Balga

Geschichte der Burg in Wesjoloje – Balga

Nachdem Elbing 1237 gegründet worden war, unternahm man 1238 mit den Schiffen „Pilgrim“ und „Fridelant“ eine Erkundungsfahrt entlang der Haffküste zur Erkundung des weiteren Vormarsches. Am Ort des späteren Balga entdeckte man auf dem 30 m hohen Steilufer eine Prußenfestung der Warmier, die Burg Honeda, die anzugreifen man jedoch nicht stark genug war. Erst 1 Jahr später, 1239, eroberte ein Heer des Ordens unter Dietrich von Bernheim diesen Stützpunkt und so feierte man 1989 die 750. Wiederkehr der Gründung von Balga. Der Widerstand der hier sesshaften Warmier war heftig und angeblich erst der Verrat durch einen prußischen Edlen namens Kodrune ermöglichte die Überrumpelung der Burgbesatzung. Die Lage der Burg hatte große strategische Bedeutung. Die Prußen versuchten deshalb 1240 mit einem großen Belagerungsaufgebot zu verhindern, dass sich die Ordensritter in Balga festsetzten, doch eine Flotte unter Führung des Herzogs von Braunschweig und Lüneburg, genannt Otto das Kind, schlug die Belagerer in die Flucht. In den nächsten 5 Monaten nahm Herzog Otto noch die Prußenburgen Partegal (später Partheinen) und Schrandenberg (später Schrangenberg) ein, zerstörte sie und sicherte so das Umland.

Man nannte den Platz der Burg niederdeutsch „Balge“. Das bedeutete Tief oder Rinne und bezog sich möglicherweise auf einen Wasserdurchbruch durch die Nehrung an dieser Stelle in Höhe des heutigen Großen Bruchs. Dieser Durchbruch erfolgte aber erst im 15. Jh. Eine deshalb eher plausible Deutung interpretiert Balge als Wasserstraße, Flüsschen, Fließ und bezieht sich auf das neben der Burg ins Haff mündende Mühlenfließ und die nahebei im Haff endende Wolitte, wo später ein Hafen für die Ordensschiffe entstand. Diese Interpretation könnte auch darauf hinweisen, dass die Halbinsel, auf der Balga liegt, durch Wasserläufe und Sümpfe einst vom Festland getrennt war. Aus Balge wurde später Balga. Eine andere Interpretation der Namensfindung geht vom  prußischen Balgnan = Sattel aus, was sich auf den Burgberg bezieht.[7]

Die nunmehr vom Orden besetzte Burg, die man umgehend ausbaute, erlaubte die Kontrolle des vorbeiführenden Schiffsverkehrs und war ein guter Ausgangspunkt für die weitere Eroberung der Prußengaue entlang der Ostsee.

Im Jahr 1250 richtete man in Balga eine Komturei ein, die bis 1499 bestand. In einem schmalen Streifen reichte deren Verwaltungsbezirk bis an die polnische Grenze hinter Lyck und Johannisburg. Balga war somit auch zuständig für die Ordensburgen in Lyck, Johannisburg, Rastenburg, Barten, Landsberg, Schippenbeil, Rhein, Sensburg, Bartenstein, Pr. Eylau, Kreuzburg. Nördlich von Balga bei Wolitta legte der Orden einen Hafen an. Der Komtur von Balga war mindestens seit 1308 zugleich Vogt von Natangen und 1467 – 1499 Obertrappier des Ordens als Nachfolger des Komturs im verloren gegangenen Christburg.

Etwa mit Erhebung zur Komturei begann man mit der Errichtung einer massiven Burg. Sie war so gut befestigt, dass sie im bald darauf ausbrechenden Prußenaufstand nicht von den Aufständischen eingenommen werden konnte wie die meisten anderen Burgen im östlichen Ordensland. Um 1290 wurde der massive Ausbau der Vorburg und des Hochschlosses mit Remter, Kapelle, Küchen, Schlafräumen fortgesetzt und ein Brauhaus eingerichtet. 1274 wurde neben der Burg das Dorf Balga mit einem Ordenshof angelegt.

Neben der Burg entstand ein Lischke, in der Hofleute, Handwerker, Gärtner und Instleute wohnten, die zu Dienst- und Scharwerken auf dem Vorwerk, der späteren Domäne, verpflichtet waren. Aus der Lischke entwickelte sich ein Flecken mit einer Schule.

Gegenüber der Burg Balga entstand 1426 eine Durchfahrt durch die Frische Nehrung, das Balgaer Tief, das sehr bald und für 100 Jahre beliebter war als das Lochstädter Tief. Dann bildeten sich 1497 mehrere Tiefs bei Pillau, von denen ein Tief ab etwa 1525 den gesamten Schiffsdurchgangsverkehr anzog, während die anderen Tiefs in der Nehrung versandeten und verschwanden.

