Geschichte von Kornewo – Zinten
Zinten wurde der Überlieferung nach 1313 an den Ausläufern der Stablack am Flüsschen Stradick gegründet, wobei dieses Datum nicht dokumentiert ist, aber allgemein akzeptiert wird. So feierte man 1988 das 675jährige Jubiläum in Burgdorf, der Patenstadt. Unweit der Einmündung des Stradick in den Pasmar hatte der kleine Fluss Wegstrecken von großer Schönheit. Die einst schönen Wanderwege entlang des Stradick, die in den 1930er Jahren vom Reichsarbeitsdienst angelegt wurden, sind zwar einer schwer zu durchdringenden Wildnis gewichen, aber es gibt immer noch Stellen, die zum Verweilen einladen. Und die Wasserqualität des Flüßchens ist inzwischen wieder so gut, dass sich hier Krebse halten.[2]
Das Gebiet um Zinten ist uraltes Siedlungsland. Als man die Eisenbahnlinie nach Heiligenbeil baute, stieß man auf 58 Gräber und reiche Funde darin aus dem 3. bis 6. Jh. vor Chr. Die älteste Zintener Urkunde datiert aus dem Jahr 1325.[3] Die erste urkundliche Erwähnung Zintens erfolgte also im Jahr 1325.[4]
1343 wurde die Gemeinde Kammeramt. Die Stadtrechte erteilte Hochmeister Winrich von Kniprode am 19. 11. 1352. Dazu gewährte er das wichtige Marktrecht und unter diesem Hochmeister wurde 1363 die Stadtbefestigung vollendet. Eine Burg gab es in Zinten nie, doch gaben die umgebenden Burgen in Balga, Brandenburg, Kreuzburg und Pr. Eylau eine gewisse Deckung. In dieser Zeit existierte aber bereits eine Kirche, denn in einer Urkunde des Ordens von 1341 zur Verleihung eines Waldabschnitts an Zinten unterschrieb u. a. der Stadtpfarrer Matthias.[1]
Von 1480 bis 1494 verpfändete der Orden die Stadt an Anselm und Hans von Tettau, anschließend bis 1501 an den Bischof von Pomesanien, Johannes von Riesenburg.
Da die Stadt nahe am katholischen Ermland liegt, wurde sie seit der Reformation, in der in Zinten die Reformation die Oberhand gewann, ein beliebtes Asyl für viele Evangelische aus dem Ermland. Bereits 1524 öffnete sich der katholische Pfarrer Kempe der Lehre Luthers, trat 1525 zum Luthertum über und bewirkte damit, dass Zinten zu den ersten Städten in Ostpreußen gehörte, die den neuen Glauben annahmen.
Gleich 1526 hatte Bischof Mauritius Ferber einen Synodalbeschluss erwirkt, der den Nichtkatholiken den dauerhaften Aufenthalt im Ermland verbot. Es hieß, sie durften sich “kein volles Jahr” aufhalten. Um diese später noch verschärfte und gut überwachte Bestimmung zu unterlaufen, begaben sich die dennoch im katholischen Bistum lebenden Protestanten über Sylvester und einige weitere Tage im neuen Jahr ins benachbarte Herzogtum bzw. Königreich, ins sog. “Ausland”, um sich nach dieser Unterbrechung wieder ordnungsgemäß im Ermland aufhalten zu dürfen. Folgender Spottvers nahm darauf Bezug:
Johann, spann an.
Zwei Katzen voran,
Zwei Ziegen nach hinten,
so geht es nach Zinten. [11]
Ein heftiger Stadtbrand 1716 vernichtete eine große Anzahl Häuser einschließlich Rathaus und Kirche. Stadtbrände kamen in Zinten durchaus häufiger vor. So wütete das Feuer außerdem 1593, 1625, 1629, 1746 und verschiedentlich 1898 – 1904. Im Jahr 1740 lebten in Zinten 1.118 Einwohner. Die Kriege des 15., 16. und 17. Jhs., die Stadtbrände und öfter ausbrechende Seuchen hemmten lange die Entwicklung der Stadt, bis ins 19. Jh. eine reine Ackerbürger- und Handwerkerstadt.
