Die Familie Simpson und Georgenburg als Handlungsort in der Literatur: Die Barrings

Georgenburg ist das „Wiesenburg“ in dem Roman „Die Barrings“ von William von Simpson aus den 1930er Jahren. Die Simpsons sind ein schottisches Geschlecht, das in Angus-Coupar im Distrikt Pertshire, Schottland, beheimatet war. Wie viele andere schottische Familien wie die Douglases, die Mitchells, die McLeans, die sich meist aus Glaubensgründen in Ländern an der Ostsee, vornehmlich Hansestädten, so auch in Ostpreußen und im Baltikum, niederließen, siedelte sich die Familie Simpson in dem kleinen Dorf Heiligen Aa an dem kleinen Fluß Aa im Gebiet Kurland – Livland an und trieb dort Handel mit den landwirtschaftlichen Produkten der Gegend, vornehmlich Getreide und Flachs. Die von den Erfolgen alarmierte etablierte Konkurrenz sorgte jedoch durch Intervention bei König Wladislaw von Polen dafür, dass diese wirtschaftliche Tätigkeit mit Wirkung vom 6. Februar 1639 unterbunden und Heiligen Aa eingeäschert wurde. Die Simpsons flohen und ließen sich später in Memel nieder, wo sie bald Ansehen und Einfluss als Kaufleute, Reeder, Ratsmitglieder und Bürgermeister gewannen.

Der am 22. März 1656 geborene William Simpson war der erste, der großen Reichtum erwarb. Sein 1697 im Memel geborener Sohn William gehörte zu den ersten in Ostpreußen gebürtigen Familienmitgliedern. Er wurde Bürgermeister von Memel und mehrte den Reichtum zielstrebig, bis er am 12. Juli 1772 starb. Dessen Enkel John Ludwig Simpson (5. 1. 1751 – 16. 9. 1819) verfügte bereits über Niederlassungen in London, Danzig, Antwerpen, Königsberg und Kauen, wurde während der Kontinentalsperre zu Napoleons Zeiten durch Schmuggel noch reicher und lernte die Pferde auf dem Gestüt seines Schwiegervaters, des Königlichen Rats Conrad, kennen und schätzen. Der erste Sohn August Ludwig Simpson (8. 2. 1785 – 3. 2. 1848) wurde Gutsbesitzer von Friedrichsgabe. Sein zweiter Sohn Johann Wilhelm (von) Simpson (13. 10. 1788 – 21. 3. 1858) erwarb seine Landwirtschaftskenntnisse auf Gütern in der Gegend von Gumbinnen und übernahm 1815 mit Vaters Geld das 600 ha große Plicken, wo er ein Gestüt einrichtete, 1820 Wensöwen mit Sidden im Kreis Oletzko und 1828 Georgenburg mit Zwion von den Erben des Insterburger Kaufmanns Johann Albert Heyne. Aus Anlass der Inthronisierung von König Friedrich Wilhelms IV. erhielt er das erbliche Adelsprädikat.

Sein einziger Sohn George William von Simpson (14. 6. 1820 – 13. 9. 1886) erhielt zunächst Wezewo – Wensöwen mit Zydy – Sidden übertragen und erbte Georgenburg. 1875 erwarb er Nettienen (heute Krasnaya Gorka) hinzu. Er war seit 1846 glücklich verheiratet mit der Solotänzerin Emilie Lemmke (1824 – 1902), wirkte politisch als Mitglied der Konservativen, baute die Landwirtschaft zu weiterer Blüte aus und brachte das Georgenburger Gestüt u. a. mit arabischen und englischen Linien zu großem Ansehen.

