Borisovo – Kraußen
Das Dorf Kraußen unweit von Königsberg wurde vermutlich im 13. Oder 14. Jh. vom Deutschen Ritterorden gegründet. Genaueres ist nicht bekannt. Die hiesige Landbevölkerung waren vor allem Bauern aus Niedersachsen. 1910 kaufte ein Herr Brandes das Gut Kraußenhof von der Witwe des Vorbesitzers Schnell. Es hatte eine Fläche von 400 ha und wurde bald um weitere 50 ha arrondiert. 1936 wurde hier ein Flughafen mit Kasernen gebaut, zu welchem Zweck 110 ha Land abgetreten werden mussten. Letzter Gutsherr war Herr Kerwin, der die Tochter des Gutsbesitzers Brandes geheiratet hatte.
In Kraußen wurde der Volkskundler Erhard Riemann (3. 4. 1907 – 21. 3. 1984) geboren. Er wuchs in Deutsch Thierau, Kreis Heiligenbeil, auf, wo sein Vater als Lehrer tätig war. Später besuchte er das Kneiphöfische Gymnasium und legte 1926 seine Reifeprüfung ab. Er studierte einige Semester in Freiburg, München und Wien, vertiefte seine Kenntnisse dann aber an der Königsberger Albertina bei Professor Walther Ziesemer, dem führenden Heimatforscher der Provinz. Dieser hatte 1910 den Auftrag erhalten, ein „Preußisches Wörterbuch“ der ost- und westpreußischen Mundarten zu verfassen. Riemann promovierte 1935 mit dem Thema „Ostpreußisches Volkstum um die ermländische Nordostgrenze. Beiträge zur geografischen Volkskunde Ostpreußens“ und wurde Assistent am „Preußischen Wörterbuch“. 1937 wechselte er als Wissenschaftlicher Assistent zum Stadtgeschichtlichen Museum Königsberg, habilitierte sich und erhielt eine Stelle als Dozent für Volkskunde an der Hochschule für Lehrerbildung in Elbing.
Nach Krieg und Gefangenschaft landete Riemann in Kiel und war ab 1947 hier und in Oldenburg im höheren Schuldienst tätig. 1952 erging an ihn der Auftrag, das „Preußische Wörterbuch“ weiter zu führen, den er trotz aller Schwierigkeit im Nachkriegsdeutschland und der in alle Winde verstreuten Ostpreußen mit Engagement und Ausdauer ausführte. Mit der Verlegung der Wörterbuchstelle 1955 nach Kiel erhielt er dort eine Dozentur für Deutsche Volkskunde und Mundartforschung, wurde 1963 a.o. Professor, 1964 Wissenschaftlicher Rat und 1970 ordentlicher Professor. Nachdem er 1972 emeritierte, widmete er seine ganze Kraft noch einmal dem Wörterbuch und leitete die Kommission für ostdeutsche Volkskunde. Die Arbeit am Wörterbuch fand erst im September 2005, also lange nach seinem Tod, einen endgültigen Abschluss. Riemann wurde mit der Agnes-Miegel-Plakette des Tatenhausener Kreises ausgezeichnet und erhielt 1976 den Kulturpreis der Landsmannschaft Ostpreußen für Wissenschaft sowie posthum den Georg-Dehio-Preis.
In Kraußen gibt es eine Polyklinik der Grenztruppen, die in der Vergangenheit vom Verein „Hilfe für Kaliningrad/Königsberg e.V.“ in Duisburg
über den Club „Russisch-Deutsche Freundschaft” Svetlogorsk mit medizinischen Hilfsgütern, Wäsche, Betten, Matratzen, Möbeln etc. versorgt wurde.