Geschichte der Stadt Klaipeda – Memel

Vor dem Bau der Mümmelburg, gab es an der Mündung der Dange, also gegenüber der Burg, eine Fischerlischke mit Handelsplatz, denn die Lage zwischen Schalauern, Kuren und Wikingern war für den Warenaustausch sehr günstig. Diese Siedlung hieß möglicherweise Klaipeda (das ist “Brotstadt).[1] Die Herkunft dieses Namens ist noch nicht zufriedenstellend geklärt, zumal er sich nicht aus einer der baltischen Sprachen ableiten lässt.[2]

Die Burg, die in Übereinkunft zwischen dem Bischof Heinrich von Kurland und dem Deutschen Orden, vertreten durch Eberhard von Seyne als dem Statthalter des Hochmeisters, 1252 gegründet wurde, stand am Ufer des Haffs nahe der breiten Flußmündung, die man richtigerweise als den Memelstrom ansah, etwa am heutigen Festungsgraben, wo der Fluß Dange in mehreren Armen einmündete. Man gab ihr den Namen „Mummelburgk“. Aus Nemonas – Nemunas – Njemen entstand irgendwie durch Verballhornung, man weiß nicht genau wie, der Name Memel. Möglicherweise gaben auch die in den Altgewässern der Memel reichlich vorhandenen Mummeln, das sind Seerosen, den Anlass für die Benennung der Burg, woraus dann im Sprachgebrauch Memel wurde. Bereits ein Jahr später ersetzte man die Holzkonstruktion durch eine steinerne, vierflügelige Burg, die man wegen des labilen Untergrunds etwas weiter ins Land hinein versetzte. 1255 belagerten die Samen die Burg erfolglos, ebenso der litauische Fürst Gedimin 1323, der aber die Stadt Memel eroberte. 1379 gelang es allerdings dann litauischen Stämmen doch noch, der Stadt und ihrer Burg habhaft zu werden und beide zu zerstören.

Neben der Burg entwickelte sich eine Siedlung, die 1257 lübisches, später kulmisches Recht erhielt. Der Bischof von Kurland hatte bereits 1253 die Stadtgrenzen festgelegt. 1328 trat der Schwertbrüderorden Stadt und Burg Memel an den Deutschen Orden ab.

Weil den deutschen Siedlern die Gegend zu abgelegen erschien, zog man Kuren zur Besiedlung heran. Einige wenige Litauer, die wegen ihres Übertritts zum christlichen Glauben aus dem noch heidnischen Land flüchten mussten, kamen im 13. und 14. Jh. hinzu.

Im Städtekrieg eroberten 1459 Polen, Litauer und auch Szamaiten verschiedentlich die Stadt, während die Danziger gleichzeitig die Küste blockierten. Danziger und Elbinger plünderten Memel 1464.

Dennoch behauptete Memel sich als agiler und eisfreier Handelshafen und als respektabler Konkurrent zu Danzig und Elbing. Damit war Memel auch attraktiv für zuwandernde Kaufleute aus England, Schottland, den Niederlanden, für Salzburger und  Hugenotten.[15]

Im schwedisch-polnischen Krieg wurde Memel 1626 Garnisonsstandort des preußischen Herzogs, der als Lehnsuntertan des polnischen Königs gegen die Schweden kämpfen musste. 1629 überantwortete man die Stadt samt Zitadelle, der vormaligen Burg, für 6 Jahre den Schweden. Im Nordischen Krieg griffen die Schweden 1678 die Stadt Memel erneut an, konnten aber die Zitadelle nicht einnehmen. Der Kommandant der Festung, Graf Dönhoff, hatte die Vororte Vitte und Sandwehr niederbrennen lassen, damit sich die Angreifer dort nicht verbarrikadieren konnten, aber das Feuer griff auch auf die Stadt über und zerstörte diese sehr umfangreich. Die Schweden zogen sich jedoch zurück, weil die Festung standhielt.

1706 wurde die Schule in Memel neu gebaut. Man nimmt aber an, dass das Schulwesen in Memel weit ins 16. Jh. zurückreicht.[16]

Von der Großen Pest im Anfang des 18. Jhs. war auch Memel betroffen. Im Jahr 1710 starben in der Stadt etwa 2.000 Menschen an dieser Seuche. Im Umland von Memel wurden ganze Dörfer entvölkert. Auch in Memel wütete die Große Pest 1709 und raffte 1881 Menschen hinweg.1732 kamen 233 Salzburger Exulanten nach Memel.[17]

