Das Deutsche Reich hatte vor 100 Jahren eine Waffenbrüderschaft mit der Türkei
19.04.2016
Colmar Freiherr v. d. Goltz (12.8.1843 – 19. 4. 1916) wurde als Sohn des Rittergutsbesitzers Erhard v. d. Goltz (1802 – 1849) und dessen Frau Palmira, geb. Schubart (1815 – 1893), in Bielkenfeld, später Goltzhausen, geboren. Er gehörte zu den ostpreußischen Originalen, die bei hoher Intelligenz unkonventionell und eigenständig dachten. Er wurde darüber hinaus als Schriftsteller geschätzt. Bekannt war sein Bonmot über die Erlangung eines Ordens: man kann ihn verdienen oder erdienen oder erdienern oder erdinieren, oder, als ein Waffenfabrikant ihm eine Aktienbeteiligung anbot, entgegnete: „Sie haben es gut gemeint, aber ein preußischer Offizier nimmt keine Trinkgelder!“. Ihm zu Ehren wurde Bielkenfeld in Goltzhausen umbenannt.
Nach dem Verkauf des hochverschuldeten Familiengutes 1844 verlebte Colmar v. d. Goltz eine entbehrungsreiche Jugend und schlug dann die militärische Laufbahn ein. Nach der Teilnahme an den Einigungskriegen zwischen 1864 und 1871 war er als Generalstabsoffizier der 6. Division in Brandenburg a. H., in der Kriegsgeschichtlichen Abteilung des Großen Generalstabes und 1878 – 1883 als Lehrer an der Kriegsakademie tätig. Diese Berufungen musste er jedoch vorübergehend aufgeben, weil sein Buch „Leon Gambetta und seine Armeen“ auf das Missvergnügen der preußischen Militärs gestoßen war. Ab 1883 – 1885 leitete er die deutsche Militärmission in Istanbul, trat in türkische Dienste, wurde Pascha und Generalinspekteur der Militärschulen und leitete die Reorganisation und Modernisierung der türkischen Armee. Damals gab v. d. Goltz den Anstoß dafür, dass türkische Offiziere zur Ausbildung nach Deutschland geschickt wurden und schuf so eine enge Verbindung zwischen den beiden Militärorganisationen, die bis heute nachwirkt. Aus dem von ihm ausgebildeten türkischen Offizierskorps rekrutierten sich die Führer des Aufstands von 1908, der den Sturz der alttürkischen Regierung zur Folge hatte und den Aufbau der modernen Türkei einleitete.
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde er 1896 Divisionskommandeur in Frankfurt/Oder, 1898 Generalinspekteur der Festungen, 1902 kommandierender General des 1. Armeekorps in Königsberg, 1906 Generalinspekteur der 6. Armeeinspektion und war als solcher im Kriegsfall als Oberbefehlshaber der deutschen Ostarmee vorgesehen, 1908 Generaloberst und 1911 Feldmarschall. 1905 galt er als einer der möglichen Nachfolger des Grafen Schlieffen als Chef des Großen Generalstabes und 1909 spielte Wilhelm II. mit dem Gedanke, v. d. Goltz anstelle von Bethmann-Hollweg zum Reichskanzler zu ernennen. Mit 70 Jahren trat der Feldmarschall 1913 in den Ruhestand.
Im 1. Weltkrieg erhielt v. d. Goltz aufgrund seines Alters kein Frontkommando mehr. Nach einem kurzen Intermezzo als Generalgouverneur von Belgien wurde er ab 1914 Berater des Sultans, Generalissimus sowie Befehlshaber zunächst der 1. osmanischen Armee und dann bis zu seinem Tod in Bagdad Oberbefehlshaber der 6. türkischen Armee, mit der er spektakuläre Erfolge über die Briten erzielte.
Von der Goltz hielt nicht viel von den Armeniern, hielt sie vielmehr für gerissene Händler. Mit dieser Grundeinstellung segnete er 1915 den Deportationsbefehl ab, den Enver Pascha ihm vorlegte.
Als Zivilist schrieb er Romane, Novellen und Zeitungsartikel, als Militärschriftsteller erschienen von ihm die viel gelesenen und kundigen Analysen „Das Volk in Waffen“, ein Buch über Heerwesen und Kriegsführung jener Zeit (1883), „Von Roßbach bis Jena und Auerstädt“ (1906) und „Von Jena bis Preußisch Eylau“, „Kriegsgeschichte Deutschlands“ (1910 u. 1914).
Colmar v. d. Goltz starb an den Folgen einer Typhusinfektion in seinem Hauptquartier in Bagdad und wurde im Garten der deutschen Botschaft in Istanbul beigesetzt. In der Folge fehlte sein Integrationskraft für die Zusammenarbeit von Deutschen und Türken und die türkische Armee wurde sehr bald aus dem Irak verdrängt.