Im Städtekrieg 1454 – 1466 fiel Balga gleich am Anfang in die Hände der Braunsberger, die prominentes Mitglied des Preußischen Bundes waren. Sie plünderten die Burg und brannten einige Gebäude nieder, doch der Orden konnte die Burg 1455 zurückerobern und hielt sie dann in seinem Besitz.

Hochmeister Friedrich von Sachsen löste 1499 die Komturei Balga in einzelne Vogteien auf und reduzierte das neu entstehende Amt Balga auf einen kleineren Zuständigkeitsbereich. Der Ordenshof wurde zum Kammergut des Hochmeisters unter der Leitung eines Hauskomturs bzw. Amtshauptmanns. Von hier aus versorgte man den Hochmeistersitz in Königsberg.

Hochmeister Albrecht von Hohenzollern ließ die Burg 1516 gründlich instand setzen und zog von hier aus um 1519/1520 im Reiterkrieg gegen das feindliche Braunsberg.

Georg von Polentz (1477/78 – 1550), letzter Bischof des Samlands und erster Kirchenfürst der Christenheit, der – 1523 im Dom von Königsberg – das evangelische Glaubensbekenntnis predigte, erhielt von Herzog Albrecht die Burg Balga als Wohnsitz und als erbliches Lehen zugewiesen, nachdem der Bischof 1525 den weltlichen Besitz an seinem Bistum dem Landesherrn zur Verfügung gestellt hatte. Außerdem saßen 1525 – 1752 auf der Burg Balga die Amtshauptleute.

König Gustav II. Adolf nutzte im ersten Schwedenkrieg die Burg Balga als Magzin und befahl 1627, Teile der Burg abzureißen, um Baummaterial für die Festung Pillau zu gewinnen. Noch drastischer verfuhr König Friedrich I., der große Mengen von Steinen nach Pillau verschiffen und nur Teile des Haupthauses und einen Wachturm der Vorburg übrig ließ. Friedrich Schinkel und dem Königsberger Kammerpräsidenten Rudolf von Auerswald ist es im 19. Jh. zu verdanken, daß der weiteren Ausschlachtung der restlichen Burggebäude durch  die Balgaer Bürger Einhalt geboten wurde. Sie stoppten den Verfall und Schinkel ließ 1836 auf dem Burgturm ein neues Dach anbringen. Doch erst dem Landrat des Kreises Heiligenbeil, Dr. Friedrich Gramsch (1894 – 1955), gelang es, Staatsgelder zu aktivieren, um den ehrwürdigen Turm wieder auszubauen. 1929 erhielt er seine ursprüngliche Gestalt zurück.[8]

In der zweiten Hälfte des 17. Jhs. wuchs die Zahl der Bauern und Fischer im Ort. Nach der Separation zwischen 1826 und 1844 nahm das Dorf einen weiteren Aufstieg. Dabei ging die Zahl der Fischer zurück und die Söhne aus diesem Milieu wurden Seefahrer, die, nachdem sie auf den entferntesten Meeren gefahren waren, zum Lebensabend in ihre Heimat zurückkehrten.[1]

Nach der Großen Pest 1709 – 1711 setzte man ab 1712 Generalpächter ein, denen man den Titel Amtmann, Amtsrat oder Oberamtsrat zubilligte. Aus wirtschaftlichen Gründen sah sich der preußische Staat gezwungen, die Ländereien 1849 zu verkaufen, und zwar einen kleineren Teil an 50 verschiedene Eigentümer und 850 ha geschlossen an die Familie v. Glasow, die sich hier bis 1945 hielt. Zuletzt war das Gut noch 500 ha groß. Die Gutsbesitzer wohnten in einem Gutshaus aus der 2. Hälfte des 18. Jhs, Halbwalmdach mit Schleppdach.[2]

Nach dem 1. Weltkrieg entwickelte sich Balga zunehmend zu einem beliebten Ausflugsort, in dem Ende der 1930er Jahre 755 Einwohner lebten. 1929 stellte der Landrat von Heiligenbeil, Friedrich Gramsch,  Mittel zur Verfügung, mit denen der sechsgeschossige Wachturm durch die Baufirma Werning wiederhergestellt wurde. 1931 zog das Heimatmuseum der Kreisverwaltung Heiligenbeil hier ein.

Die Burg Balga wurde im 2. Weltkrieg von deutschen Truppen hartnäckig verteidigt und hielt sich bis zum 28. März 1945 als einer der letzten Stützpunkte in Ostpreußen. Zehn Wochen lang hielten die Soldaten hier dem Druck der Roten Armee stand und ermöglichte damit zehntausenden deutscher Flüchtlinge, die sich hierher gerettet hatten, die Flucht auf sechs Eistrassen über das zugefrorene Haff auf die Nehrung und weiter nach Pillau. Ende Februar wurde das Eis immer brüchiger. Die letzten der Verteidiger wurden im Morgengrauen des 29. März 1945 von einer Stelle 1 km südlich von Balga mit Sturmbooten auf die Frische Nehrung übergesetzt, unter ihnen der Regimentsadjutant und Hauptmann Richard von Weizsäcker, später Präsident der Bundesrepublik Deutschland. In spätestens diesem Moment endete hier nach 706 Jahren die deutsche Herrschaft.