1818 endlich erklärte man Zinten zur offenen Stadt, d. h., die Stadttore wurden nachts nicht mehr verschlossen und es gab keine Torschreiber mehr. Im selben Jahr avancierte Zinten zur Kreisstadt eines gleichnamigen Kreises. Dieser Zustand hielt jedoch nur bis zum nachfolgenden Jahr, weil es ob der ungünstigen lang gezogenen geografischen Form des Kreises erhebliche Widerstände in Bevölkerung und Verwaltung gab. Nachfolgend wurde 1819 Heiligenbeil die Kreisstadt eines Kreises mit mehr gedrungenem Umriss.
Mit der nach den Freiheitskriegen beginnenden langen Friedenszeit wird aus Zinten eine prosperierende Kleinstadt. 1830 werden die Straßen gepflastert, 1837 entsteht nahe der Stadt am Stradick ein Eisenhammer, aus dem der “Rudolfshammer”, eine große Landwirtschaft mit Getreidemühle, hervorgeht. Eine Stadtschule wird gebaut, die Vereinsbank entsteht, die Feuerwehr nimmt ihren Dienst auf, eine Molkerei entsteht, Brunnen werden neu gebaut. Die Einwohnerzahl steigt von 1.367 im Jahr 1800 auf 3.585 im Jahr 1900. 1939 sind es dann 5.800 Einwohner[5].
Zinten verfügte im 17. und 18. Jh. über eine starke Tuchmacherzunft – in der Spitze im Jahr 1740 mit 65 Betrieben, die vornehmlich Uniformstoffe für die preußische Armee produzierten. Die den Handwerkern zur Verfügung gestellte Walkmühle am Ufer des Stradick wurde erst 1892 abgebrochen. Seit der Wende zum 20. Jh. entwickelte sich Zinten immer mehr von einer Ackerbürgerstadt zu einem Kurort, der auch entsprechende Einrichtungen wie Tennis-, Reit- und Turnierplätze, Parks und ein Ski-Sprungschanze geschaffen hatte.
Ein wesentlicher Arbeitgeber in Zinten war der Bierbrauer Guttzeit, der in den 1880er Jahren eine bayrische Bierbrauerei errichtete. Diese war jedoch auf Dauer der starken Konkurrenz auf dem Biersektor in Ostpreußen nicht gewachsen und verkaufte wieder. Nach verschiedenen Besitzwechseln richtete 1902 in den Räumlichkeiten eine Genossenschaft eine Brennerei ein. Nachdem auch das nicht mehr erfolgreich zu betreiben war, errichteten die Brüder Worm hier eineSeifenfabrik und die florierte bis zum deutschen Ende im Jahr 1945. Neben Reinigungsmitteln wie Soda und Seifen stellte man in einem zweiten Werk auch Maschinen- und Motorenöle her. Insgesamt wurden 120 Mitarbeiter beschäftigt.
