Die Kurische Nehrung

Kurische Nehrung und Kurisches Haff

Die Kurische Nehrung entstand in den letzten 8000 Jahren, ist 96 km lang und zwischen 500 Metern und 3,5 Kilometer breit. Nach der Eiszeit ragten nur noch die Gebiete um Cranz und Rossitten aus der Ostsee. Ein stetiger Westwind lagerte den durch Erosion entstanden Abrieb-Sand des Samlands in einem Streifen zwischen Cranz und Rossitten und darüber hinaus ab, bis eine Landzunge entstanden war, die das Kurische Haff fast vollständig von der Ostsee abteilte. Der Westwind trieb den losen Sand in Form von Dünen vor sich her und auch in das Haff hinein: von einst 25 m Wassertiefe blieben nur 4 – 5 Meter.

Die nach und nach entstehende Vegetation hielt die Wanderdünen fest. Noch zur Ordenszeit war die Nehrung so stark bewaldet, dass die Ritter im Kampf gegen die Ureinwohner erheblich behindert wurden. Doch als im 16. und 18. Jh. die Bäume auf der Nehrung radikal abgeholzt worden waren, insbesondere in der Zeit der russischen Besetzung der Provinz während des 7jährigen Krieges, als man Holz für den Aufbau der russischen Flotte und die Verstärkung der Festung Pillau einschlug, setzte der Westwind sie wieder in Bewegung. Die Wanderdünen verschütteten, was ihnen in den Weg kam, auch ganze Dörfer wie z. B. Kunzen, Karweiten und Lattenwalde. Pillkoppen musste in 200 Jahren vier Mal umziehen. So kam es, dass die Kurische Nehrung den Ruf einer Ödnis erlangte. Mit dieser Erwartung kam Wilhelm von Humboldt anläßlich einer Inspektionsreise zu seinen Schulsprengeln, die ihn auch über die Landzunge führte, auf die Nehrung,und er äußerte sich höchst überrascht: “Die Kurische Nehrung ist so merkwürdig, daß man sie eigentlich ebensogut wie Spanien und Italien gesehen haben muß, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen soll.”[1]

Erst um 1900 gelang eine partielle Bändigung: die Wanderdünen wurden auf 12 % des heute litauischen Teils und 23 % des heute russischen Teils reduziert. Jetzt allerdings gibt es durch die nachhaltige Küstenbesiedlung keinen Nachschub an Sand mehr vom Samland. Die heute vorhandenen Dünen werden nach und nach ins Haff geblasen und mit dem berühmten Naturwunder ist es in absehbarer Zeit vorbei. Die Große Wanderdüne darf zu ihrem Schutz heute nur noch begrenzt betreten werden und gehört zum Kernbereich des Nationalparks „Kurische Nehrung“ zwischen Cranz und Pillkoppen, der seit 1987 besteht. Es gibt inzwischen mehrere Ökopfade mit Informationstafeln und Aussichtsplattformen, die die Besucher naturverträglich durch das Schutzgebiet führen. 70 % der Nehrung sind heute wieder bewaldet.

Auf der fast 100 km langen Landzunge zwischen Cranz und dem Memeler Tief nisten 256 verschiedene Vogelarten. Der helle Sand dient zudem den Zugvögeln aus dem Norden bei Ihrer Wanderung gen Süden als Orientierung und bietet dabei eine Flughilfe: über dem Sand erwärmt sich die Luft und es entstehen Aufwinde, die einen Kräfte sparenden Gleitflug entlang der langen Nehrung ermöglichen.

Außerdem sind 296 verschiedene Wirbeltierarten auf der Nehrung heimisch und es wachsen 1.194 verschiedene Pflanzenarten, darunter 170 Laub- und Nadelbaumarten. Der Sand auf der Westseite ist so fein, dass durch die Schritte der Besucher quietschende Geräusche hervorgerufen werden. Das ist der berühmte „singende Sand“ der Nehrung.

