Ostrykól – Ostrokollen/Scharfenrade
In Ostrokollen, gegründet 1538 und am 16. 7. 1938 in Scharfenrade umbenannt, steht eine der beiden letzten alten Holzkirchen in Masuren, dreischiffig mit Chor, gebaut im Gehrsatz auf Feldsteinsockel, innen und außen mit Brettern verschalt. Der Turm ist eine Skelettkonstruktion.
Die bald nach der Dorfgründung errichtete Holzkirche in Ostrokollen ging im Ansturm der Tataren gleich nach der für den Großen Kurfürsten verlorenen Schlacht von Prostken zusammen mit den anderen Gebäuden des Dorfes in Flammen auf. Nur ein Bauernhaus und drei Scheunen entgingen dem Inferno. 1362 Einwohner sollen verschleppt und auf türkischen Sklavenmärkten verkauft worden sein.[3]
Die 1667 gebaute neue Holzkirche, basilikaähnlich mit flachen Decken und Emporen, überstand dann die Zeitläufe bis heute, wobei 1933 eine umfassende und 1990 eine Renovierung innen erfolgte. Die Sakristei auf der Nordseite wurde 1876 angefügt.
Ausstattung:
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- Altar um 1683 mit gekreuzigtem Heiland im Mittelpunkt, im Obergeschoß eine Himmelfahrt und in der Bekrönung ein Pelikan
- regenbogenförmiger Querbalken mit großer Heilandfigur, um 1700
- Kanzel, um 1690
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- Taufengel mit Schale und Hirschkopfleuchter, um 1700
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- beide Orgeln von 1799
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- Dreisitz, erste Hälfte 17. Jh
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Mit der Orgel der Kirche ist ein Geschichtchen verbunden: Als die Orgel um 1900 defekt war, wurde vorübergehend ein Harmonium angeschafft, gespielt vom Lehrer und Organisten Jan Heinrich (1875 – 1966) aus Dreimühlen. Jan Heinrichs Sohn Richard, der in Bochum als Techniker arbeitete, entdeckte bei einem Heimatbesuch das im elterlichen Stall abgestellte, ausrangierte Harmonium und nahm es mit nach Bochum, wo er es reparierte. Als er es nach seinem Schlaganfall 1968 nicht mehr spielen konnte, schenkte er das Harmonium der Tochter seiner ersten Frau, Sigrid Wormland in Velbert. Weil das Instrument nach langer Zeit nicht mehr richtig spielen wollte, schenkte es die Familie Wormland der Deutschen Minderheit in Lyck. Auf diese Weise kehrte das Harmonium in die alte Heimat zurück. (Rechtsanwalt Bernd Wormland, abgedruckt im Ostpreußenblatt Nr. 38/2009, S. 13). Jetzt muss es allerdings repariert werden, wozu die Gesellschaft der Deutschen Minderheit in Lyck nicht das Geld hat. Es wird also um Spenden für die Aufarbeitung des Harmoniums gebeten.[1]
Auch in der baumbestandenen Wildnis Ostpreußens wurde in der Neuzeit das Holz knapper. Deshalb verwandte man zum Bau von Häusern nicht mehr ganze Holzstämme, sondern trennte die Stämme in der Mitte auf und erhielt damit die doppelte Anzahl Bretterbalken für Wände und Decken. Türen und Fenster wurden einfach eingeschnitten und von Pfosten zusätzlich abgestützt. Diese Bauweise nannte man “Gehrsatz”.
Zum Bau der masurischen Holzhäuser bediente man sich in den Wäldern der Nachbarschaft. Die Baumstämme wurden auf Holzgestellen aufgebockt und mit einer großen Gattersäge zu Balken geschnitten. Die Holzhäuser standen auf einem Feldsteinsockel, etwa 50 cm hoch, und waren so von der Erde gut isoliert. Unten ging ein Luftzug hindurch, der das Haus und die Räume trocken hielt. Auf das Feldsteinfundament wurden die Vierkantbohlen gelegt, wobei die Balken auf den Lagerfugen waagerecht übereinander in einem Falz steckten – “Blockhausverbundsystem“.
Hervorstechend waren die Eckverbindungen durch ineinander gefugte Schwalbenschwanzzapfen, eine ungemein schwierige Arbeit auch für erfahrene Zimmermänner. Die Vierkantbohlen waren so präzise aufeinander gelegt, dass keine Luft hindurch zog, und sorgten so für eine perfekte Isolierung. Die Innenwände wurden mit einem Rohrgeflecht ausgeschlagen und mit Lehm verputzt. Die Wandflächen in den Giebeln verschalte man mit farblosen Brettern in schönen Mustern, nie mit massivem Holz. Die Dächer deckte man mit Schilfrohr oder Stroh.
Allerdings ersetzte man im 19. und 20.Jh. die Reetdächer wegen der Feuergefahr und der entsprechend hohen Feuerversicherung weitgehend durch Dächer aus roten Ziegeln. Einen weiten Dachüberstand nutzte man zum Trocknen der Holzfeuerung oder zum Aufbewahren von Geräten Außen erhielten die Häuser offene oder geschlossene Veranden, die möglichst mit Schnitzwerk verziert waren. So entsprachen die masurischen Holzhäuser etwa den nordischen Holzbauten in Skandinavien. Ihre Errichtung war allgemein eine dörfliche Gemeinschaftsleistung.[2]
[1] Mitteilung der Deutschen Minderheit in Ermland und Masuren, Juni 2011
[2] Günter Schiwy, Masurische Holzbauten mit Schilfrohrdächern, Masurische Storchenpost, Oktober 2014, S. 26 ff
[3] Wolfgang Kaufmannn, Plünderung statt Sold, Oprbl. Nr. 17/2021 (30. April), S. 18