Memelland

Zur Geschichte des Memellandes

Das Memelland ist weder ein historischer noch ein geographischer noch ein politischer Begriff. Wenn das Memelland Gegenstand einer Abhandlung ist, dann meint man damit das Gebiet nördlich der Memel, das nach dem 1. Weltkrieg aufgrund des Versailler Friedensvertrags vom Deutschen Reich abgetrennt worden war.[1] Dennoch ist es altes Kulturland, das in die Entwicklung des Baltikums und des Preußenlandes eingebunden ist.

Die Kuren lebten ursprünglich entlang der gesamten Ostseeküste vom Samland bis nach Kurland. Auf Grund einer Klimaveränderung im 12. Jh. – es wurde feuchter und sumpfiger – zogen die Südkuren zu ihren nordkurischen Verwandten, wo es zwar kälter, aber trockener war. Als Seeleute und Piraten besuchten sie jedoch immer wieder ihre alten Fischgründe im Haff. Als dann im 14. Jh. das Klima wieder trockener wurde, zog es sie in ihre alte Heimat zurück. Zwischen den Kuren und Litauern befand sich noch das Gebiet der Samogitier/ Szemaiten/Niederlitauer. Litauen war zu der Zeit ein Binnenland in der Gegend um Kaunas und weiter östlich.[2]

Noch bevor der Deutsche Orden an der Weichsel begann, das Prußenland zu erobern, gab es Anstrengungen, das Gebiet nördlich der Memel zu missionieren. 1199 traf Bischof Albert von Livland in Magdeburg mit dem Grafen Konrad I. von Dortmund zusammen. Der Dortmunder beteiligte sich an der Missionierung Livlands. Mit 23 Schiffen steuerten die Pilger” in die Dünamündung.

Zu Beginn des 13. Jhs. begann der Schwertbrüderorden mit der Eroberung Livlands. Der Deutsche Orden drang bis 1283 in das prußische Gebiet bis zur Memel ein. . Um eine Verbindung zwischen beiden Ordensregionen herzustellen, legte der Schwertbrüderorden 1252 mitten in der Wildnis an der Einmündung der Memel ins Haff eine hölzerne Burg an, die als verbindende Brücke dienen und Ausgangspunkt für eine städtische Siedlung sein sollte .Darüber fand eine entsprechende Einigung zwischen dem Bischof von Kurland und dem Deutschen Orden statt. Dieses Jahr gilt deshalb als Gründungsdatum für die Stadt Memel und man feierte im Jahr 2002 den 750jährigen Geburtstag. Die Burg wurde 1253 fertig, und in unmittelbarem Anschluss daran begann der Stadtbau. Memel ist also ihrem Ursprung nach eine baltische Stadt und gehörte zu Kurland; erst im 14.Jh. ging sie in den Besitz des Deutschen Ordens über, behielt aber ihre besondere Stellung, die sie mit Kurland/Livland wie mit Preußen verband.

In seiner Urkunde von 8. 2. 1253 berichtet der Bischof von Kurland, daß die Stadt an der Memelburg zunächst den Namen Neu Dortmund (Nova Tremonia) erhalten solle, weil ein großer Teil der Bürger, die sie gebaut hatten, aus Dortmund kam.

Nach der Stadtgründung müssen aber zunächst gewisse Zweifel bestanden haben
über die Rechtsbewidmung, denn sowohl Lübeck wie Dortmund wurden vom
Ordensmeister von Livland, Anno von Sangershausen, und dem Bischof Heinrich von Kurland 1254 um Übersendung ihresr Rechtsauffassung gebeten, was sie auch von beiden Städten, mindestens aber von Lübeck erhielten. Memel neigte dem Dortmunder Stadtrecht zu, doch letztendlich obsiegte das lübische Stadtrecht. Beide Urkunden, die Bitte wie die Gewährung, sind nicht mehr erhalten. 1475 löste das kölmische Recht das lübische ab.

