Prominente Gumbinner

Richard Friese (15. 12. 1854 – 29. 6. 1918), wurde in Gumbinnen als Sohn eines Regierungsbeamten geboren und starb in Bad Zwischenahn. Berühmt geworden ist er durch seine Tierbilder und seine bronzenen Tierplastiken wie dem kapitalen Sechzehnender bei der Hubertus-Kapelle des kaiserlichen Jagdschlosses Rominten, dessen Vorbild Wilhelm II. erlegt hatte. Nach der Schulzeit und anfänglicher Hilfstätigkeit beim Magistrat in Gumbinnen ging er 1871 nach Berlin. Dort machte er eine Ausbildung als Lithograph und studierte von 1877 – 1880 an der Kunstakademie. Anschließend eröffnete er ein eigenes Atelier in der Hauptstadt. Dort arbeitete er so erfolgreich, dass man ihn 1892 in die Akademie der Künste berief und 1896 zum Professor ernannte. Er reiste viel, so nach Syrien und Palästina, nach Norwegen, Spitzbergen, auf die Polarinseln, nach Kanada. Seine Motive fand er aber auch in Ostpreußen – im Ibenhorster Forst, dem Großen Moosbruch, der Rominter Heide und der Memelniederung. Neben Werken der Malerei wie dem „Röhrenden Hirsch“ oder „Frühmorgens in der Rominter Heide“ (heute im Ostpreußischen Landesmuseum, Lüneburg) schuf er viele Tierplastiken, so auch die nicht mehr existierenden Hirschfiguren auf der Hirschbrücke in Rominten.

Der weltweit bekannter Raubtier-Dompteur und Direktor des Zirkus Barum Gerd Siemoneit (6. 3. 1931 – 20. 7. 2021) kam als Sohn eines Zeitsoldaten und Kantinenpächters in der Gumbinner Kaserne in militärischer Umgebung zur Welt. Schon als Kind entwickelte er ein großes Interesse für Tiere, so für die Pferde, denen er verschiedentlich in seiner Heimatstadt begegnete, z. B. vor Kutschen oder den Bierwagen oder für die Welt des Zirkus, von denen verschiedentlich einer durch Gumbinnen kam.  Die Circus-Sucht erwischte ihn schon, als er als l3jähriger den 1942 gedrehten Circus-Film ‘Die große Nummer ’mit Rudolf Prack gesehen hatte. Er wollte jetzt Tierlehrer oder Raubtierdompteur oder Circus-Direktor werden. Seine bisherigen Berufswünsche, Tierarzt oder Förster, verwarf er zum Leidwesen meiner Eltern. Sie hatten sich schon damit abfinden müssen, dass ihr ältester Sohn keine berufliche Laufbahn mit Pensionsberechtigung einschlagen und auch nicht in die Fußstapfen des Vaters als Kantinenpächter in den Gumbinner Kasernen treten wollte. In seinem Beruf wollte er mit Tieren zu tun haben. Das wussten seine Eltern, weil sie ihren tiernärrischen Sohn fast nur noch in den Reitställen der Kasernen antrafen.

Der Vater fiel im Krieg. Die Mutter flüchtete mit den Kindern, zunächst nach Dresden, wo Gerd im Februar 1945 die Zerstörung der Stadt mitsamt dem berühmten Circus Sarrasani miterlebte. Später ging es nach Hamburg, wo sich der 15-Jährige keinen anderen Beruf als den des Zirkusartisten denken konnte. Aber er sollte Drucker werden.

