Erinnerung an den Kammerherrn von Oldenburg-Januschau
20.03.2020
Elard von Oldenburg (20. 3. 1855 – 15. 8. 1937) kam in Beisleiden als Sohn des Herrn von Oldenburg-Beisleiden und seiner 2. Frau Marie, geb. von Arnim, zur Welt. Seine Familie entstammt bremischem Uradel und war seit dem 18. Jh. in Ostpreußen ansässig. Das Gymnasium in Königsberg musste er mangels ausreichender Leistungen wieder verlassen. Es folgten der Besuch des Gymnasiums in Wernigerode im Harz und der Ritterakademie im Dom von Brandenburg an der Havel. Die Ritterakademie musste er wegen Unbotmäßigkeit wieder verlassen, aber auch anschließend auf dem Gymnasium in Halle an der Saale befiel ihn nicht die Neigung, das Abitur zu machen.
Stattdessen strebte er zum Militär, trat 1873 in das 2. Garde-Ulanen-Regiment in Berlin ein und wurde 1875 zum Leutnant befördert. Er quittierte den Dienst, nachdem sein älterer Bruder, der Erbe von Beisleiden, 1883 starb und er das für ihn vorgesehene Gut Januschau zu bewirtschaften hatte. Nachdem sein Vater 1888 starb, war er auch noch für Beisleiden verantwortlich, bis der Sohn seines Bruders, der Erbe, der Minderjährigkeit entwachsen war.
Elard von Oldenburg-Januschau wurde Mitglied des Kreis- und Provinziallandtages und Vorsitzender der Landwirtschaftskammer Westpreußen in Marienwerder, Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses 1901 – 1910 und Reichstagsabgeordneter 1902 – 1912 und galt als einer der Führer der Deutschkonservativen . Wegen seiner Verdienste um die Provinz erhielt er die Ernennung zum Königlich Preußischen Kammerherrn. Am 1. Weltkrieg nahm er zunächst aktiv teil, kam aber 1917 um seinen Abschied ein und engagierte sich im heimischen Bund der Landwirte für die Erzeugung von Nahrungsmitteln unter Kriegsbedingungen. Nach dem Weltkrieg war er weiterhin für die heimische Landwirtschaft tätig und kämpfte für die Belange der jetzigen westpreußischen Grenzkreise in Ostpreußen. Er starb am 15. August 1937 in Marienwerder.
Der redegewandte und schlagfertige Kammerherr v. Oldenburg wurde 1901 Abgeordneter im Preußischen Abgeordnetenhaus für den Wahlkreis Elbing-Marienburg und 1902 Reichstagsabgeordneter der Deutschkonservativen Partei. Er ergriff des Öfteren das Wort und war wegen seiner Debattenbeiträge geschätzt, von seinen Gegnern wegen seiner Scharfzüngigkeit aber auch gefürchtet und mitunter wütend bekämpft.
Dabei besaß der Gutsherr durchaus Humor. Als ein jüdischer Abgeordneter schadenfroh über seinen Misserfolg bei der Reichstagswahl 1912, bei der er durchfiel, reimte: “Dem Kammerherren ist nun wohl/ Er bleibt zu Hause und baut Kohl.”, replizierte er: “Zum Kohl ess’ ich den Schweinebraten/ den Moses Ihnen abgeraten”. So jedenfalls wird es in seinen Memoiren widergegeben.
Noch einmal, 1930 – 1932, kam der jetzt respektvoll als “alter Januschauer” bezeichnete Gutsherr als Abgeordneter in den Reichstag, wo er durch Zufall unmittelbar neben Josef Goebbels saß. In dieser Zeit entwickelte sich ein Wortgeplänkel mit Wilhelm Pieck, dem späteren Präsidenten der DDR. Man stritt über die ländliche Siedlungspolitik, insbesondere über den Umfang von Kleinsiedlungen. Herr von Oldenburg hielt 20 – 25 ha je Hof für die erstrebenswerte Unterkante, von der man leben könne, Wilhelm Pieck an sehr viel weniger Hektar. Zur Klärung wurde eine parlamentarische Kommission gebildet, die Siedlungen begutachten sollte. “Kommen Sie nach Januschau, Herr Pieck, da werde ich mit Ihnen Schlitten fahren.” frozzelte der Abgeordnete v. Oldenburg. An einem heißen Julitag kam die Kommission, der auch Wilhelm Pieck angehörte, in der Tat nach Januschau. Hier hatte der Gutsherr einen Schlitten auf einem Plattenwagen fest montieren lassen. Auf diesem musste der Abgeordnete Pieck Platz nehmen, gut eingehüllt in einen wärmenden Pelz, weil das beim Schlittenfahren so üblich wäre, und so fuhr man über die Felder zur Begutachtung der ausgewählten Siedlungen.
