Beim Ausbaggern der Fahrrinne im Kurischen Haff förderte man 1855 und in der Folgezeit größere Mengen Bernstein zu Tage. Der Unternehmer Wilhelm Stantien aus Memel erkannte darin die Chance für ein einträgliches Geschäft und einigte sich 1860 mit der Regierung darauf, die notwendigen Baggerarbeiten für die Fahrrinne auf eigene Rechnung und für den Staat kostenlos durchzuführen und dafür den Bernsteinertrag für sich zu behalten. Außerdem erhielt der Staat eine Gebühr für das Baggerrecht. Das Geschäft lohnte sich für beide Seiten. Stantien begann mit drei geliehenen Handbaggern und verfügte nach wenigen Jahren über 22 dampfbetriebene eigene Bagger, die von einer Mannschaft von 600 Leuten bedient wurden.
Der umtriebige Friedrich Wilhelm Stantien, geboren 1817 in Stolbeck bei Tilsit, war zunächst Kahnschiffer, dann Mühlenbesitzer und seit 1854 Gastwirt in Memel. 1860 gründete er zusammen mit seinem ehemaligen Angestellten und dann Teilhaber Moritz Becker die Firma Stantien & Becker, die bei der Bernsteingewinnung im Samland Geschichte machte.
Von 1860 – 1890 förderte man im Kurischen Haff durchschnittlich 75 Tonnen pro Jahr, davon im besten Jahr 1868 gut 94 Tonnen, dann lohnte sich diese Art der Bernsteingewinnung nicht mehr. In dieser Zeit nahm das kleine Fischerdorf Schwarzort einen bemerkenswerten Aufschwung mit Hafenanlagen, Schiffswerft, Wohngebäuden etc.
An der Nordküste des Samlands war die Gegend von Sassau, östlich von Rauschen, am ergiebigsten für die Bernsteingräberei. Dort grub man bis zu 3 Tonnen jährlich aus. Zuletzt gehörte die Grube zu Stantien & Becker, die aber 1875 den Betrieb eingehen ließ.
Moritz Becker (1. 5. 1830 – 25. 8.1901) wurde als Sohn armer jüdischer Eltern in Danzig geboren. Er arbeitete zunächst als Hausierer und Kaufmann. Zum Bernstein kam er als Angestellter des Memeler Gastwirts Wilhelm Stantien bei der Ausbeutung der Bernsteinlager bei Prökuls. 1858 rückte er zu dessen Teilhaber auf. Als solcher richtete er die Bernsteinbaggerei im Kurischen Haff bei Schwarzort ein, die sich als sehr gewinnbringend erwies.
1871 schied Stantien aus und Becker führte die Geschäfte allein weiter. Schon im 18. Jh. versuchte man, Bernstein bergwerksmäßig zu gewinnen. Nach vorbereitenden Untersuchungen 1865/66 gestattete die Regierung der Firma Stantien & Becker, inzwischen eine Aktiengesellschaft im alleinigen Besitz von Moritz Becker, am 20. 5. 1875 die Anlage eines Bergwerks zur Gewinnung von Bernstein im Tagebau. Der Versuch war von Erfolg gekrönt und der Staat partizipierte daran: die Pacht stieg von anfänglich 40.000 RM im Laufe der Zeit auf 800.000 RM/Jahr. Erster Bernsteinschacht war die Grube Palmnicken, die aber 1896 erschöpft war. Dann folgte die Grube Anna nördlich des Kraxtepeller Fließes, die bis 1923 ausgebeutet werden konnte.
Er erhielt als höchst erfolgreicher Unternehmer den Titel Kommerzienrat, später Geheimer Kommerzienrat. Als der Preußische Staat sich 1899 entschloss, das Bernsteinregal wieder selbst auszuüben und die Pacht gegen eine Abfindung von 8 Mio. Reichsmark an Becker beendete, wurde sein Vermögen auf 14,5 Millionen Reichsmark geschätzt. Er wohnte schon in den letzten Jahren in Wien, siedelte dann nach Berlin über und starb während eines Kuraufenthalts in Heringsdorf.
Sein Ururenkel Ludwig Becker (geb. 1935), noch in Palmnicken geboren, besitzt neuerdings ein frisch renoviertes Haus in Palmnicken, das als Hotel eröffnet wurde. Der russische Bürgermeister Alexander Blinow möchte den Ort mit seinen rund 6000 Einwohnern zu einem Touristenzentrum ausbauen und bei der Restaurierung des Ortes möglichst so authentisch verfahren, dass Palmnicken wieder – fast – so aussieht wie früher. Der Becker-Nachfahr will ihm dabei helfen. Das ehemalige Jägerhaus, ein schlossähnliches Gebäude, soll ein Hotel werden. Der verwilderte Park wird nach alten Plänen umgestaltet. Die 1892 eingeweihte Kirche ist bereits renoviert. Und in dem 2007 eröffneten Heimatmuseum, einem ehemaligen Gutshof, sind Erinnerungsstücke aus deutscher Zeit zu sehen: Alte Fotos, Dokumente, Bierkrüge und Porzellan. Darunter eine Figur, die Reichspräsident Paul von Hindenburg und einen Soldaten mit Pickelhaube zeigt.[1]
[1] Rheinischer Merkur, 8. 5. 2008