Er verließ die Mutter und heuerte beim Zirkus Williams an – als Stallbursche. Den Umgang mit Pferden hatte er noch vom Vater gelernt. Gerds Talent wurde entdeckt, er ging 1948 zum Zirkus Kreiser-Barum, wurde zum Jockey ausgebildet und gründete mit zwei jungen Kollegen eine akrobatische Pferdenummer. 1950 beendete ein Huf Tritt gegen das Knie seine Jockey Karriere, die gerade erst begonnen hatte. Ein gutes Jahr später 1952 konnte er von Sepp Wiesner fünf Tiger und Löwen übernehmen – im alten Stil, der den mutigen Bezwinger im Vordergrund sah. Wenig später vertraute ihm der dänische Zirkus Benneweis Raubtiere an, mehrere Gruppen hintereinander. Engagements beim Circus Apollo folgten, Gastspiele in Südosteuropa – und schwere Verletzungen. Ende der fünfziger Jahre folgte eine große gemischte Raubtiergruppe, mit der er wieder für Benneweis arbeitete. 1962/63 kaufte er eigene Tiere – Löwen, Tiger, Leoparden und den berühmten schwarzen Panther Onyx. “Onyx” sprang ihm aus drei Metern Höhe in die Arme. Das war der Durchbruch. Siemoneit wurde von Knie und anderen berühmten Zirkussen engagiert.
1970 übernahm “GSB” den Fundus des bereits 1968 eingestellten Zirkus Barum und machte sich als “Circus Safari” selbstständig. Das ging schief. Im zweiten Anlauf entstand 1972 nach notariellen Verhandlungen mit der Erbengemeinschaft der verstorbenen Direktorin Margarete Kreiser-Barum der Circus Barum neu. Mit dem Erwerb der Rechte an dem Namen Barum konnte er sich nunmehr Siemoneit-Barum nennen und der Circus Safari firmierte fortan als Circus Siemoneit-Barum. Jetzt wurde er einer der ganz wenigen großen und seriösen Zirkusunternehmen in Deutschland. Siemoneit wurde ausgezeichnet: zwei Preise beim Internationalen Zirkusfestival in Monte Carlo, darunter der „Silberne Clown“, die höchste Auszeichnung der Zirkuswelt, die ihm von Fürst Rainier II. überreicht wurde. Außerdem erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Mit der Saison 2001 beendete Gerd Simoneit-Barum seine Karriere als Dompteur und 2008 stand er das letzte Mal als Zirkusdirektor in der Manege. Wenig später endeten die Vorstellungen des Circus Barum.

Gerd Siemoneit-Barum heiratete 1975 Rosalind, eine englische Schauspielerin, Tänzerin und Sängerin. Mit ihr hatte er die Kinder Rebecca, geb. 1977, und Maximilian, geb. 1982. Rebecca ist durch die ARD-Fernsehserie “Lindenstraße” in der Rolle der burschikosen Iffi Zenker so bekannt wie einst der Vater. Ihr Ehemann, der  Schweizer Luftakrobat Pierre Bauer, stammt aus einer Familie von Hochseilartisten. Als der Zirkus Siemoneit-Barum seinen Betrieb einstellte, übernahm Rebecca mit ihrer Firma Barum & Bauer Performance GmbH einen Teil der Tierbestände und der Mitarbeiter.

In Gumbinnen starb der Dichter des Masurenliedes, Prof. Friedrich Dewischeit (1805 – 1884), der hier seine letzte Anstellung als Lehrer gefunden hatte. Er wurde in Königsberg als Sohn eines Stadtpolizeikommissars geboren, war von 1829 – 1876 Lehrer in Lyck, Hohenstein und zuletzt in Gumbinnen. Das Lied, ursprünglich als Wanderlied gedacht, entstand im Zeitraum von 1835 – 1840 und wurde das bekannteste seiner 5 Masurenlieder und das Nationallied der Masuren: „Wild flutet der See! Drauf schaukelt der Fischer den schwankenden Kahn………..O Heimatsland, Masoviens Strand, Masovia lebe, mein Vaterland!“

Bernhard Thiersch (26. 4. 1794 – 1. 9. 1855), der Schöpfer der Preußischen Nationalhymne „Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben?“, war u. a. in Gumbinnen als Gymnasiallehrer tätig. Das Lied entstand 1830.

Max Finkelstein (1. Mai 1925 – 24. 1. 2012) wurde in Gumbinnen als Sohn einer großbürgerlichen jüdischen Familie geboren, die ein Kaufhaus in der Königsstrasse 2 und das Hotel Kaiserhof besaßen, das heute noch existiert. 1935 zog die Familie nach Berlin in der Hoffnung, in der großstädtischen Anonymität untertauchen zu können. Dort starb der Vater. Ende Juli 1939 konnte Max gerade noch mit einem Kindertransport nach Schweden entkommen, während die Mutter schweren Herzens allein mit einem Visum über Genua nach Bolivien flüchtete. Max reiste im März 1941, kurz vor Einmarsch der Deutschen in die Sowjetunion, nach dem auch er ein Visum erhalten hatte, mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Wladiwostok und von dort auf abenteuerliche Weise über Ostasien, die Südsee und die USA zur Mutter nach Bolivien. Der Anfang war für beide hart. Die Mutter, an Chauffeur und Köchin gewöhnt, verdiente etwas Geld mit einem Mittagstisch für Emigranten. Max arbeitete als Krokodiljäger, Gefängnisaufseher und Minenarbeiter. Aber die beiden bissen sich durch, wechselten 1948 nach Argentinien, wo Max sich zu einem passablen Geschäftsmann entwickelte und eine Anstellung als Journalist bei einer deutschsprachigen Zeitung fand und in der Folge als Chefredakteur und Herausgeber die Zeitung „Semanario Israelita“ übernahm. Deutschland ließ ihn jedoch nicht los und er kehrte nach Berlin zurück. Hier erhielt er für seine journalistische Brückenschlagfunktion zu Deutschland das Bundesverdienstkreuz erster Klasse von Bundespräsident Richard von Weizsäcker verliehen. Max Finkelstein starb am 24. 1. 2012 in Berlin. (Literatur: Kerstin Emma Schirp “Jude, Gringo, Deutscher – Das abenteuerliche Leben des Werner Max Finkelstein”, Books on demand, Berlin 2002 ISBN-10 3831141665, ISBN-13 9783831141661)