Haupt der dritten Generation in Georgenburg wurde der Sohn George Alexander von Simpson (3. 11. 1853 – 27. 9. 1899). Er heiratete 1878 Ellen von der Groeben (1854 – 1934) und hatte mit ihr sechs Kinder. Ihm gelang es nicht, an die wirtschaftlichen Erfolge seiner Vorväter anzuknüpfen, wurde krank, hatte Probleme mit der Sehkraft und erblindete sogar. Um die weitere Existenz der Familie abzusichern, verkaufte er den Gutsbesitz mit Wirkung zum 1. 10. 1899 für 2,5 Millionen Mark an den Staat und starb noch wenige Tage vor der Übergabe. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof östlich der Georgenburg, etwa 500 Meter vom Gestüt entfernt. Seine Frau Ellen starb im Alter von 80 Jahren auf dem Gut ihres Bruders in Juckstein, Kreis Tilsit-Ragnit. Der andere Zweig der Familie Simpson aus Gut Friedrichsgabe, heute Furmanovo, lebt mit seinen heutigen Nachfahren in Bielefeld und Berlin. Heinrich Simpson aus dieser Linie, geboren 1933 in Königsberg und wohnhaft in Bielefeld, besuchte das moderne Gestüt Georgenburg im Jahr 2004.

William von Simpson (19. 4. 1881 – 11. 5. 1945), geboren in Krasnaya Gorka – Nettienen (westlich von Georgenburg), hatte seinem Vater nie verziehen, dass er das Gut wieder an den Staat verkaufte. Der Sohn war ausgebildeter Landwirt und Gutsverwalter, erwarb das Gut Groß Lauth im Kreis Preußisch Eylau, wurde 1913 Landstallmeister im Lippischen Gestüt Lopshorn und 1914 im 1. Weltkrieg Husarenoffizier mit Einsatz insbesondere auf dem Balkan und im Orient. Aus diesen Eindrücken entstand sein erstes Buch „Im Sattel vom Ostseestrand bis zum Bosporus“ (1916). 1918 folgte ein Buch „Tagesfragen zur deutschen Pferdezucht“. Im Rütten & Löning Verlag erschienen die Roman „Die Barrings“ (1937) und „Der Enkel der Barrings“ (1939), an denen er zwanzig Jahre lang gearbeitet hatte und die ihn berühmt machten. Hier stellte er die Geschichte seiner Familie vor und zeichnete dabei ein Bild vom Leben ostpreußischer Großgrundbesitzer in der wilhelminischen Zeit von 1875 – 1900.

Nach dem 1. Weltkrieg lebte William von Simpson fünf Jahre lang in Brasilien, dann in Berlin, in Graz und in der Rominter Heide und erwarb Besitz bei Scharbeutz in Schleswig-Holstein. Am 11. 5. 1945 machte er in Klein-Beeren bei Scharbeutz in der Lübecker Bucht seinem Leben ein Ende. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Waldfriedhof in Timmendorferstrand.

Seine Frau Margot von Simpson, geschiedene v. Herder und geb. v. Gustedt aus dem Harzort Berssel, war ebenfalls schriftstellerisch tätig: „Fürst Woronzeff“ (1929, verfilmt 1935), „Reiterin in Tag und Traum“ (1938) u. a.

Der gemeinsame Sohn Hubertus William v. Simpson, geb. 1919, setzte die literarische Familientradition fort mit dem Roman „Das Erbe der Barrings“ (1956).

Krasnaya Gorka – Nettienen, das Eichberg in dem Roman „Die Barrings“, existiert noch. Bis 1926 verwaltete Walter Talke als Oberamtmann die Domäne Nettienen. Sein Enkel Hartmut Talke besuchte Nettienen 1992 und schrieb dazu: „Viele Gebäude standen noch, wenn auch in schlechter Verfassung. Das Wohnhaus wurde aber gerade von einer russischen Familie wohnlich ausgebaut. Eindrucksvoll war die alte Reithalle. Somit waren große Teile des Gutes existent!“ Ein Blick auf Google Earth vermittelt auch 2010 noch den Eindruck, dass etliche Teile des Gutes weiterhin bestehen.