Über die Bevölkerungverhältnisse fehlt es vorläufig noch an Untersuchungen.
Ländliche Siedlungen sind in der frühen Zeit nicht in der Umgebung Memels
zu finden, so daß die Stadt nicht aus dem eigenen Umland, “sondern von Samland aus ernährt
wurde. Noch um die Mitte des 15. Jh.s war die Umgebung siedlungsleer, und im
gesamten Memelland gab es vor der Neubesiedlung “keine überdauerende
Restbevölkerung”. Die städtische Bevölkerung ist offenbar von Anfang an deutsch gewesen, den anderen Städten entsprechend, und die Wahl lübischen Rechts geht sicher auf die Handelsbeziehungen zurück, die Lübeck mit den livländischen und Deutschordensstädten verband.[3]

Memelburg und Stadt Memel waren wegen des fehlenden Hinterlandes ein neuralgischer Punkt in der Verteidigung gegen die heidnischen Litauer, die sich heftig bis 1386 gegen ihre Christianisierung wehrten. Da dieser Gebietsabschnitt von Livland aus kaum zu verteidigen war, trat der Landmeister von Livland die Memelburg und das umgebende Land 1328 an den Deutschen Orden ab. Seit 1392 der für Memel zuständige Bischof von Kurland für die Überlassung seines Drittels weltlichen Gebietes um Memel ein Abfindung erhielt, war das weitere Schicksal des Memellandes fest mit dem Preußens verbunden. Die Grenze zu Litauen von 1422 (Frieden am Melno-See) war tatsächlich bis 1920 festgeschrieben.[4] Die kirchlichen Belange von Memel nahm hinfort der Bischof von Samland wahr.[5]

Memel war der Sitz eines Ordenskomturs, der die Kreise Memel und Heydekrug verwaltete. Er unterstand direkt dem Hochmeister und übte alle Befugnisse der Obrigkeit aus wie Landverleihungen, Steuerwesen, Gerichtsbarkeit. Unterbeamte gab es nicht. Die Bevölkerung dürfte um 1560 etwa 3.000 Personen umfasst haben.[6]

Im Städtekrieg 1454 – 1466 wurde Memel verschiedentlich auf der Seeseite von Danzig und auf der Landseite von den Schamaiten angegriffen und erobert. Dabei kaperten die Danziger 14 Schiffe, teilweise mit Ladung.[7] Als der Orden die Stadt 1455 zurückeroberte, brannte sie vollständig ab. Livländische Komture nisteten sich ein und betrieben von hier aus Seeräuberei, bis der Orden 1472 wieder die Herrschaft mit Waffengewalt übernahm. Bei der Neugründung 1475 erhielt Memel vom Hochmeister Heinrich von Richtenberg das allgemein übliche kölmische Recht und seitdem entwickelte sich die Stadt nach und nach, zumal Memel ab 1464 eigene Schiffe halten durfte.[8] Allerdings gab es noch 200 Jahre lang Streitigkeiten mit Königsberg, weil diese den Memelern untersagten, auf eigene Rechnung und ohne Vermittlung durch die Handelshäuser in Königsberg Handel zu treiben.[9]

1513 erfolgte die vollständige Trennung zwischen Preußen und Livland mit Kurland, indem Hochmeister Albrecht von Hohenzollern dem livländischen Ordensmeister gegen eine Tonne Gold sämtlich Abgaben an den Deutschen Orden erließ und damit auf die hochmeisterlichen Rechte gegen ihn verzichtete.[10]

Im Reiterkrieg Preußens gegen Polen nutzten die Danziger die Gelegenheit, um Memel 1520 mit drei Kriegsschiffen zu überfallen, die halbe Stadt abzubrennen, ein Schiff mit Wein zu kapern und die Dangemündung durch Ballaststeine zu versperren. Offenbar erst 1814 hat man diese Mündung wieder frei geräumt.[11]

