Die Kirche von Arnau

Bei einer bedeutenden Begräbnisstätte zu prußischer Zeit auf einem Hügel mit schöner Aussicht auf das Pregeltal, vom Burgberg durch eine Schlucht getrennt, entstand die Pfarrkirche St. Katharina, die zu den wertvollsten gotischen Bauwerken Ostpreußens zählt. Ein Pfarrer – Petrus Plebau von Arnow – wurde 1320 urkundlich erwähnt, 1322 erstmals die Kirche.

Das heutige Gebäude entstand ca. 1340 – 1370 nach einheitlichem Bauplan, zunächst wohl der hohe einjochige Chor, dann das Schiff mit drei Jochen und niedrigem Turm, sehr bald anschließend an den Chor die kleine Sakristei mit trapezförmigem Grundriss, die das Ostfenster des Chors zudeckte. Die Kirche von Arnau ist nach der von Juditten die zweitälteste Kirche nicht nur Ostpreußens, sondern des gesamten historischen Ordensgebietes.

1349 verschrieb der Hochmeister die Kirche mit 24 Hufen Land dem gerade gegründeten Nonnenkloster im Löbenicht, dessen Nachfolger, das Große Hospital, es bis 1636 gehörte.

Um den Bau der Kirche ranken sich mehrere Legenden. In der Wetterfahne des Turms befand sich einst ein Bild der Katharina mit einem Marterrad zu ihren Füßen. Daran knüpft eine Geschichte, nach der der römische Kaiser Maximinus der Ketzerin Katharina die Wahl ließ, entweder ein heidnisches Opfer darzubringen und danach frei zu sein oder sich von Rädern, deren Felgen mit scharfen Messern besetzt waren, zerfleischen zu lassen. Katharina wählte den Martertod, doch ein Blitz zerschmetterte die Räder und die umher fliegenden Bruchstücke töteten eine große Anzahl gaffender Heiden. Daraufhin wurde Katharina mit dem Schwert gerichtet. Nach einer anderen Geschichte wurde eine schöne Jungfrau im dichten Wald der hiesigen Gegend von Wegelagerern in einer Höhle gefangen gehalten. Während eines wüsten Zechgelages der Räuber entwischte sie, holte Bauern zu Hilfe, die die betrunkenen Übeltäter überwältigten und der Aburteilung und dem Tod durch den Strang auslieferten. Die Jungfrau Katharina sollte nun die Schätze der Räuber erhalten. Sie nahm aber nur das Spinnrad und stiftete den Rest des Vermögens für den Bau der Kirche. In die gleiche Richtung zielt noch eine Legende: eine heidnische, zum Christentum übergetretene Prinzessin erwarb durch ihr Spinnrad so viel Vermögen, das sie davon eine Kirche bauen lassen konnte.[1]

St. Katharina war als Wallfahrtskirche gedacht und deshalb besonders groß dimensioniert mit einst ungewöhnlich wertvoller Ausstattung und reichen Architekturverzierungen in Form von Konsolen und Figurbaldachinen. Die zweigeschossige Vorhalle kam wohl 1360 – 1370 hinzu. Sogar Heinrich Derby bzw. Heinrich Bolingbroke, späterer König Heinrich IV. von England, suchte die Kirche in der Zeit seiner Litauerreisen 1390 – 1392 auf.[2]

Auf der Eingangstür im Westen war, in Holz geschnitzt, in gotischen Minuskeln als Katharinenanrufung von 1350 in niederdeutscher Sprache geschrieben: „Sunte Katarine bitte got voi uns“ (Heilige Katharina, bitte Gott für uns) und in der nördlichen Tür: „Sunte Katarine sta uns by un lat uns nicht vor derve / make uns vo alle sude vry we wi begine to sterven“ (Heilige Katharina, steh uns bei und lass uns nicht verderben / mache uns von allen Sünden frei, wenn wir nun beginnen zu sterben).

Als kunstgeschichtliche besonders bedeutsam gilt das achteckige Sterngewölbe, das das Kircheninnere überdeckt. Es zeigt eine enge Verwandtschaft zur Annenkapelle in der Marienburg. Unter den als Baldachin ausgebildeten Konsolen befanden sich Apostelfiguren, die nach 1945 leider mutwillig zerstört wurden. Einige sollen aber von damals noch hier anwesenden Deutschen gerettet und vergraben worden sein. Ein Kruzifix aus dem 14. Jh. soll sich heute im Museum von Ortelsburg befinden. Die sonstige wertvolle Ausstattung ist verloren.

1908 – 1912 erfolgte eine umfassende Renovierung. In dieser Phase entdeckte man 1911 unter dem Putz der Kirchenwand bedeutsame mittelalterliche Wandmalereien in Form eines umlaufenden Frieses.

Die Wandmalereien entstanden unmittelbar nach Vollendung des Baus nach dem Vorbild der im Prinzip gröberen Wandmalereien im Chor des Königsberger Doms. Der doppelte Fries, der das ganze Kirchenschiff umzieht, stellt in 119 Bildern mit Texten den Straßburger Heilsspiegel dar, den der Dominikanermönch Ludolf von Sachsen 1324 geschaffen hatte und der in Gedichtform die Heilsfragen des Alten und Neuen Testaments behandelt – vom Sündenfall und der Verkündigung bis zur Auferstehung und dem Jüngsten Gericht – sowie Illustrationen zum theologischen Traktat „Speculum Humanae Salvationis“ wiedergibt. Während die Malereien in Königsberg verloren gingen, haben die in Arnau überlebt, wenn auch stark verblichen, und gelten als eine der wertvollsten Wandmalereien in Preußen und einzig verbliebenes Zeugnis sakraler Kunst dieser Art in Europa.[3]

[1] Albert Zweck, Samland
[2] Dagmar Jestrzemski, Späterer Britenherrscher im Deutschordensland, PAZ Nr. 5/(2012 (4. Februar), S. 11
[3] https://www.youtube.com/watch?v=UrCN6U0k44I&list=PLO5K4tZzrQCnDpCb3tDZzYAa7nwsAGZch