Am 20. Juni 1939 stellte man vor dem Pfarrhaus in Balga einen großen Findling auf, den man vom Strand herantransportiert hatte. Er trug die Inschrift „1239“ und sollte so an die Gründung der Burg erinnern. Im Jahr 1973 versetzte man den Stein nach Preußisch Eylau und versah ihn mit der Jahreszahl 1336, um das Gründungsjahr dieser Stadt zu symbolisieren. Die Kreisgemeinschaft Heiligenbeil bemüht sich intensiv darum, dass dieser Stein an seinen angestammten Platz in Balga zurückkehrt. Im Frühjahr 2007 sollte es soweit sein.[3]

Balga soll touristisch erschlossen werden. Dazu will man das Gelände vollständig säubern und für den Autoverkehr sperren. Auch die erneute Einrichtung eines Museums im Turm ist neben einer Ausstellung über Balga im Gespräch.[4]

Eine detaillierte Darstellung von Balga findet man bei Wulf D. Wagner in Die Güter des Kreises Heiligenbeil in Ostpreußen“, herausgegeben von der Kreisgemeinschaft Heiligenbeil, S. 66 ff.

Eine Balgaer Besonderheit ist jüngst zu neuem Leben erwacht, ursprünglich begründet von dem alten Kapitän Kuhr, der sich um 1900 in Balga ein Haus gebaut hatte. Weil er wegen zunehmender Gehörlosigkeit von seiner Veranda aus keine Begrüßungshöflichkeiten mit den Vorübergehenden austauschen konnte, ließ er kurzerhand einen Begrüßungsstein aufstellen, mit dem er jedem Passanten einen „Guten Tag“ wünschte. So stand der Stein auch noch lange nach seinem Tod bis 1945. Dann verschwand er. Durch einen Zufall jedoch wurde er 2006 wiederentdeckt. Mit Hilfe des Investors Sakanov, der etliches Land auf der linken Seite des Dorfes erworben hatte, sowie von russischen Helfern wurde der Stein wieder aufgestellt und von Herrn Günter Neumann-Holbeck, dem Wiederentdecker des Steins, nach der originalen Vorlage neu bemalt. Seit dem 27. April 2007 werden wieder alle Passanten freundlich mit „Guten Tag“ begrüßt.[5]

Auch aus der Balgaer Geschichte ist eine bemerkenswerte Begebenheit überliefert: während der Franzosenzeit wurde hier 1811 König Gustav Adolf IV. von Schweden gefangen genommen. Der Monarch kam 1796 an die Regierung und weigerte sich entschieden, die von Napoleon verhängte Kontinentalsperre einzuhalten. Russland und Dänemark gingen gegen die Schweden vor und als auch noch Finnland verloren ging, meuterten 1809 die schwedischen Offiziere und setzten ihren König ab. Der reiste nun in Europa umher, gelangte 1810 nach Russland und versuchte 1811, von Balga in Preußen aus mit einem von den Engländern bereitgestellten Schiff den Kontinent zu verlassen. Die Franzosen waren jedoch wachsam genug, um diese Absicht mit Hilfe des preußischen Amtmanns von Balga und dessen Amtswachtmeisters zu verhindern. Der König befand sich bereits im Boot, als ihn der Wachtmeister mit vorgehaltenem Doppellader zur Rückkehr ans Ufer zwang und festnahm. In Memel konnte Gustav Adolf IV. dann den Franzosen doch noch entkommen und begab sich nach London. Er starb 1837 in St. Gallen.[6]


[1] Emil Johannes Guttzeit, PAZ 14. 7. 1956, in Heimatblatt des Kreises Heiligenbeil,m Mai 2018, S. 141
[2] Siegfried Dreher, Schlüsselposition am Frischen Haff, Oprbl. Nr. 36/1989, S. 10
[3] Aus den Heimatkreisen – Heiligenbeil, Oprbl. Nr. 1/2007
[4] Heimatbrief Heiligenbeil, Mai 2007,  S. 8
[5] Günter Neumann-Holbeck, Die Geschichte eines Steines, Heimatblatt Heiligenbeil, Mai 2008, S. 64
[6] Emil Johannes Guttzeit, Ein König wird in Balga gegangen genommen, Heimatblatt Heiligenbeil, Mai 2008, S. 175
[7] Wolfgang Kaufmann, Vom Aufstieg und Verfall einer frühen Festung, PAZ Nr. 22/2024 (31. Mai), S. 18
[8] Emil Johannes Guttzeit, Die Ordensburg Balga, in: Natangen, herausgegeben von der Landsmannschaft Ostpreußen 1983, S. 24

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