Das Kurische Haff entstand im Jungdiluvium als Süßwassersee, in den die Memel, Deime, Nomonienstrom/Wiepe, Gilge etc. ihre Wassermengen leiteten. Es ist etwa 1.600 qkm groß und 4 bis 7 Meter tief, im südlichen Abschnitt tiefer als im nördlichen. Durch das Memeler Tief entstand eine Verbindung zur salzhaltigen Ostsee, doch das Salzwasser dringt kaum bis in den südlichen Teil des Haffs vor. Durch den Zustrom der Flüsse liegt der Wasserspiegel des Haffs grundsätzlich höher als der der Ostsee, bei Nordwinden strömt sogar noch zusätzlich Wasser von der Ostsee in den Binnenbereich, was mit Überschwemmungen der Randbereiche verbunden sein kann. Über die Jahrhunderte war das Haff sehr fischreich. Es gar vor allem Aale und Neunaugen, Stinte, Zander, Quappen, Hechte und etliche andere Fischarten. Inzwischen gibt es Meldungen, die von Überfischung berichten.[4]

Das Kurische Haff war einst berühmt für seine eigenwillig gekennzeichneten Fischerboote. Bis zum Ende der deutschen Zeit gab es Kurenkähne und Keitelkähne, die sich in der Technik des Fischfangs unterschieden. Kurenkähne verwendeten das Kur(r)ennetz, ein dreiwandiges Zugnetz mit einer Länge von ca. 250 m, das von zwei Booten ausgebracht wurde. Das Netz nannnte man Kurre, weil es mit Hilfe des Kurrbaums offen gehalten wurde. Deshalb müssten diese Fischerboote eigentlich Kurrenkähne genannt worden sein, aber diese Bezeichnung hat sich nicht durchgesetzt. Keitelkähne fischten mit dem Keitel – einem trichterförmigen Schleppnetz – das unter Umständen größere und mit stärkerer Segelkraft ausgestattete Boote erforderte.[3]

Eine königliche Verordnung von 1844 verpflichtete die Fischer, ihre Boote mit festgelegten Farbkombinationen gestaltete Flaggen am Topmast als Hinweis auf ihren Heimathafen auszustatten. Dadurch sollte dem Fischereiaufseher die Kontrolle der Einhaltung von Fischerei-Vorschriften (Meiden von Laichgebieten, Einhaltung der Schonzeiten, Verwendung zugelassener Maschendichten bei den Netzen etc.) erleichtert werden. Daraus entwickelte sich der berühmte Kurenwimpel, Schnitzwerke aus weichem Holz in einem Leistenrahmen oder aus Metall gefertigt, zwei Fuß lang und ein Fuß breit[2], mit Motiven der Haffregion.

Die Kurische Nehrung ist dicht an Ölfördergebieten gelegen. 22 km vor ihrer Küste befindet sich eine Ölplattform der Firma Kaliningradmorneft, Tochtergesellschaft des russischen Ölriesen LUKOIL. Das Rohöl wird durch ein Bohrlochsystem aus einer Tiefe von 2300 Meter geschöpft und durch eine Unterwasserleitung an Land in die Tanks der bei Ishewskoje, Gebiet Kaliningrad, gelegenen Umschlagrampe gepumpt. Kaliningradmorneft plant, bis Jahresende 2004 rund 70.000 Tonnen Öl vom Meeresgrund zu fördern. Das Gesamtvorkommen von Öl im Gebiet wird auf 10 Millionen Tonnen geschätzt, was für etwa 30 Jahre Förderung reichen soll (Königsberger Express, 1. 11. 2004). 2005 sollen erstmals die 650.000 möglichen Tonnen gefördert werden. Das Öl wird über eine 47 km lange Pipeline zu einer Umschlagstation in Zimmerbude gefördert und dann auf Tankern verladen. Es ist dem Vernehmen nach außerordentlich rein und von guter Qualität. Allerdings haben die Umweltschützer große Bedenken, dass irgendwann ein Unglück eintreten und dann den ganzen Naturpark Kurische Nehrung schädigen könnte.[5]


[1] zitiert aus Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 48
[2] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 390
[3] Wikipedia sowie Ostpreußische Familie in Oprbl. Nr. 41/2012, S. 14
[4] Heimatbuch Labiau, S. 14
[5] Walter Mogk, Presse – Opr-forum 2.8.2005