1597 erhielt Memel das Jahrmarktsprivileg. Der Markt wurde ab dem 15. August für ein bis zwei Wochen abgehalten. Im 19. Jh. verlegte man den Zeitpunkt auf den Sonntag nach Pfingsten mit einer Dauer von acht Tagen.[12] Allerdings durften sich die Königsberger vorbehalten, den Memeler Handel zu beaufsichtigen, bestimmte Waren vom Handel auszuschließen und bei Zuwiderhandlung solche Warenn zu beschlagnahmen. Diese die Memeler verdrießende Unmündigkeit währte bis zur Besetzung durch die Schweden und hörte dann auf. Am 15. 10. 1657 erhielt Memel auch offiziell per Dekret des Kurfürsten das Privileg des eigenen freien und unbeschränkten Handels.[13]

An der Ecke der Marktstrasse erhielt Memel 1594 ein neues Rathaus.[14] Im Dreißigjährigen Krieg ließ Kurfürst Georg Wilhelm ab 1626 Memel zum Schutz gegen die Schweden unter König Gustav Adolf zu einer Fortifikation ausbauen, was erhebliche Auswirkungen auf die Bebauung der Stadt hatte.[15] Zum Abriss vom Memeler Häusern, der Landkirche St.Nikolaus, der Wohnhäuser von drei Geistlichen und der Schule für die Baustelle der Befestigungsanlagen, wobei die Steine teilweise für den Wall verwendet wurden, dichtete Simon Dach mehrere Strophen zum “Abschied von Memel”, darunter die folgende Strophe:

Viel Gärten sind zu jener Zeit
Hie, dünket mich, gewesen;
Mars hat dies alles für den Streit
Ihm nun zum Wall erlesen.[16]

1629 wurde dann vereinbart, dass die Schweden u. a. das nun gut befestigte Memel mit Umgebung für sechs Jahre zur Verfügung gestellt bekamen.

Am 8. oder 9. November 1672 wurde der Oberst Christian Ludwig von Kalckstein in der Festung Memel enthauptet. Er war in den 1660er Jahren wegen Amtsmissbrauch zu lebenslanger Haft verurteilt, jedoch auf Bitten der Kurfürstin zu einer Geldstrafe verurteilt und freigesetzt worden. Von Kalckstein floh 1670 nach Warschau an den Hof des polnischen Königs, wurde jedoch auf Anweisung des Kurfürsten gekidnappt und heimlich über die preußische Grenze transportiert, wo ihn der Prozess wegen Agitation gegen den Kurfürsten erwartete, der mit dem Todesurteil endete. Damit war ein wesentlicher Opponent der Stände aus dem Weg geräumt und die einst beachtliche Macht der Stände nachhaltig geschwächt worden.

Am 19. November 1678 wurden die Vorstädte Crammeist und Vitte angezündet, um den im Anmarsch befindlichen Schweden die Deckung zu nehmen. Der Wind sorgte jedoch dafür, dass das Feuer auf die ganze Stadt übergriff, die fast total – bis auf Stadtkirche, Pfarrgebäude und einige wenige Bürgerhäusern – abbrannte. Der Große Kurfürst machte nach seiner berühmten Schlittenfahrt über das Eis des Kurischen Haffs der Bedrohung durch die Schweden ein Ende.[17]

Preußisches Litauen ist ein Begriff aus der friderizianischen Periode und kennzeichnete damals die nördlichen und östlichen Gebiete Ostpreußens – etwa von Memel bis Goldap, wo sich seit dem Ende der Ordenszeit, vor allem aber in der Herzogszeit, zahlreiche Ansiedler aus Großlitauen niedergelassen hatten. Vor 1450 gab es kaum Litauer in Preußen. In den nächsten 90 Jahren wanderten etwa 800 Familien ins Ordensland ein. Sie kamen aus wirtschaftlichen oder religiösen Gründen, mitunter aber auch um der Willkür mancher polnischer Grundbesitzer zu entweichen, die in Litauen mit Land belehnt worden waren und der Orden nahm sie gerne auf.[18] Der Orden hatte diese ” Läuflinge“, wie die Flüchtlinge damals genannt wurden, nicht gerufen, schickte sie aber auch nicht zurück, wie es die litauisch-polnischen Gutsherren gerne gehabt hätten. Sie waren den Ordensherren und nach 1525 auch den Behörden des Herzogs willkommen und wurden bei der Besiedlung der sogenannten “Wildnis” nach Kräften gefördert.

