Ein Nazi-Bischof in finsterer Zeit
10.03.2015
Fritz Kessel (10. 3. 1887 – 10. 2. 1973) studierte Evangelische Theologie in Königsberg, Heidelberg und Breslau. Nach dem Examen am 1. 12. 1912 wurde er Vikar in Waldau/Oberlausitz. 1914 – 17 zog er als Kriegsfreiwilliger bei den Lübbener Dragonern bis zu einer Verwundung vor Verdun in den 1. Weltkrieg. Aus dem Kriegsdienst entlassen, wurde er am 31. 3. 1917 nach dem zweiten Examen ordiniert und übernahm die Pfarrstelle in Kaltwasser/Kr. Lübben in Schlesien.
1920 ließ er sich nach Brasilien aussenden und wurde Pfarrer in Badenfurt/Santa Catarina, wo sich evangelische deutsche Auswanderer niedergelassen hatten. 1923 ging er nach Rio de Janeiro und 1925 kehrte er nach Deutschland zurück. Hier verwaltete ab 1. 1. 1926 die Pfarrstelle in Parchwitz/Schlesien und übernahm am 1. 9. 1928 die zweite Pfarrstelle bei St. Nicolai in Berlin-Spandau. Er trat in die NSDAP ein und gehörte 1932 zu den Mitbegründern der “Glaubensbewegung Deutsche Christen” und war dort Reichsreferent für Propaganda und Schulung.
1933 stieg Kessel im Konsistorium in Berlin zum theologischen Hilfsreferenten auf und wurde noch im selben Jahr zum Bischof der Provinz Ostpreußen mit Sitz in Königsberg berufen – gegen den Willen von Gauleiter Erich Koch..Bald gehörten Amtsenthebungen, Gehaltskürzungen, Versetzungen und Ausweisungen in der evangelischen Kirche zum Alltag. Dagegen bildete sich massiver Widerstand. 1934 bildete sich die “Kirchliche Arbeitsgemeinschaft” als regionaler Zweig der Bekennenden Kirche in Ostpreußen.. Den Vorsitz hatte Theodor Kuessner (1896 – 1984), geistlicher Leiter des Masurischen Diakonissenhauses Bethanien in Lötzen.
Als sich Bischof Kessel Anfang 1935 in Urlaub befand, einigten sich die BK und das Konsitorium in einem sog. “Juristenabkommen” am 19. 3. 1935 darauf, sämtliche Amtsenthebungen und Zwangsmaßnahmen zurückzuehmen. Bischof Kessel nahm dieses Abkommen nach Rückkehr aus dem Urlaub zurück und veröffentlichte im September 1935 die “Leitsätze für eine Neuordnung der Deutschen Evangelischen Kirche”, die aber weder bei den Pfarrern noch bei den Studenten Anklang fanden.
1936 trat Kessel von seinem Amt zurück und verließ Ostpreußen. Mit Hilfe der Partei erhielt er im Sommer 1936 ein Forschungsstipendium, das 1938 verlängert wurde und das er für die Auswertung seiner botanischen Studien in Brasilien nutzte. Im Krieg war er Freiwilliger in einem Luftwaffen-Baubataillon, wurde jedoch zum 1. 4. 1943 aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Nach dem Krieg lebte er verbittert unter beengten Verhältnissen in Osterode/Harz, wo er auch starb.