat er in den Musikalischen Erinnerungen unter dem Titel „Lamento“ verarbeitet, ein Orchesterwerk in sechs Sätzen, das im Mai 2007 in der Münchner Philharmonie uraufgeführt wurde und seiner Mutter Luise Matthus, geb. Perrey, und seiner Großmutter Anna Maria Matthus, geb. Felter, gewidmet war.

Die kleine Dorfkirche in Läsikow, Land Brandenburg, hat sich in den letzten Jahren bereits stetig herausgeputzt. Die Orgel wrde saniert. Siegfried Matthus kam nach Krieg und Flucht aus Ostpreußen als Kind mit Eltern und Tante in das Rundlingsdorf. Seine ersten Begegnungen mit instrumentaler Musik haben mit Läsikow zu tun. Gern kam er später noch hierher, auch, um zu helfen, und löste in schöner Regelmäßigkeit sein Versprechen ein, mit talentierten jungen Musikern in seinem einstigen Wahlheimatort zu gastieren.[4]

Der Sohn Frank Matthus wurde 1964 in Berlin geboren, ist Schauspieler und Mitglied im Rheinsberger Ensemble.[5] Im Jahr 2014 übergab Siegfried Matthus die künstlerische Leitung des Musikfestivals Kammeroper Schloss Rheinsberg an seinen Sohn Frank Matthus.[6] 2018 übernahm aufgrund politischer Entscheidung Georg Quander die künstlerische Leitung der Kammeroper. Die Fusion der Kammeroper mit der Musikakademie unter dem Dach der Musikkultur Rheinsberg gGmbH erfüllte Matthus mit großer Sorge um die Zukunft der Kammeroper und er fürchtete die Zerstörung der künstlerisch-organisatorischeb Grundstruktur. 2019 trat Mathus deshalb als Ehrenpräsident des Freundeskreises der Kammeroper zurück. Unberührt von den Streitigkeiten der letzten Jahre wird seine Musik aber weiterleben.[7]



[1] Siegfried Matthus, Die Großmutter soll es hören, Oprbl. Nr. 22/2019 (31. Mai), S. 18
[2] Freie Presse, 10. 4. 2009
[3] Kathrin Gottwald, Märkische Allgemeine, 11. 4. 2009
[4] Märkische Allgemeine, 18. 7. 2011
[5] PAZ 16. 1. 2010, S. 9
[6] tws, Matthus übergibt Stab an Matthus, PAZ Nr. 35/2014 (30. August), S. 9
[7] Brian Kehnscherper, Trauer um den „Sängervater“, MOZ 31. 8. 2021, S. 19