Jasnoje – Kaukehmen/Kuckerneese

Geschichte von Kaukehmen/Kuckerneese

Anfänglich stand hier ein wehrhaftes Haus des Deutschen Ordens, das noch im 17. Jh. von Kurfürst Friedrich Wilhelm als Jagdhaus benutzt wurde, dann verfiel es und verschwand. Am Rand des Mühlbergs gibt es Mauerreste der Keller. Der Ort Kaukehmen wurde nach der hier gelegenen preußischen Domäne am 3. Juni 1938 durch Verfügung des Oberpräsidenten zu Königsberg in Kuckerneese umbenannt.

Das vorbeiziehende Flüsschen, das in die Gilge mündet, nannte man ursprünglich Kauke (litauisch), dann Kucker. Aus dem litauischen Wort “Kaukenai” (Anwohner an der Kauke) entstand der Name Kaukehmen.[1] Im 15. Jh. bildete die Kauke eine Verbindung zwischen der Gilge und dem Rußstrom, die sehr viel Wasser von der Gilge ableitete, so dass diese zu versanden drohte. Deshalb wurde dieser Verbindungslauf 1472 gesperrt.

Das Dorf an der Kauke bzw. Kaukehmen entstand in etwa dieser Zeit. In einer Urkunde vom 29. August 1532 wurde die Siedlung erstmals urkundlich genannt, als Herzog Albrecht einem Jakob Born hier ein Krug mit 8 Hufen verlieh Zunächst waren es nur Fischer und Jäger, erst später folgten Bauern, Handwerker und Kaufleute. 1547 wurde erstmals ein Pfarrer erwähnt, 1549 entstand die erste Kirche aus Holz. Der Große Kurfürst verlieh einen großen Teil des Landes zwischen dem Ruß-Strom und der Neuen Gilge an den kurfürstlichen Förster, Hauptmann zu Rhein und Besitzer des Kruges in Kaukehmen, Heinrich Ehrentreich von Halle, der viel für die Besiedlung dieser Ländereien unternahm. Dabei zog er vor allem Holländer heran, darunter viele Mennoniten aus dem Danziger Werder, die sich in der Entwässerungstechnik bestens auskannten und über große Erfahrung mit Viehzucht und Milchwirtschaft verfügten.

Der Ort war 1678/79 Hauptquartier des schwedischen Feldmarschalls Horn. Nachdem die Schweden vertrieben worden waren, wohnte der Große Kurfürst einige Tage im Amtshof der Domäne, die am Ende des Dorfes lag. Während des 7jährigen Krieges nahm der russische General Fermor 1758 hier seinen Aufenthalt.

Nach der Großen Pest 1709 – 1711 und dem Tod einer großen Anzahl von Einwohnern konnten Mennoniten aus der Gegend von Kulm sowie aus der Weichselniederung um Montau und Schönsee dafür gewonnen werden, sich in den Kammerämtern Kaukehmen und Linkuhnen anzusiedeln. Man garantierte ihnen auch, dass sie die volle Gewissens- und Werbungsfreiheit besäßen. Mit letzteren  gab es allerdings bald Probleme, nachdem sich die Werber des Soldatenkönigs gewaltsam des groß gewachsenen männlichen mennonitischen Nachwuchses bemächtigten, um sie in die Garde der Langen Kerls einzugliedern. Die Mennoniten wehrten sich dagegen beharrlich und forderten die Aufhebung ihrer Verträge und freien Abzug. König Friedrich Wilhelm I. war sehr verärgert darüber, dass es Untertanen gab, die ihm seine Lieblings-Soldaten verwehrten und wies die Mennoniten aus. Diese zogen deshalb 1724 geschlossen zurück nach Westpreußen. Erst Friedrich II. bemühte sich ab 1740 um die erneute Ansiedlung von Mennoniten in der Elchniederung und war dabei erfolgreich.