Im Siebenjährigen Krieg wurde die Festung Memel am 4. 7. 1757 von den Russen erobert. Obwohl der Festungskommandant von Memel, Oberstleutnant von Rummel, große Reserven anlegen und die Vorstadt einebnen ließ, war das Ungleichgewicht der Kräfte zu große gewesen: den 800 mehr oder minder gut einsatzfähigen Verteidigern standen 30.000 Russen zu Land und zur See gegenüber und der Festungskommandant nahm vernünftigerweise das Kapitulationsangebot der Russen nach einer Woche an. Die Memeler hatten der Zarin Elisabeth zu huldigen, eine russische Garnison von über 10.000 Mann aufzunehmen und erhebliche Kontributionszahlungen zu leisten. Die Memeler Kaufleute passten sich der Situation recht schnell an und profitierten von den ausgabefreudigen Russen, dem wachsenden Fernhandel und den erheblichen Holzeinschlägen auf der Nehrung und den nördlichen Wäldern. Am 6. August 1762 verließen die Russen die Stadt und gaben die Festung wieder an Preußen zurück. Der lebhafte Handel ging dabei weiter. 1792 wurden mehr als 1.000 Schiffe gezählt, die den Hafen anliefen, weshalb der Hafen ausgebaut werden musste. Die Zahl der Holzschneidemühlen stieg stark an.[18]

Nach der russischen Besetzung büßte Memel seine strategische Bedeutung ein und die Festung verfiel zusehends. 1821 waren nur noch zwei von fünf Türmen erhalten, am Ende des 19. Jhs. waren die Mauern der Burg abgetragen, zumal man 1865 mit dem Bau einer neuen Festung in Süderspitze auf der schräg gegenüberliegenden Kurischen Nehrung begonnen hatte.[19]

In der napoleonischen Zeit ab 1807 bis Januar 1808 nahm die Königsfamilie mit ihren Kindern, den königlichen Brüdern, Ministern, Hofbeamten etc. zwangsläufig in Memel Quartier. Das Königspaar bewohnte das Haus des Kaufmanns Consentius, das später zum Rathaus wurde. Die Prinzen wohnten im Haus des Kaufmanns Argelander und freundeten sich mit dessen Sohn Wilhelm Argelander an, der später ein berühmter Astronom wurde. Anstelle dieses Hauses stand später das schöne Postamt.[20]

Memel hatte in der französischen Zeit einen erheblichen Rückgang des Seehandels auf 200 bis 300 Schiffe pro Jahr zu verkraften. Dafür blühte aber ein einträglicher Schmuggel mit englischen Waren auf, der um französische Erzeugnisse erweitert wurde, als Russland den Import von französischen Produkten verbot. Die französischen Kontrollbeamten profitierten ebenfalls, indem sie sich ihre geschlossenen Augen vergolden ließen, und sogar der französische Konsul Fourmery d’Ambreuille ließ es geschehen, dass englische Waren über Memel in ganz Osteuropa bis nach Triest vertrieben werden konnten.[3]

Als sich Napoleon 1812 auf den Angriff auf Russland vorbereitete, wurden zahlreiche militärische Kräfte bei Memel konzentriert, was die Requisitionen und Kontributionen noch einmal in die Höhe trieb. Franzosen und Preußen verstärkten gemeinsam die Befestigungsanlagen und in dieser Zeit weilte auch General Yorck in Memel. Als im Oktober die Truppen sich nach Kurland in Marsch setzten, wurde es zunächst ruhiger, doch als die geschlagene französische Armee im Dezember zurück flutete, wurde es noch einmal lebhaft in Memel. Die hier stationierten Franzosen flüchteten, ihre Munition fiel den Russen in die Hände und die Stadt kapitulierte am 26. Dezember 1812 vor den russischen Kommandeur Philipp Marquis Paulicci. Am 29. Dezember feierte man die Befreiung von den Franzosen mit einem festlichen Diner mit anschließendem Ball im Hotel de Russe für die russischen Offiziere. Erst später wurde deutlich, dass die Russen davon träumten, die Weichsel zur russischen Westgrenze zu machen – also schon damals hatten sie Appetit auf Ostpreußen.[21]

Im Jahr 1809 wurde in Memel die erste – private – Seenot-Rettungsstation Deutschlands gegründet. Die Kaufmännische Korporation stiftete dazu ein Rettungsboot, das 1810 seinen Dienst aufnahm. Es war vornehmlich mit einem Lotsen bemannt. Nach diesem Vorbild entstanden in den 1820er Jahren weitere private Rettungsstationen in Pillau und Mellneraggen. Die Station in Memel wurde 1839 in eine staatliche Rettungsstation umgewandelt. Auf Initiative des Nationalökonomen Arwed Emminghaus schlossen sich 1865 die bis dahin privaten Rettungsstationen von Bremen, Kiel, Lübeck und Rostock zur Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger zusammen. Von 1884 bi 1888 traten auch alle fiskalischen Rettungsstationen in Preußen der Gesellschaft bei, so auch Pillau, Memel und Mellneraggen.[4]

