Rauschen

Geschichte von Svetlogorsk – Rauschen

1258 erfolgte die erste urkundliche Erwähnung der prußischen Siedlung „Rusemoter“. Den Teich gab es damals noch nicht und wann er sich bildete, ist nicht bekannt.[1] Der ordenszeitliche Ort lag am südlichen Ufer des etwas landeinwärts befindlichen Mühlenteichs (russisch: tichoje osero), wobei das prußische „moter“ für feuchtes, sumpfiges Tal oder auch Loch oder Höhle steht. Das vielleicht hier gemeinte feuchte Tal könnte auf die Katza-Gründe hinweisen. Diese Auslegung der prußischen Bezeichnung ist durch nichts nachgewiesen, doch geht man allgemein von dieser Interpretation aus.[2] Demnach machten die Ordensritter aus Rusemoter„Rauschen”. Eine andere Version der Namensfindung geht vom Namen eines früheren Besitzers aus: 1458 erhielt Albrecht von Rawschen einen Besitz aus den Ländereien von Sassio, später Sassau. Aus diesem Familiennamen könnte sich der Ortsname abgeleitet haben, zumal sich Rauschen auf dem Gelände von Sassau entwickelte. Sassau wurde 1905 zu Rauschen eingemeindet.[3]

Die Ritter stauten den Katzbach zum Mühlenteich auf und betrieben hier eine der größten Ordensmühlen des Samlands. Noch im Mittelalter siedelten sich an der Küste des Samlands, so auch hier, Kurische Fischer aus Lettland an.

Rauschen an der Nordküste des Samlands war als Kurort und Seebad seit dem 19. Jh. und insbesondere nach dem Anschluss an die Eisenbahn 1895 oder 1900 höchst populär, und zwar beim eher bürgerlichen Publikum. Als Beginn der Existenz als Seebad gilt das Jahr 1819. Es entstanden immer mehr hübsche Sommerhäuser und Villen oder einladende Pensionen. Man unterschied das Wohn- und Geschäftsviertel Rauschen-Ort (heute Svetlogorsk I) und das Badeviertel Rauschen-Düne (Svetlogorsk II). Cobjeiten/Kobjeiten und Sassau wurden 1901 nach Rauschen eingemeindet.

Einige Jahrzehnte lang im frühen 19. Jh. war allerdings die Umgebung von Rauschen abgeholzt und demzufolge öde und langweilig. Diesen unschönen Zustand beendete König Friedrich Wilhelm IV., als er bei einem Besuch in Rauschen 1840 die Wiederaufforstung insbesondere südlich des Mühlenteichs anordnete. Der Aufstieg Rauschens zum renommierten Badeort begann mit dem Bau der Samlandbahn. 1900 wurde der Bahnhof Rauschen-Ort, 1904 der Bahnhof Rauschen-Düne an der Ostseeküste gebaut.[7]

Ein Serpentinenweg führte von dem auf der Steilküste gelegenen Ort zur Ostsee hinunter. Später bot eine elektrisch betriebene Drahtseilbahn den bequemeren Auf- oder Abstieg, um die Höhendifferenz von 43 Metern zu überwinden. Sie wurde 1912 von der Ostdeutshen Eisenbahngesellschaft installiert und 1917 von der Gemeinde Rauschen übernommen. Diese existiert nicht mehr, aber als Ersatz gibt es einen Turm mit Fahrstuhl zum Strand sowie eine neue kleine Seilbahn im westlichen Abschnitt. Der Strand ist geröllarm. An der Stelle der ehemaligen Venusschlucht verbindet heute eine repräsentative Treppenanlage den oberen Wohnbereich mit der Strandpromenade und dem Strand.

Prominente Besucher waren die Dichter und Schriftsteller Ernst Wichert, sein Freund Felix Dahn, Hermann Sudermann, Ferdinand Gregorovius, Otto Nicolai, Louis Passarge. Käthe Kollwitz besaß in Rauschen ein kleines Sommerhaus. Thomas Mann verlebte hier vom 29. 7. – 23. 8. 1929 die Sommerferien mit seiner Frau Katja und den Kindern Elisabeth und Michael. Hier entstand seine Novelle „Mario und der Zauberer”, die er, entgegen seinen Gewohnheiten, auf den Knien schreibend im Strandkorb verfasste. Die Erzählung von einem Hypnotiseur, der junge Menschen willenlos macht und als seine Marionetten auf der Bühner vorführt, war eine Parabel auf Hitler und seine demagogischen Fähigkeiten, mit denen er seine Anhänger an sich band. Daraus ergab sich der Anlass, dem berühmten Dichter am 6. 6. 2003 einen Gedenkstein zu widmen, der in Anwesenheit von Günter Grass eingeweiht wurde. Der Findling wurde gestaltet von den Kaliningrader Bildhauern Ludmila Bogatowa und Oleg Salnikow. Er steht dort, wo der Serpentinenweg zum Strand beginnt, vor dem Haus, das Mann damals vermutlich bewohnte.