1905 wurde das Gaswerk eingeweiht. Strom gab es erst nach dem 1. Weltkrieg. Zunächst installierte die Molkerei Selleneit eine elektrische Lichtanlage für den eigenen Bedarf und lieferte Strom für einige weitere Häuser und das Kino. Der Anschluss an das Überlandnetz des Ostpreußenwerks erfolgte 1924 und versorgte dann 95 % aller Grundstücke und Bauernhöfe mit Strom. Die Straßenbeleuchtung wurde ganz modern von einem Dämmerungs-Anzeiger gesteuert, der auf dem Dach des Kaufmann Nötzelschen Neubaus am Markt installiert war. Eine elektrische Feuermeldeanlage bestand aus 10 Feuermeldern, die über die ganze Gemeinde verteilt waren.

Es gab in Kaukehmen verschiedene Bankfilialen, mehrere Rechtsanwälte und Notare, verschiedene Ärzte, ein Amtsgericht mit 4 Richterstellen, das Deichamt und Zolldienststellen.

Nachdem das Memeldelta im 19. Jh. eingedeicht worden war und um 1900 der Haffdeich gebaut wurde, nahm die Landwirtschaft einen spürbaren Aufschwung, der sich auch auf Kaukehmen auswirkte. Um die Wende zum 20. Jh. war Kaukehmen das größte Niederungsdorf mit stadtähnlichem Charakter inmitten der sehr fruchtbaren Umgebung. Nur, weil das Dorf im Kreis Niederung nicht zentral genug gelegen war, wurde es nicht Sitz des Landrats und seiner Administration.

Zur Erschließung der Niederung durch die Bahn wurde 1904/05 die Elchniederungsbahn gebaut, eine Schmalspurbahn, die von Groß Britannien zunächst bis Kaukehmen führte und 1906 weitergebaut wurde über Schakuhnen/Schakendorf und Kallningken/Herdenau bis nach Karkeln. Kaukehmen stellte dabei den wichtigsten Zwischenbahnhof auf der knapp 40 km langen 750mm-Kleinbahn-Strecke und besaß ein stattliches Empfangsgebäude. Nach Kriegsende ist die Kleinbahn demontiert worden und nur noch wenige Gebäude und Teile der alten Bahndämme zeugen von ihrer Existenz.

Kaukehmen entwickelte sich zum wirtschaftlichen Mittelpunkt des Memeldeltas. Die Bauern präsentierten ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse und kauften hier ein. Jeden Mittwoch gab es einen äußerst lebhaften Marktag. Vor dem 1. Weltkrieg kamen sogar 150 bis 200 Fuhrwerke allein von jenseits des Rußstroms. Auf der östlichen Seite des Marktes vor der Post gab es den Schweine- und Ferkelmarkt, auf der westlichen Seite standen die Fleischer, südlich die Gemüse- und Fischhändler und nördlich verkaufte man Kartoffeln und Obst. Allerdings brachte die Abtrennung des Memellandes, wo die zum Kirchspiel gehörenden Dörfer Groß- und Klein-Schilleningken, Heinrichsfelde und Leitgirren lagen, einen starken Einschnitt im wirtschaftlichen Potential von Kaukehmen. Die Umsätze sanken und die Lebenshaltungskosten stiegen. Auf die Inflation folgten Insolvenzen und Konkurse, Zwangsversteigerungen, Arbeitslosigkeit. Erst nach 1933 besserten sich die Verhältnisse wieder.

In der Mitte des 19. Jhs. standen in der Kirchenschule 4 Klassenräume für 250 Schüler zur Verfügung. Das weitere Anwachsen der Schülerzahlen auf 350 um 1900 und darüber hinaus machte improvisatorische Zwischenlösungen erforderlich, indem man eine Lehrerwohnung umwidmete, Räume im Hotel „Niederunger Hof“ anmietete und dgl. Erst 1928/29 gab es den dringend erforderlichenSchulneubau mit 8 Klassenzimmern für 650 Schüler, Nebenräumen, Aula und Turnhalle. Daneben existierte eine kleinere Mittelschule für Jungen und Mädchen bis zur 9. Klasse. Zum Ende der 1930er Jahre erhielt Kaukehmen dann auch noch eine Lehrerbildungsanstalt, die im ehemaligen Gutshaus der Domäne untergebracht wurde.