Als 1540 die Türkensteuer erhoben wurde, mit der der Widerstand gegen die in Mitteleuropa anstürmenden Muselmanen finanziert werden sollte, stieg die Einwanderungszahl der Litauer aus Großlitauen sprunghaft auf ca. 8.000 Familien an und erreichten dadurch einen Bevölkerungsanteil in den nördlichen preußischen Kreisen von etwa 50 % bis 70 %. Diese Entwicklung hing vermutlich auch mit der Zwangspolonisierung in Litauen 1569 zusammen. Das Herzogtum Preußen und die Kirche förderten das Litauertum im eigenen Land, was durch wichtige kulturelle Leistungen ihren Ausdruck fand: 1547 Druck des ersten Buches in litauischer Sprache, 1590 Herausgaabe der ersten Bibelübersetzung ins Litauische, 1654 Verfassen der ersten litauischen Grammatik, 1706 Druck des ersten weltlichen litauischen Buches, 1808 Publizierung des ersten Gedichtsbands von Christian Donalaitis.[29]

Die Zuwanderer verschmolzen in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten mit den ansässigen Prußen und Deutschen und assimilierten sich auf diese Weise. “Preußisch Litthauen” – aus litauischer Sicht auch “Kleinlitauen” – benennt somit den östlichsten Regierungsbezirk des Königreichs Preußen mit den Ämtern Insterburg, Ragnit und Tilsit, seit 1808 als “Kgl. Preußische Litthauische Regierung“, später Regierungsbezirk Gumbinnen deklariert. Dazu gehörten auch Stadt und Kreis Memel, die zum Regierungsbezirk Königsberg zählten. Zu Großlitauen haben diese Gebiete aber nie gehört, sondern waren vor Ankunft des Ordens von Prußen und Kurenbesetzt.[19]

Die nördliche Grenze des Memellandes zu Litauen verlief etwa von Nimmersatt bis Schmalleningken, die südliche Grenze führte entlang der Memel mit den Armen Ruß und Skirwieth und im Osten grenzte das Memelland an die Ostsee. Der Gebietsstreifen war etwa 140 km lang und 15 – 20 km tief.[20]

Mit dem Inkrafttreten der Preußischen Verwaltungsreform am 1. September 1818 gab es im Memelland den Kreis Memel mit Memel Land und Memel Stadt und den Kreis Heydekrug, Die Kreise Niederung, Tilsit und Ragnit verwalteten Landesteile, die sich nördlich der Memel befanden.

Zu Beginn der 1820er Jahre gab es schlechte Ernten mit der Folge, dass viel Vieh aus Futtermangel verendete. 1829 gab es starkes Hochwasser, das etliche Gebäude zerstörte und viel Vieh ertränkte. Dazu brachen 1829/30 die Blattern aus, gefolgt von einer Pockenepidemie. Als sich 1831 ein Korps von 6000 polnischen Aufständischen vor einer russischen Übermacht nach Preußen rettete, brachten sie die Cholera mit, an der auch etliche Memelländer erkrankten und starben. Als man merkte, dass Choleraleichen außerhalb der geweihten Friedhöfe beigesetzt wurden, gab es einen Volksaufstand, an dem sich 1.000 Leute beteiligten. Es folgten eine Grippeepidemie, weitere Überschwemmungen, Mißernten und extreme Kältephasen. Das Memelland hatte also in dieser Zeit eine ungemein schlechte Phase.

