Gastellowo – Groß Friedrichsdorf
Die niedrig gelegene, sehr wasserreiche Umgebung von Groß Friedrichsdorf wurde im nördlichen Sektor unter der Ägide des Linkuhnen-Seckenburger Entwässerungsvereins entwässert und bestand danach aus bestem Acker- und Weideland, dessen reichhaltige Früchte jeden Dienstag auf dem Markt des Ortes angeboten wurden. Das Gebiet östlich einer Linie Groß Friedrichsdorf – Groß Skaisgirren gehörte zum Rosenwalder Deichverband und erlangte die Trockenlegung 1895/96 mit denselben fruchtbaren Folgen. Die Landwirtschaft dominierte damit auch das wirtschaftliche Leben in Groß Friedrichsdorf. Es gab die Molkerei Zürcher und zwei Mahl- und Schneidemühlen (Klebon und Katillus) und dazu seit 1923 eine Elektrizitätsgenossenschaft.[1]
Zur Gründung des Kirchspiels Groß Friedrichsdorf 1854 entstand schon mal ein Kirchturm, an den man 1867 ein Kirchenschiff aus Holz anfügte. Diese Kirche wurde 1902 durch einen neoromanischen Bau aus Stein ersetzt, wobei das alte Kirchenschiff aus Holz als Notkirche nach Kaukehmen verkauft wurde, nachdem die dortige Kirche abgebrannt war. Aufgrund der architektonischen Ähnlichkeit des Neubaus zur Luisenkirche in Königsberg vermutet man hier Friedrich Heitmann als Architekten.
Die Kirche in Groß Friedrichsdorf an der Straße zum Dorf Peterswalde, das nicht mehr existiert, kam gut über den Krieg und wurde dann als Lagerraum einer Kolchose genutzt. Dank mangelhafter Wartung verfiel sie, die Balken trugen das Dach nicht mehr. In den 1980er Jahren riss man auch die Wände des Schiffs ab, um Baumaterial zu gewinnen. Nur der Turm blieb erhalten. Als man sich entschloss, die in Schieflage geratene Turmspitze abzunehmen, stießen die mit der Demontage beauftragten Bauarbeiter auf eine kleine Sensation: im noch unversehrten Turmknauf der Kirche fanden sie in einem Bleikästchen eine Rolle vergilbter Unterlagen. Diese war durch eine Bleiklammer zusammengehalten und enthielt einen Bauvertrag, Baupläne und -skizzen sowie eine kurz gefasste Geschichte von Groß Friedrichsdorf und seiner Kirche bis zum Jahr 1902. Wenn auch mühsam, konnte man einige Texte entziffern. So wird beispielsweise der Aufenthalt des russischen Zaren Peter des Großen erwähnt, der Besuch von Königin Luise, der Vorbeimarsch des napoleonischen Heeres sowie Schlachten, die während des Siebenjährigen Krieges bei Groß Friedrichsdorf ausgetragen wurden. Der wertvolle Fund wurde zur weiteren Untersuchung und Aufbewahrung an das Staatliche Archiv Kaliningrad übergeben.
Die Schule in Großfriedrichsdorf wurde 1930 – 1933 neu gebaut und verfügt über 6 Klassenräume. Ihre Architektur war anspruchsvoll modern und beeindruckt auch heute noch. Das Gebäude wurde im Krieg nicht zerstört und dient weiterhin dem Schulunterricht.
[1] Kreis Elchniederung gestern und heute, S. 33
Königin Luises “Schwester” gibt Geheimnis in luftiger Höhe preis
(Artikel aus dem Königsberger Express vom 28. 2. 2006)
.
In einer alten evangelischen Kirche in Gastellowo (ehem. Groß
Friedrichsdorf) sind historische Schriftstücke aus dem Jahr 1902 entdeckt
worden.
Wie die Nachrichtenagentur “Regnum” unter Berufung auf die
Dorfadministration Gastellowo mitteilte, haben Bauarbeiter bei
Abrissarbeiten am Kirchturm eines alten evangelischen Gotteshauses ein
Bleikästchen gefunden, in dem Schriftstücke enthalten waren. Obwohl die
deutsche Schrift darauf kaum lesbar war, konnten Spezialisten den vom Alter
vergilbten Schriftstücken entnehmen, dass sie historische Begebenheiten
schildern, die mit dem Fundort Groß Friedrichsdorf in Zusammenhang stehen.
So wird beispielsweise der Aufenthalt des russischen Zaren Peter des Großen
erwähnt, die preußische Königin Luise, der Vorbeimarsch des Napoleonschen
Heeres sowie Schlachten, die während des Siebenjährigen Krieges bei Groß
Friedrichsdorf ausgetragen wurden.