Die Gemeinde Kaukehmen kaufte 1929 für dringend benötigte Siedlungsflächen die Domäne Kuckerneese samt Gutshaus, Park und 250 ha Land, die in östlicher Richtung an der Strasse lag, die links von der Post zum Ortsende führt. Das Gutshaus fungierte zunächst als Gaststätte, dann als Landjahrheim und ab 1941 als Lehrerbildungsanstalt. Das Wirtschaftsgebäude nahm Küche und Speisesaal, Lehrerzimmer und Sanitäreinrichtungen auf. Von 5 Lehrkräften wurden etwa 40 Volksschullehrer ausgebildet.

Auf der Landwirtschaftsfläche ließ man von der Ostpreußischen Bau- und Siedlungsgesellschaft in Königsberg 33 Kleinsiedlerstellen einrichten. Den Gutspark stellte man der Bevölkerung als Erholungsfläche zur Verfügung und auf einer anschließenden Wiese entstand der „Jahn-Sportplatz“.

Auf der Domäne wurde 1809 ein Remontedepot eingerichtet, das als das älteste Amt dieser Art in Ostpreußen galt, aber bereits in der Mitte des 19. Jhs. wieder einging.

Von den 7 jüdischen Familien in Kaukehmen entkamen zwei Familien während der 1930er Jahre rechtzeitig nach Amerika, die anderen sind mit großer Wahrscheinlichkeit in den Vernichtungseinrichtungen der Nazis ums Leben gekommen.

Die Zivilbevölkerung wurde ab dem 12. Oktober 1944 evakuiert. Der erste Angriff der Sowjets auf Kaukehmen erfolgte am 15. Oktober 1944. Die erste Granate zerstörte gleich das Kriegerdenkmal an der Kirche. In dem anschließenden Stellungskrieg hielt sich Kaukehmen bis zum 18. Januar 1945 und wurde dann von den Sowjets besetzt.

In Kaukehmen geboren wurde der Künstler Friedrich Schröder mit dem Künstlernamen Friedrich Schröder-Sonnenstern (1892 – 1982). Er war das zweite von dreizehn Kindern des trunksüchtigen Briefboten im Dorf und einer nervenkranken Mutter. Er hatte einen schwierigen Start ins Leben, denn er war immer ein unangepasster Außenseiter der Gesellschaft, der sich jedoch als Maler seit den 1950er Jahren in Deutschland einen Namen machte. Er absolvierte zunächst eine Gärtnerlehre, später war er Meiereigehilfe, kam jedoch sehr bald in ein Erziehungsheim, dann verschiedentlich in eine Nervenheilanstalt, wobei er sich absolut nicht in das bürgerliche Wertesystem einordnete und konform verhielt. Zwischendrin vagabundierte er, wurde Führer einer religiösen Sekte, war im 2. Weltkrieg erst Magaziner, dann Strafgefangener. Erste Zeichnungen fertigte er 1933 bei einem Klinikaufenthalt. Nach dem Krieg begann er in Berlin, nachhaltiger zu malen. Bis 1958 entstanden etwa 104 großformatige Bilder. Regelmäßige Galerieausstellungen gab es ab 1952, 1967 eine in der Kunsthalle Düsseldorf, 1973 bei der Kestnergesellschaft Hannover. Dabei schockierte er die Bildbetrachter zunächst durch stark sexuell geprägte, derbe Darstellungen, die seinen Ruf weithin trugen, zumal er die Fähigkeit zum Showtalent besaß. Nach dem Tod seiner Lebensgefährtin „Tante Martha“ 1964 verfiel er zunehmend dem Trunk und seine Schaffenskraft ließ immer mehr nach. Er starb 90jährig 1982 in Berlin.

[1] Die Elchniederung gestern und heute, 2006, S. 59

Literatur

Heimatchronik Kuckenneese

Näheres:

Manfred Allies
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Buchholz
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