Wenn über die ostelbischen Junker oder Großagrarier hergezogen wird, führt man oft Elard von Oldenburg-Januschau als Beispiel an und zitiert seinen berühmten, für andere Zeitgenossen berüchtigten Ausspruch im Reichstag: “Der König von Preußen und der deutsche Kaiser muss jeden Moment imstande sein, zu einem Leutnant zu sagen: Nehmen Sie zehn Mann und schließen Sie den Reichstag!”. Elard von Oldenburg-Januschau war zweifellos kein Wegbereiter der Demokratie, sondern ein konservativer Vertreter der staatstragenden Gesellschaftsschicht und brachte mit seiner saloppen Formulierung die konservative Auffassung vieler seiner Zeitgenossen zum Ausdruck: die monarchisch-militärische Säule des Staates steht neben der demokratisch-parlamentarischen und der autokratische Monarch hat aufgrund bestehender Gesetzeslage die Möglichkeit und das Recht, zur Aufrechterhaltung des Staatsordnung den Reichstag aufzulösen. Mit diesem Ausdruck hat er aber die damals nicht staatstragende Linke sehr erbost und die schlug zurück, indem sie die Großgrundbesitzer östlich der Elbe, die “ostelbischen Junker”, zu Staatsfeinden erklärte. Erstaunlicherweise wirkt diese pauschale Verunglimpfung bis in unsere Tage.[size= 12px] [/size]
Elard von Oldenburg-Januschau war auch ein geschickter Landwirt, der dank guter Bewirtschaftung seinen ererbten Landbesitz stark vergrößern konnte. Zum ursprünglichen Gutsareal in Januschau von 1.200 ha erwarb er 1885 das Vorwerk Brausen mit 950 ha und das Waldgut Zollnick mit 675 ha hinzu, weiterhin 1905 das Gut Sardienen im Krs. Pr. Eylau mit 235 ha, 1910 das Gut Lichterfelde bei Eberswalde, Barnim, mit 950 ha. und einige Jahre später noch das Gut in Biegen unweit Frankfurt/Oder.
Elard von Oldenburg-Januschau war mit Generalfeldmarschall von Hindenburg befreundet und als sich herausstellte, dass der Besitz Neudeck der Familie Hindenburg verloren gehen würde, war er der Initiator für die Schenkung des Gutshauses samt Landbesitz in Neudeck, unweit von Januschau, als Ehrengabe des Deutschen Volkes an den Reichspräsidenten v. Hindenburg. Das Geld dafür spendeten Industrielle und reiche Gutsherren, aber auch viele Veteranen aus den Kriegervereinen, denn bei denen war der alte Feldherr über alle Maßen populär und beliebt, insbesondere in Ostpreußen.[size= 12px] [/size]
Aufgrund seiner Freundschaft zu Hindenburg unterstellt man Elard von Oldenburg einen verhängnisvollen Einfluß auf den Reichspräsidenten b is hin zu dem Vorwurf, diesen zur Ernennung Hitlers zum Reichskanzler bewogen zu haben. Oldenburg selbst bestreitet in seinen Memoiren einen solchen Einfluss und es widerspricht dem Selbstverständnis Hindenburgs als Reichsoberhaupt, der konsequent bemüht war, die Vorschriften der Reichsverfassung, auf die er geschworen hatte, penibel einzuhalten. In diesem Zusammenhang bringt man Hindenburg und Oldenburg auch in Verbindung mit einem angeblichen Osthilfeskandal, wie er in den Erinnerungen von Ministerpräsident Otto Braun anklingt. Davon ist erwiesenermaßen kein Wort wahr.
Eine der drei Töchter in Januschau, Maria v. Oldenburg (9. 7. 1896 – 25. 1. 1945), heiratete Siegfried Graf von Lehndorff (11. 4. 1869 – 4. 5. 1956), Landstallmeister in Graditz bei Torgau, Trakehnen und Braunsberg. Einer ihrer Söhne war Hans Graf von Lehndorff (13. 4. 1910 – 4. 9. 1987), der Verfasser des “Ostpreußischen Tagebuchs”. Auf einem Gutshof bei Wengern, Kreis Stuhm, endete für Maria v. Lehndorff und ihren Sohn Heinfried, Erbe von Januschau, die Flucht. Als die Sowjets am 25. Januar dort auftraten, wurde Heinfried im entstehenden Durcheinander zunächst mit einem Messer verletzt und dann zusammen mit seiner Mutter erschossen.