Jerry Lindenstrauss (geb. 1929), Sohn von Jakob Lindenstrauss, bis zur quasi Enteignung 1933 Vorstand einer wohlhabenden Gumbinner Familie, gelangte mit den letzten Schiffskarten, die sein Vater für sich und einige Familienangehörige ergattern konnte, nach Shanghai und zog von dort 1947 zu seiner Mutter nach Kolumbien. Als diese gestorben war, siedelte er um in die USA, wo er ein erfolgreicher Geschäftsmann wurde. Sein Schicksal ist beschrieben unter dem Titel “Von Ostpreußen über Shanghai und Kolumbien nach New York” in dem Buch “Überall nicht zu Hause. Jüdische Schicksale im 20. Jahrhundert”, herausgegeben von Erhard Roy Wiehn.

Der Bildhauer Arthur Steiner (2. 7. 1885 – 24. 9. 1960) wurde als Sohn des Schuhmachermeisters Johann Steiner in Gumbinnen geboren. Er verließ mit 15 Jahren die Realschule in Gumbinnen und machte eine kaufmännische Lehre in einer Wildhandlung. 1903 ging er nach Königsberg, wo er sich auf Kunstausstellungen autodidaktisch das Malen beibrachte. Er hatte Erfolg und konnte auf einer Ausstellung als erstes Bild ein Jagdstück verkaufen.

Ende der 1920er Jahre machte er sich daran, einen stehenden Elch zu modellieren. Da er die Technik noch nicht ausreichend beherrschte, wurde daraus ein sitzender Elch, doch der gelang so gut, dass die Majolikafabrik in Cadinen das Modell ankaufte. In den nächsten 17 Jahren nahm die Majolikafabrik noch weitere Werke – Reh, Enten, Uhu, spielende Bären – von ihm ab. Kämpfende Hirsche und Elche bis 1 m Länge gingen als Geschenk an Kaiser Wilhelm II. nach Doorn. Weitere Werke waren ein Jungbrunnen für Tilsit, Kriegerdenkmäler u. a. für Lasdehnen, eine Plastik des Kaltbluthengsts Germinal de Beck, eine Bronzebüste von Prof. Thienemann in Rossitten, ein Hindenburgkopf etc. Prof. Stanislaus Cauer hielt so große Stücke auf Steiner, dass er ihm bei seinem Tod sein gesamtes Werkzeug und seinen Vorrat an Marmor hinterließ.

Bekannt ist seine Skulptur eines Orang Utan, die auch heute noch im Zoo von Königsberg steht. 1939 schuf er die Figur eines Kindes mit zwei Kätzchen. Dieses schenkte seine Enkelin Barbara Kuntz-Steiner jüngst dem Meeresmuseum in Kaliningrad.

Nach Flucht und Vertreibung wurde Steiner in Erfurt sesshaft, wo er 1951 nach dem Tod der ersten Frau 1948 seine Schülerin Liselotte Backschies heiratete. Seinen Lebensabend verbrachte er in Lychen.

Seine Frau Liselotte Steiner schuf noch in Königsberg eine ähnliche Figur: “Knabe mit Katze”. Sie ist aus Muschelkalk und stand mindestens seit der Nachkriegszeit in der Kommunalnaja Straße 77 in Kaliningrad, aber mit abgeschlagenem Kopf. Vielleicht ist die Figur inzwischen restauriert, wie es beabsichtigt war.[1]