Im März 1888 begann das schwerste Hochwasser im Memelland im 19. Jh. Das Eis hatte eine Stärke von 70 cm erreicht und darauf fiel in diesem Monat noch 60 cm Schnee. Am 2. April begann bei stürmischem Wetter der Eisgang. Über zwei Tage lang stürmte das Eis des gesamten Memelgebietes über das Gebiet von Ruß und einer weiteren Ortschaft, schob sich dort durch die Straßen. Etliche Äcker wurden überflutet und mit Schwemmsand zugedeckt. 14 Häuser wurden in Ruß, Schieszkrandt und Schiesz fortgerissen, dazu acht Ställe, 305 Häuser wurden beschädigt, insbesondere durch einstürzende Schornsteine.[21]

Im Zuge der Eroberung Preußens unter Napoleon blieb das Memelland unbesetzt und deshalb verlegte der preußische König seine Residenz dort hin. Während der Verhandlungen, die zum Frieden von Tilsit führten, nahm das preußische Königspaar sein Standquartier in Piktupönen.

Mit dem 1. 9. 1818 nahm der Kreis Memel seine Tätigkeit auf. Erster Landrat wurde Rittmeister a. D. Ernst Flesche.[22] Bei der Neuordnung der Verwaltung unterstellte man Memel und Memel Land der Regierung in Königsberg, die Kreise Heydekrug, Tilsit und Ragnit der Regierung in Gumbinnen.

Seit der Einverleibung des Baltikums durch die Russen war der Memeler Hafen für diese Gebiete ohne Bedeutung. Da das Hinterland auch sonst fehlte, nahm die wirtschaftliche Bedeutung Memels im 19. Jh. stetig ab. Die Poststrasse Berlin – St,. Petersburg führte nunmehr über die Chaussee nach Tilsit und von dort über Laugßargen in Riochtung Tauroggen, und nicht mehr über die Kurische Nehrung und über Memel. Einen weiteren Tiefpunkt erlebte Memel durch einen großen Brand 1854, der die althergebrachte Bebauung zerstörte. [23]

Wesentlicher Industriebetrieb und Arbeitgeber war die Zellstofffabrik in Memel-Schmelz. mit rund 1.000 Beschäftigten. Die Zellulosefabrik Memel AG war 1898 in Hannover mit einem Aktienkapital von 840.000 RM gegründet und 1899 in die Handelsregister von Hannover und Memel eingetragen worden. Der Betrieb startete 1900, zunächst mit Anlaufschwierigkeiten, die man auch nicht in den Griff bekam. Nach der Fusion 1905 mit dem Aschaffenburger Zellstoff- und Papierkonzern wurde die Memeler Fabrik zu einem der bedeutendsten Zellstoffbetriebe in Europa ausgebaut. Im 2. Weltkrieg wurden die Produktionsanlagen schwer beschädigt, doch nach dem Krieg wieder unter sowjetischer Regie instand gesetzt.[24]

Memel verfügte als Hafenstadt auch über eine Schiffswerft, die allerdings keine große überregionale Rolle spielte. Sie war jedoch der Ausgangspunkt für die Lindenau-Werft, die nach dem 2. Weltkrieg in Kiel einen Neubeginn mit vielen alten Memeler Mitarbeitern und internationalem Geschäft erlebte.[25]

Bereits am 2. August 1914 fielen russische Streitkräfte ins Memelland ein, zerstörten in den Bahnhöfen Szameitkehmen und Kukoreiten die Meldeanlagen und rissen die Schienen auf, um den Schienenverkehr nach Memel zu unterbrechen. Die damit eintretende Unruhe in der Bevölkerung wurde schnell behoben. Der Krieg beschränkte sich im Memelland zunächst auf Scharmützel entlang der Grenze. Am 18. März 1915 eroberten die Russen die Stadt Memel, wurden aber nach drei Tagen wieder vertrieben. Damit waren die Kriegshandlungen im Memelland erschöpft und man ging an den Wiederaufbau der eingetretenen Zerstörungen. Die Stadt Lübeck übernahm die Patenschaft des Kreises Heydekrug.[26]