Mit der Gründung von Zinten war auch der Bau einer Wassermühle geplant – ein in der Ordenszeit üblicher Umstand. Eine solche Wassermühle wurde 1412 erstmals urkundlich erwähnt. Bis 1751 gehörte sie dem Landesherrn, der den Betrieb stets verpachtete. Dann erfolgte eine Versteigerung. Der momentane Pächter gab ein Gebot von 50 Talern ab, doch er wurde von einem Joachim Heuer mit 620 Talern weit überboten. Der machte trotz des hohen Preises ein gutes Geschäft, denn er verkaufte die Mühle fünf Jahre später für 1.800 Taler. Es folgten etliche Besitzerwechsel. 1827 wurde der Mühlenzwang aufgehoben. 1853 erwarb der Müller Wilhelm August Patschke, dessen Vorfahren im 18. Jh. aus dem Harz zugezogen waren, die Wasser-Mahlmühle und die dazu gekommene Schneide-Mühle und machte sie zum Bestandteil eines Mühlenimperiums, das in seiner besten Zeit 20 Mühlen umfasste. Unter dem neuen Besitzer Pauly ab 1863 und dessen Sohn bis 1918 wurde die Mühle 1886 nach seinerzeit modernsten Gesichtspunkten umgebaut und vermahlte dann Getreide von 200 – 300 Zentner pro Tag, nach 25 Jahren von 300 – 450 Zentner/Tag.. 1902 wurde ein mühleneigenes Elektrizitätswerk angeschlossen, von dem auch die Stadt Zinten profitierte. Letzter deutsche Besitzer ab 1918 waren Paul Frommhagen (24. 5. 1889 – 27. 10. 1942) und danach bis 1945 seine Frau Margarete, geb. Dix (gest. 18. 7. 1965). [12]
Mit dem Aufkommen der Eisenbahn wurde Zinten zu einem kleinen Bahn-Knotenpunkt. Der erste Eisenbahnzug der Strecke Königsberg – Allenstein hielt im Bahnhof von Zinten am 1. 7. 1885. Der Fahrplan sah täglich drei eingehende und ausgehende Züge, gemischt mit Personen- und Güterwagen, vor. Eine zweite Bahnlinie, die von Königsberg nach Heilsberg, nahm am 15. 9. 1898 ihre Tätigkeit auf. Die Bahnverbindung von Heiligenbeil nach Pr. Eylau über Zintern folgte 1938. Die Verbindungen von Heiligenbeil und von Mehlsack nach Zinten wurden nach dem 2. Weltkrieg demontiert.[7]
Der erste Weltkrieg ging ohne Spuren an dem Gemeinwesen vorüber; es wurden nur einige Russen in der weiteren Umgebung gesichtet. In den 1930er Jahren gründet sich der Verkehrsverein, es entstehen das Waldbad und ein Ski-Sprungschanze.
Um die Wende zum 20. Jh. entwickelte sich Zinten sehr vorteilhaft, insbesondere durch die gute Verwaltung von Bürgermeister Hugo Holtzmann von 1890 – 1911. In den 1920er Jahren wurde die Gemeinde, eingebettet in die reizvolle Naturlandschaft im Endmoränengebiet des Stablack, mit dem Prädikat “Luftkurort” ausgezeichnet. 1932/33 schuf eine Truppe des Reichsarbeitsdienstes das moderne Waldbad am Fuß des Stadtwaldes, dessen Erschließung seit Bürgermeister Holtzmann nachhaltig betrieben worden war, direkt neben dem Stradick, der das große Schwimmbecken speiste.[6]
In der Endphase des 2. Weltkriegs dagegen geriet Zinten mitten hinein in erbitterte Abwehrkämpfe. Am 4. und 5. Februar 1945 erlebte Zinten heftige Luftangriffe, gefolgt von einem Vorstoß zu Land am 12. Februar, der aber zunächst von der deutschen Wehrmacht zurückgeschlagen wurde. Am 25. Februar 1945 fiel Zinten stark zerstört in sowjetische Hände.[13]