In Gumbinnen hatte die spätere Firmenchefin von ARWA, Ursula Thierfelder (20. 5. 1923 – 26. 8. 2000), ihre familiären Wurzeln. Geboren wurde sie in Gumbinnen als Tochter des Automechanikers Heinz Thies. Ihr Großvater August Thies (geb. 1860) stammte aus Judtschen/Kanthausen und heiratete 1889 in Stettin Elisabeth Strüwing, die Nachfahrin eines schwedischen Adelsgeschlechts. Ursula besuchte die Cäcilienschule in Gumbinnen und ein Internat in Insterburg und wollte Modedesignerin werden. Der Krieg brachte aber alles durcheinander. Nach der Flucht lernte sie in Berlin den Strumpffabrikanten Hans Thierfelder (1913 – 1987) kennen und die beiden heirateten. Die Familie des Mannes besaß eine Produktionsanlage in Chemnitz, wo Vater Paul Thierfelder den Strumpf erfunden hatte, den man in einem Arbeitsgang herstellen konnte. Diese Fabrik wurde enteignet. In den Westen übergesiedelt errichtete Hans Thierfelder in Bischofswiesen bei Berchtesgaden die ARWA-Strumpfwerke. Der Name bezog sich auf die Anfangsbuchstaben des Großvaters und seines Sitzes, August Robert Wieland in Auerbach im Erzgebirge, der bereits erfolgreich Strümpfe produziert hatte. Das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit brachte auch der neuen Strumpffabrik mit ihren modernen Perlonstrümpfen eine stürmische Entwicklung. 1953 galt sie als größte deutsche Feinstrumpffabrik mit einem Marktanteil von 20 Prozent und einer Produktion von 10 Millionen Paar Strümpfen pro Jahr. Ursula Thierfelder trug mit ihrem Verkaufstalent viel zum Erfolg des Unternehmens bei. Nach dem Tod ihres Mannes verkaufte sie das Unternehmen und zog sich ins Privatleben zurück. Sie wurde neben ihrem Mann in Bischofswiesen begraben.[2]

Der dynamische Bürgermeister Nikolaj Zukanow (geboren 22. 3. 1965 in Lipowo – Kulligkehmen/Ohldorf bei Gumbinnen), ab 23. 10. 2010 Gouverneur der Oblast Kaliningrad, Inhaber der Firma „Amatel“, der das Gebäude der Neuen Regierung gekauft hat, kümmerte sich persönlich um das Erscheinungsbild der Stadt und suchte Wege, die noch vorhandene deutsche Architektur zu erhalten.

In Verfolg dieser Absicht hat Zukanow den Bremer Architekten Edward Stura, der als Professor am Nordwest-Niedersachsen-Institut tätig ist, zur Begutachtung eingeladen. “Trotz der Tatsache, dass die meisten Gebäude in unserer Stadt neu gebaut sind”, sagte Nikolai Nikolaiewitsch Zukanow, “möchten wir gerne den ursprünglichen architektonischen Stil der Stadt beibehalten: die Häuserfassaden restaurieren, dem Zentralplatz unserer Stadt einen einheitlichen Baustil verleihen. Deshalb haben wir Herrn Stura gebeten, uns als Berater dabei behilflich zu sein.” – und der Professor hat vorgeschlagen, zunächst die noch in größerem Umfang vorhandene Bausubstanz in der einstigen Bismarckstrasse zu restaurieren. Allerdings benötigt man dafür erhebliche finanzielle Einsätze und nach denen wird gesucht. Die Verschönerung des Platzes, auf dem heute der Gumbinner Elch steht, ist auch ein Beitrag in dieser Richtung. Seitdem hat sich in Gumbinnen viel getan, um der Stadt wieder ein Gesicht zu geben. Daneben gibt es auf kommunaler Ebene Hilfen von der Partnerstadt Bielefeld, die z. B. Straßenlaternen und ein Feuerwehrauto gespendet hat.

Der Organist Arthur Altmann (7. 2. 1873 – 1941/ 1944) wurde als ältester von drei Söhnen einer jüdischen Familie in Gumbinnen geboren. Um die Wende zum 20.Jh. absolvierte er ein Musikstudium in Köln. Ab 1901 war er in Königsberg ansässig und wirkte als Organist an der Hofkirche und arbeitete ab 1901 als Musikschullehrer an einem Lyzeum.. Später konvertierte zum christlichen Glauben. Er war Lehrer am Königsberger Konservatorium, an der Musikalischen Akademie und gründete und leitete die Altmannsche Madrigalvereinigung. Von 1912 – 1936 war er Organist an der Burgkirche. Die Nationalsozialisten erwirkten 1935 oder 1936 seine Vertreibung aus allen musikalischen Ämtern. Nunmehr musste er sich seinen Lebensunterhaklt als privater Musiklehrer verdienen Er war verheiratet, aber kinderlos. Als am Anfang der 1940er Jahre die Repression der Juden immer stärker wurde und als die Deportationen der Juden aus Königsberg begannen, flüchtete er in ein samländisches Dorf in Küstennähe und dann verliert sich seine Spur.[3]

[1] Gumbinner Heimatbrief, Dezember 2015, S. 88/89
[2] Siegfried Schmidt, Ursula Thierfelder geb. Thies aus Gumbinnen. Die Geschichte eines großen Unternehmens: ARWA, Gumbinner Heimatbrief Dez. 2006, S. 71 ff
[3] Prof. Hans Huchzermeyer in Ostpreußische Familie von Ruth Geede, Oprbl. Nr. 49/2016 (9. Dezember), S. 14