Anfang August 1944 wurde für die memelländische Zivilbevölkerung der Räumungsbefehl erteilt und die Treckkolonnen versammelten sich ordnungsgemäß auf der Südseite der Memel in vorherbestimmten Aufnahmegemeinden. Ende August rief man die Bevölkerung noch einmal ins Memelland zurück, um die Ernte einzubringen, doch das Memelland war stark gefährdet. Anfang Oktober 1944 stießen die Sowjets bis zur Ostsee südlich von Memel vor, um die Kurlandarmee von der Verbindung zum Reich abzuschneiden. Dabei versank das Land in dasselbe Chaos, das später auch im restlichen Ostpreußen eintrat. Der neue Evakuierungsbefehl kam zu spät, die Wege waren vom Militär verstopf, die Rote Armee war unerwartet schnell vorgestoßen, die Flüchtlinge wurden überrollt. Nur die Stadt Memel konnten sich in den nächsten vier Monaten noch als Brückenkopf halten, bis auch sie Ende Januar aufgegeben werden musste.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Memelland 1948 von der Oblast Kaliningrad abgetrennt und der Litauischen Sowjetrepublik zugeordnet. 1990 erklärte sich Litauen einschließlich Memelland zum souveränen Staat.

Der Fluß Memel entspringt in Weißrussland, südwestlich von Minsk und trat einst bei Schmalleningken in Ostpreußen ein. Bis dahin hieß er Njemen, litauisch heißt er Nemunas. Schon vor Gründung der Mummelburg findet sich die Bezeichnung “Memela”.[27] Der Abschnitt zwischen Obereißeln und Schreitlaugken wurde zu den schönsten Uferlandschaften in Deutschland gezählt, vergleichbar dem Rhein bei Mainz. Auf dem südlichen Ufer erhebt sich der 100 Meter hohe Signalberg, in der Schreitlaugker Forst der Kapellenberg mit fast 80 Metern, gefolgt vom Rombinus mit 35 Metern.[28] Vor dem Eintritt in das Kurische Haff teilt sich die Memel in die Mündungsarme Ruß und Gilge und die Ruß wiederum in Skirwiet und Atmath.


[1] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 15
[2] Beate Kappelhoff, Opr-forum 25.8.06
[3] so Karl v. Dohna-Reichertswalde, Opr-forum, 26.4.03. Die Quellangaben stammen so aus den Jahren1882-1939, ob sie oder welche von ihnen ggf. heute noch als wissenschaftlich zitierbar gelten, kann ich nicht sagen.
[4] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 152
[5] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 249
[6] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 328
[7] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 250
[8] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 153 + 251
[9] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 260
[10] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 257
[11] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 257
[12] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 261/262
[13]
[14] 263 Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 266
[15] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 263/264
[16] zitiert nach Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 264
[17] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 270
[18] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 123
[19]Beate Szillis-Kappelhoff, 5. 4. 2007 im Ostpreußenforum, Viktor Kittel in Oprforum 25.1.06, Schumacher, Fußnote Seite 199
[20] Richard Meyer, Kreisschulrat in Heydekrug, Heimatkunde des Memelgebietes, Memel 1922
[21] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 396
[22] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 341
[23] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 157 f
[24] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 610 f
[25] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 607 f
[26] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 399
[27] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 67
[28] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 70
[29] Wolfgang Kaufmann, Als Litauer Ostpreußens Wildnis urbanisierten, PAZ Nr. 40/2024 (4. Oktober), S. 18

Literatur

Hermann Pölking – “Das Memelland. Wo Deutschland einst zu Ende war”

Verlagstext

Das Memelland war immer eine Region, in der Deutsche, Litauer, Kuren, Russen, Polen und viele andere aufeinander trafen. Hermann Pölking nimmt den Leser mit auf eine Reise durch die Geschichte dieser europäischen Sehnsuchtslandschaft. Im Vordergrund stehen jeweils Orte, an denen heute noch die Vergangenheit spürbar wird: Von Nimmersatt, dem einst nördlichsten Dorf des Deutschen Reichs, über das Sommerhaus von Thomas Mann auf der Kurischen Nehrung bis hin zur Landschaft um das Dorf Willkischken, die Johannes Brobowski zum Schriftsteller werden ließ. So entsteht eine lebendig erzählte Geschichte, die als Kulturführer in das Gepäck jedes Baltikum-Reisenden gehört.

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