Nach Aussage von Avenir Owsjanow, dem bekannten Kaliningrader Historiker,
der den Fund für die Zeitung “Kaliningradskaja Prawda” kommentierte, reicht
der Brauch, Metallkugeln mit Archivunterlagen in kirchlichen Turmspitzen
einzulagern, bis in die Ordenszeit zurück. Die Erbauer der ostpreußischen
Gotteshäuser gingen demnach von der Vorstellung aus, dass nichts auf Erden
ewiglich ist, und so auch die von ihnen in die Welt gesetzten Bauwerke ein
paar Jahrzehnte später einer Nachbesserung bedürfen würden, sei es durch
natürliche Alterung oder durch Ereignisse wie Kriege, Brände oder
Überschwemmungen. Aber wie sollte die Renovierung vonstatten gehen? Welche
Baustoffe und welche Maße sollten verloren gegangene Teile der Konstruktion
oder der Verzierungen haben? All diese Fragen waren durchaus berechtigt und
mussten im Voraus bedacht werden.
Die Architekten des Altertums fanden eine prima Lösung: Kirchliche
Unterlagen sollten in einer rundum luftdicht verschlossenen und an der
Turmspitze befestigten Metallkugel aufbewahrt werden. Einen besseren Hort
konnte es nicht geben! Obwohl aus großer Entfernung sichtbar, war die Kugel
für Angreifer unerreichbar. Für Bauspezialisten und Restaurateure dagegen
war sie, wenn es sein musste, durchaus zugänglich. Die Bauherren pflegten in
der Kugel auch materielle Zeitzeugen wie Geldscheine, Münzen, Zeitungen,
Briefmarken und ähnliches einzulagern. Es gab dazu jedoch keine festen
Regeln und jeder Bauherr verfuhr nach seiner eigenen Manier. Eines aber
musste in der Kugel immer vorhanden sein: die Bauskizzen und die Angaben zur
Geschichte des Bauwerkes. Einige wohlhabende Gemeinden versuchten sogar dem
nagenden Zahn der Zeit dadurch entgegenzuwirken, dass sie die Texte auf
Bleiplatten eingravieren ließen.
In der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg sind im Kaliningrader Gebiet Dutzende
von alten Kirchen Witterungseinflüssen und menschlicher Unvernunft zum Opfer
gefallen. Jede von ihnen muss hoch über dem Boden schriftliche Zeugnisse
längst vergangener Zeiten beherbergt haben. Leider ist davon nichts mehr
übrig geblieben. Die Baudenkmäler lösten sich mitsamt den Kugeln und ihrem
Inhalt in Nichts auf. In ganz seltenen Fällen gingen die Gegenstände und
Schriftstücke aus den Kirchenkugeln in den Besitz von Privatpersonen über
und konnten dann käuflich erworben werden.
Die Geschichte der Kirche in Groß Friedrichsdorf lässt sich bis in die Mitte
des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. Ihr Glockenturm wurde 1854 erbaut.
Erst dreizehn Jahre später baute man an den Turm ein Kirchenschiff an.
Dieses war aus Holz gebaut und galt lange Zeit als Baudenkmal der
Holzbaukunst, bis es 1902 zu einem Kirchengebäude aus rotem Backstein
umgebaut wurde. Nach ihren Grundzügen, dem neuromanischen Baustil und der
Entstehungszeit, ist die Kirche in Groß Friedrichsdorf ihrer “Schwester” in
Königsberg, die in der Lawsker Allee (heute Prospekt Mira) erbaut und der
Königin Luise gewidmet war, sehr ähnlich. Der Gedanke liegt daher nahe, dass
auch die Groß Friedrichsdorfer Kirche nach den Plänen des Architekten
Friedrich Heitmann erbaut wurde.
Die Kämpfe um Groß Friedrichsdorf am 20. Januar 1945 konnte seine Kirche
fast unbeschadet überstehen. Bis Ende der 70er Jahre hat sie sich wacker
gehalten, obwohl man sie völlig zweckentfremdete und als Lagerhaus einer
Kolchose nutzte. Irgendwann war es aber aus mit der Tragfähigkeit ihrer
Balken, sie wurden morsch und stürzten ein. Die Mauern standen noch eine
Zeitlang weiter, bis man auch sie zwecks Wiederverwertung bis an die
Grundmauern abriss. Übrig blieb nur der Glockenturm, dessen Spitze sich
immer mehr zur Seite neigte und abzustürzen drohte. Die Dorfadministration
beschloss daher, die Turmspitze abzumontieren.