Vor 125 Jahren wurde der Historiker Hans Rothfels geboren
12.04.2016
Hans Rothfels (12. 4. 1891 – 22. 6. 1976) wurde in Kassel als Sohn des wohlhabenden jüdischen Rechtsanwalts und Notars Max Rothfels, Justizrat und Vorsteher der jüdischen Gemeinde, geboren, 1909 machte er in Kassel das Abitur und 1910 konvertierte er zum Protestantismus. Er studierte danach Philologie und Historie in Freiburg bei Friedrich Meinecke, seinem Vorbild und Förderer. Mit einer Arbeit über Clausewitz promovierte er 1918 bei Hermann Oncken in Heidelberg.
Am 1. Weltkrieg nahm er als Kriegsfreiwilliger teil und verlor im November 1914 bei einem Reitunfall ein Bein. 1923 habilitierte er sich bei Friedrich Meinecke und Erich Marcks mit dem Thema “Bismarcks englische Bündnispolitik”. Nach zwei Jahren als Privatdozent erhielt er einen Ruf an die Albertina in Königsberg. Hier lehrte er von 1926 bis 1934, als er wegen seiner jüdischen Herkunft durch Zwangsemeritierung seinen Lehrstuhl verlor, obwohl einige Studenten, Privatdozenten und der Kurator der Universität sich für ihn öffentlich einsetzten. Bis 1938 konnte er im preußischen Geheimen Staatsarchiv in Berlin Quellenstudien betreiben. Im September 1939 gelangte er gerade noch mit Genehmigung der Nazis nach England, wo er zunächst interniert wurde.
Seit 1940 lehrte er als Gastprofessor an der Brown University in Providence; 1946 erhielt er einen Ruf an die renommierte Universität von Chicago. Hier schrieb er sein wohl bekanntestes Buch „Die deutsche Opposition gegen Hitler“, das im Frühjahr 1948 auf Englisch und bereits ein Jahr später in deutscher Übersetzung erschien. 1950 nahm er einen Ruf der Universität Tübingen an und 1951 kehrte er ganz nach Deutschland zurück, wo er mit seiner moralischen Autorität erheblich zur Rehabilitierung der Geschichtswissenschaft in Deutschland beitrug. Er war Mitglied der wissenschaftlichen Kommission für die Dokumentation der Vertreibung der Deutschen in den 1950er Jahren, war Mitbegründer des Instituts für Zeitgeschichte in München und wurde zusammen mit Theodor Eschenburg Mitherausgeber der renommierten Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Daneben war er Mitglied in verschiedenen Historischen Kommissionen, im Max-Planck-Insitut für Geschichte, 1958 – 1962 Vorsitzender des Verbandes der Historiker Deutschlands und Mitglied in weiteren Organisationen.
Einer seiner bekannten Schüler war der Königsberger Heinrich August Winkler. Rothfals galt als stark konservativ und antikommunistisch. Sein Geschichtsbild wurde stark geprägt von den Bestimmungen des Friedens von Versailles, dessen Festlegung der alleinigen deutschen Kriegsschuld er wie viele seiner Zeitgenossen als zutiefst ungerecht empfand. Damit lag er eigentlich völlig richtig, wie neuerdings die Forschungen von Christopher Clark, dokumentiert in dem Buch “Die Schlafwandler” ergaben.
Nach 2000 ist Hans Rothfels zum Gegenstand einer geschichtswissenschaftlichen Kontroverse geworden. Im Kern geht es darum, inwieweit er als deutschnationaler Historiker zu seiner Königsberger Zeit einer Politik das Wort geredet hat, die sich später nahtlos in die NS-Ideologie einfügte. So empfindet es zum Beispiel Heinrich August Winkler als „zutiefst irritierend“, dass Rothfels, wie aus der Veröffentlichung eines Briefwechsels bekannt geworden ist, „beim zweiten Wahlgang der Reichspräsidentenwahl 1932 offenkundig für Hitler gestimmt” habe. Erstaunlich ist dabei, dass selbst Historiker den moralischen Wertemaßstab ihrer eigenen Zeit an lange zurückliegende Ereignisse anlegen.