Etwa 5 km nordwestlich von Zinten lag das im und nach dem Weltkrieg in gleicher Weise zerstörte Rittergut Dösen. Dieses rd. 530 ha große Gut erwarb 1906/07 der vermögende Gutsbesitzer von Ottlau, Kreis Marienwerden, Artur Freiherr von Buddenbrock (1850 – 1929), für seinen Sohn Axel von Buddenbrock anlässlich dessen Hochzeit mit Ada von Restorff, dazu die Güter Lemkühnen und Alt-Legden als Vorwerke zum Hauptgut. Artur von Buddenbrock aus einer Familie, die schon in den Jahrhunderten zuvor große Güter in Ostpreußen besaß und bewirtschaftete, war Mitglied des Deutschen Reichstags und des Preußischen Herrenhauses. Axel von Buddenbrock war ein rühriger Landwirt. Auf dem technisch höchst modern ausgestatteten Wirtschaftshof standen rd. 220 Stück Milchvieh incl. Färsen, 235 Mastrinder, 500 Schweine, 96 Acker- und Kutschpferde sowie Zuchtstuten für die Aufzucht von jährlich 15 – 18 Remonten. Von all dem ist heute nichts mehr zu sehen.[8]
In der Nähe von Dösen llag das heute wohl nicht mehr existierende Dorf Pohren. Es war, wie viele der Ansiedlungen im Umkreis, bis ins 16.Jh. hinein schwerpunktmäßig von Prußen besiedelt. Bereits im 13.Jh. wurde eine Pruße namens Sulenko in Pohren erwähnt. Der Name weist auf das prußische Wort für Brodem oder Dampf hin. Eine Handfeste, vermutlich des Gutes, stammte aus dem Jahr 1497. Peter von Pohren, Kämmerer des Kammeramtes Zinten, erhielt das Gut 1494 zu kölmischem Recht verschrieben. Er selbst war Pruße und hatte die Aufgabe, die Prußen beim Scharwerk zu beaufsichtigen und über sie Gericht zu halten. Im 20. Jh. gehörte das Gut einem Herrn Philipp. Etwa gut 500 Meter vom Gutshaus entfernt in Richtung des Dorfes Nemritten stieß man beim Pflügen auf Tonscherben, und als man den Fundort genauer in Augenschein nahm, entdeckte man ein uraltes Grab, das von drei Steinblöcken von 1 Meter bis 1,50 Meter Länge sowie 1 Meter Höhe und Breite markiert wurde. Zum Grab gehörten zwei Tongefäße, die im Laufe der Zeit zerbrochen waren und deren Scherben beim Pflügen sichtbar wurden. Auch im weiteren Umfeld bis hin zum Pohrener Berg fanden sich etliche Altertümer wie z. B. eine steinerne Axt und eine eiserne Lanzenspitze sowie Reste von Burgwällen. Das alles deutet auf eine dichte Besiedlung in der Vorordenszeit hin.[9]
[2] Heimatblatt des Kreises Heiligenbeil, Mai 2011, S. 138
[3] Siegfried Dreher, Uralter Siedlungsraum in prußischer Zeit, Oprbl. Nr. 37/1988, S. 11
[4] Siegfried Dreher, 700 Jahre Zinten 1313 – 2013, Heimatblatt des Kreises Heiligenbeil, Mai 2013, S. 96: In “Kirchen Ostpreußens”, Propstei Kaliningrad 2013, wird für die erste urkundliche Erwähnung das Jahr 1290 angegeben.
5] Siegfried Dreher, 700 Jahre Zinten 1313 – 2013, Heimatblatt des Kreises Heiligenbeil, Mai 2013, S. 96 f
[6] Siegfried Dreher, Zinten – ein Luftkurort in Natangen, Heimatblatt des Kreises Heiligenbeil, Mai 2014, S. 131 f
[7] Siegfried Dreher, Der Bahnhof Zinten, Heimatblatt des Kreises Heiligenbeil, Mai 2017, S. 114/115
[8] Hubertus Freiherr von Buddenbrock, Besuch in Dösen 2016, Heimatblatt des Kreises Heiligenbeil, Mai 2017, S. 120 f
[9] Heiligenbeiler Zeitung vom 29. 11. 1934, abgedruckt im Heimatblatt des Kreises Heiligenbeil, Mai 2020, S. 96 f
[10] Siegfried Dreher, Uralter Siedlungsraum in prußischer Zeit, Oprbl. Nr. 37/88, S. 11
[11] zitiert nach Irma Grünke, Das eveangelische Kirchspiel Guttstadt im Ermland, S. 10
[12] Siegfried Dreher, Die Zintener Ordensmühle (Wassermühle), Heimatblatt des Kreises Heiligenbeil, Mai 2010, S. 104 ff
[13] Siegfried Dreher, Uralter Siedlungsraum in prußischer Zeit, Oprbl. Nr. 37/88, S. 11