Vor 10 Jahren starb der Braunsberger Rainer Baarzel
26.08.2016
Rainer Barzel (20. 6. 1924 – 26. 8. 2006) wurde als Sohn des katholischen, aus Lötzen stammenden Studienrates Candidus Barzel in Braunsberg geboren. Die Mutter, geborene Maria Skibowski, entstammte einer Familie in Lyck, die dort ein Textilgeschäft und eine Färberei gegenüber der Herz-Jesu-Kirche in Richtung See betrieb. Großvater Skibowski hatte für die katholische Kirche in Lyck einen Altar gestiftet, der dort immer noch existiert. Die Großmutter aus Lötzen fand auf der Flucht vor den Sowjets in Ostpreußen den Tod.
Die Kindheit verlebte Rainer Barzel im Ermland. Als der Vater zur Reichsauskunftsstelle für das Höhere Schulwesen nach Berlin versetzt und aus diesem Anlaß zum Oberstudienrat befördert wurde, ging die Familie 1931 nach Berlin. Hier besuchte er nach der Volksschule in Steglitz das von Jesuiten geleitete Gymnasium am Lietzensee, bis dieses 1939 endgültig geschlossen wurde, danach das Luisen-Gymnasium in Moabit. Notabitur 1941. Anschließend Einberufung und nach entsprechender Ausbildung in Schleswig Einsatz als Seeflieger, zuletzt als Lufttaktik-Lehrer in Flensburg-Mürwik.
Nach dem Krieg studierte Barzel in Köln Jura und promovierte 1949 mit dem Prädikat „magna cum laude“. 1952 Eintritt in die CDU, die ihn 1960 in den Bundesvorstand wählte. Von 1957 – 1987 gehörte er dem Deutschen Bundestag an, war 1962 – 1963 unter Bundeskanzler Adenauer Minister für Gesamtdeutsche Fragen und mit 38 Jahren jüngster Minister der Republik, 1964 – 1973 Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU und ab 1969 Oppositionsführer, 1972 Kanzlerkandidat beim vergeblichen Versuch der CDU, die Abwahl von Bundeskanzler Willy Brandt zu betreiben. Danach wurde er von Helmut Kohl als Fraktionsvorsitzender abgelöst. 1977 bis 1979 Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses des Bundestags, 1980 Koordinator für deutsch-französische Zusammenarbeit. Von 1980 bis 1982 leitete er den Auswärtigen Ausschuss im deutschen Parlament und von 1982 – 1983 war er unter Helmut Kohl Minister für innerdeutsche Beziehungen. Präsident des Deutschen Bundestages 1983 – 1984. Von diesem Amt trat er wegen eines umstrittenen Beratervertrages zurück. Die Affäre endete mit einem “Freispruch erster Klasse” (Frankfurter Oberstaatsanwalt). Barzels politische Karriere aber war zu Ende.
1987 schied Rainer Barzel aus der parlamentarischen Politik aus, war aber noch 1986 – 1990 Koordinator für die deutsch-französische Zusammenarbeit und befruchtete aus dieser Position heraus den Wiedervereinigungsprozess. Seitdem politische Hintergrundarbeit und Tätigkeit als Rechtsanwalt, dann Ruhestand.
Im privaten Leben hatte Rainer Barzel schmerzliche Schicksalsschläge hinzunehmen. Seine erste Frau Kriemhild, die er 1948 geheiratet hatte, erlag 1980 dem Blutkrebs, ihre gemeinsame Tochter Claudia starb viel zu früh 1977, die zweite Frau Helga verunglückte 1995. Am 24. 5. 1997 heiratete er Ute Cremer. Zum Lebensende hin hatte Barzel mit großen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.
Literatur: Rainer Barzel: Ein gewagtes Leben. Hohenheim, Stuttgart 2001. 440 S., 42 DM