In der 2. Hälfte des 19. Jhs. hielt auh in Allenstein die industrielle Entwicklung der damaligen Zeit Einzug. Als Erstes entstand im südöstlichen Bereich der Stadt 1852 eine Brauerei, gegründet von August Blockhagen. Eine andere Brauerei, die von F. W. Hermenau, entstand im selben Jahr nahebei. Es folgten in der Nachbarschaft das Sägewerk und die Mühle von Hernenau, die Maschinenfabrik und Eisengießerei Wolfram, später firmierend als “A. Franke” und dann als “Beyer & Thiel”, das Sägewerk von Raphaelson und Frankenstein, die Brauerei Rhode-Streit, eine Essig- und Senffabrik und eine Seifen- und Sodafabrik. An der Alleschleife etablierte sich in den 1880er Jahren das Sägewerk von Józef Orlowski, neben dem die Brüder Raphaelson ihren Sägebetrieb bauten, der heute noch steht. Weiterhin folgte daneben ein Gaswerk. In jener Zeit galt die Holzindustrie als eine herausragende Spezialität Allensteins.
Einer der unternehmungsfreudigen Unternehmer der Wende zum 20. Jhs. war der Inhaber des örtlichen Zementwerks, Max Hesse. Er ließ auch ein prächtiges Miethaus am Kopernikusplatz errichten, das gerade von 2012 – 2016 restauriert wurde und jetzt wieder eine Zierde der Stadt ist. Das einstige Miethaus ist heute ein Bürogebäude und stand lange und vielleicht noch zum Verkauf.
Die wirtschaftlich schwierige Zeit nach dem 1. Weltkrieg kostete etliche Allensteiner Gewerbebetriebe ihre Existenz. Der Holzhandel ging zurück und die Gebrüder Raphaelson verkuaften 1929 ihr Sägewerk an die “Städtischen Betriebswerke Allenstein GmbH”. Die machten aus der Fabrikhalle des Sägewerks eine Lagerhalle. Die Raphaelsons, eine jüdische Familie, die vor noch nicht langer Zeit zu den geachtetsten Bürgern Allensteins gehört hatten, unterlagen in der Nazuzeit den üblichen Repressalien. Viele ihrer Mitglieder wurden in Auschwitz ermordet.
Nach dem 2. Weltkrieg übernahm der Staat das Gaswerk und richtete im ehemaligen Sägerwerk der Raphaelsons bis 1971 ein Depot für Busse und Trolleybusse ein. Das Gaswerk wurde geschlossen und 1978 abgerissen, die Sägewerkshalle wieder zum Warenlager gemacht. Am Beginn des 21. Jhs. nahmen Pläne Gestalt an, die Industrieimmobilie abzureißen. Dagegen richtete sich erheblicher öffentlicher Widerstand mit der Folge, dass man 2007 das alte Sägewerk unter Denkmalschutz stellte. Nunmehr will man daraus ein regionales Technik- und Industriemuseum machen.[1]
[1] Lech Kryszalowicz, Letztes Zeugnis der technischen Revolution, in Mitteilungsblatt der deutschen Minderheit in Ermland und Masuren, April 2011, S. 20