Die Gemeindefläche von Rauschen vergrößerte sich im Laufe der Zeit durch die Eingemeindung vorn Cobjeiten, Kirtigehnen und Sassau. Cobjeiten wurde erstmals 1310 urkundlich erwähnt. Die dort existierenden Bauernhöfe wurden im Laufe des 19. Jhs. zu einem 75 ha großen Gut zusammengefasst und dieses 1928/29 von einem Rudolf Zanger aus einer Zwangsversteigerung erworben. Kirtigehnen, erstmals urkundlich erwähnt 1405. war ein Cölmisches Dorf mit Bauern, und Bauernwirtschaften gab es dort noch bis 1945. Die Ländereien von Sassau dagegen konnten landwirtschaftlich kaum genutzt werden, weil sie zum großen Teil aus Sandwüsten bestanden. Aus denen entwickelte sich jedoch der damals schöne Badestrand von Rauschen-Düne[4]

IIm 2. Weltkrieg wurde Rauschen kaum zerstört, weswegen sich viele alte Villen erhalten konnten. In sowjetischer Zeit wurde Rauschen 1947 umbenannt in Swetlogorsk und erhielt Stadtrechte. Otradnoje – Georgenswalde wurde eingemeindet. Im ehemaligen Volksbad hatte sich jetzt die Nomenklatura, die High Society der Kommunistischen Partei, angesiedelt. Rauschen wurde das beliebteste Seebad der Russen im Oblast, das Sotschi des Nordens. Die Bebauung der deutschen Zeit wurde weitestgehend beibehalten und die Häuser sehen durchweg gepflegt aus. Inzwischen ist Rauschen auch Heilbad für Erkrankungen des Herz-, Kreislauf- und Nervensystems. Seit 1998 besitzen verschiedene bekannte Russen in Rauschen Grundstücke mit Meerblick oder nahe dem Meer. Reiche Villenbesitzer in Rauschen waren z. B. der Generaldirektor der Autofirma „KIA-Baltika“, Walerij Sokolow aus Moskau, der Generaldirektor der Firma „Awtotor“ Heinrich Tomaschewski aus Königsberg, der Direktor dieses Werkes Wladimir Rindin, dazu die größten Zigarettenhändler des Königsberger Gebiets und der Chef der größten Königsberger Molkerei.

Wie früher ist Rauschen auch heute zweigeteilt. Die eigentlichen Bewohner leben in Swetlogorsk I, dem alten Rauschen-Ort am Rauschener Mühlenteich, und das Strandleben findet in Swetlogorsk II, Rauschen-Düne, statt.

In der Umgebung von Rauschen befindet sich die “Gausupschlucht“ als Grenze zu Georgenswalde mit baumbestandenen Abhängen und kahlen Steilhöhen, die als eine der großartigsten Schluchten entlang der Samlandküste galt[5], sowie die „Kordollingschlucht“ im Westen von Rauschen, wo einst viele Uferschwalben nisteten. Das „Katzatal“ – auch Katzengründe genannt, von der Katza durchflossen, ist eigentümlich schön. Von der „Loppöhner Spitze“ zwischen Rauschen und Neukuhren hatte man eine umfassende Aussicht entlang beider Richtungen der nördlichen Küste. Insbesondere der Küstenabschnitt von der Loppöhner Spitze bis Brüsterort zählte zu den landschaftlichen Glanzpunkten Ostpreußens.[6]

Im Jahr 2005 wurde das 5-Sterne-Hotel „Grand Palace direkt auf der Strandpromenade eröffnet.



[1] Hans-Georg Klemm, Die Fischerei in Rauschen, Unser schönes Samland, Sommer 2015, S. 47
[2] Hans-Georg Klemm, „750 Jahre Rauschen und andere samländische Orte“, Unser schönes Samland, Frühling 2008, S. 35 ff
[3] Hans-Georg Klemm, Die Fischerei in Rauschen, Unser schönes Samland, Sommer 2015, S. 47
[4] Hans-Georg Klemm in Unser schönes Samland, Sommer 2008, S. 16
[5] Albert Zweck, Samland, Pregel- und Frischingstal, S. 22
[6] Albert Zweck, Samland, Pregel- und Frischingstal, S. 20
[7] Hans-Georg Klemm, Erinnerung an Rauschen, Unser schönes Samland, Herbst 2023, S. 12 f