Während unmittelbar nach den Beschlüssen des Wiener Kongresses 1816 der Seehandel sich nur mühsam steigerte, waren es 1853 schon wieder über 1.000 Schiffe, die den Memeler Hafen anliefen, im darauf folgenden Jahr des Krimkriegs, als die russischen Ostseehäfen von Engländern und Franzosen blockiert waren, sogar 1766 Schiffe. Überhaupt profitierte der Seehandel von Krisenzeiten wie diesen. Exportiert wurde vor allem Holz, aber auch Getreide, Flachs, Häute etc., sehr viel davon nach England. Importiert wurden vor allem Steinkohle, Heringe, Salz, Eisen.[5] Bei steigenden Umsätzen ging die Anzahl der Schiffe im Laufe des Jahrhunderts stark zurück, weil die Segelschiffe gegenüber den aufkommenden Dampfern nicht mehr konkurrenzfähig waren, 1899 gab es nur noch einen Segler. Von dem Niedergang der Segelschiffe waren natürlich auch die zahlreichen einschlägigen Handwerksbetriebe wie Böttcher, Seiler, Reepschläger, Sattler, Glaser elementar betroffen.

1854 zerstörte eine Feuersbrunst große Teile der Stadt. Das Löschkommando war zwar schnell zur Stelle, aber ein orkanartiger Sturm machte deren Bemühungen zunichte. Die Holzläger gingen in Flammen auf, Funkenflug erreicht auch entfernte Stadtteile. 256 Wohnhäuser, 83 Speicher, 49 Scheunen und Schuppen und etliche Ställe, Johanniskirche, Reformierte Kirche, verschiedene Schulen und andere öffentliche Bauten wurden eingeäschert, die Akten des Kreisgerichts, die Kostüme und Dekorationen des Schauspielhauses und eine Bücherei wurden ein Opfer der Flammen, zwei Plünderer verbrannten. Fast 3.000 Personen wurden obdachlos. Aber Heinrich Schliemann wurde reich und verdoppelte sein Vermögen, weil der Schuppen mit seinem Waren vom Feuer verschont geblieben war[22]

1860 wurde das Luisengymnasium durch Umwandlung der existierenden Realschule gegründet, welches entwicklungsmäßig auf die alte Lateinschule zurückging, die vermutlich schon zur Reformationszeit bestand. Es war ein humanistisches Gymnasium für Knaben. Das alte Schulgebäude war 1854 abgebrannt und neben der ebenfalls in Trümmern liegenden Johanniskirche 1856 neu aufgebaut worden. Ein neues Schulhaus konnte am 1. April 1891 bezogen werden.

Die Auguste-Victoria-Schule für Mädchen wurde1830 erneut gegründet, nachdem der erste Anlauf für eine “Obertöchterschule” nur von 1806 bis 1812 bestanden hatte. Aus dieser Schule ging 1887 ein Lehrerinnenseminar hervor, das 1912 einen Neubau erhielt, der heute noch existiert. Während das Seminar 1924 einging, bestand die Auguste-Victoria-Schule weiter als Lyzeum, also als Mädchen-Oberrealschule.[23]

Der Eisenbahnanschluss erfolgte in Memel 1875 an die Strecke nach Tilsit.[6]

Im Juni 1905 wurde Memel eine Kreisstadt im Regierungsbezirk Königsberg und war insgesamt die nördlichste Stadt im Deutschen Reich und außerdem ein nicht unbedeutender Industriestandort: neben zwei Schiffswerften gab es eine Chemische Fabrik, Eisengießereien, Maschinenfabriken, eine Seifenfabrik, Zellulose-, Zigaretten-, Essig-, Kerzen- und Tauwerkfabrikation, Bierbrauerei und Branntweinbrennereien. Es gab bedeutende Handelshäuser für Holz, Leinsaat, Flachs, Hanf, Steinkohle, Düngemittel und Fische. Die Reedereien umfassten eine größere Anzahl von Küstenfischerei-Fahrzeugen und 15 Dampfschiffe. Den Hafen frequentieren 1906 insgesamt 570 ankommende und 598 abgehende Schiffe. Memel war Sitz eines Landgerichts, eines Hauptzollamtes, einer Prüfungskommission für Lotsen und Seefahrer, eines Lotsenkommandos und einer Rettungsstation für Schiffbrüchige und hatte ein Gymnasium, Schullehrerseminar, Präparandenanstalt, Navigationshauptschule, ein Waisenhaus und ein Aussätzigenheim.[7]

Während des 1. Weltkriegs zogen die Russen am 18. März 1915 in Memel ein. Viele Einwohner waren bei minus 20° C über die Nehrung nach Cranz oder noch weiter geflüchtet. Obwohl die Russen schon drei Tage später, am 21. März, vertrieben wurden, waren 60 Memeler erschossen und viele drangsaliert worden.[8] Die Läden und Gastwirtschaften in der Hauptgeschäftsstrasse wurden geplündert und verwüstet, der Wasserturm am Bahnhof gesprengt.[24]

Am 9. Januar 1920 unterzeichnete der deutsche Reichs- und Staatskommissar Graf Lambsdorff in Paris das Übereinkommen über die Abtretung des Memellandes. Am 10. Januar trat der Versailler Vertrag in Kraft. Am 15. Februar 1920 wurde das Memelgebiet gemäß den Bestimmungen des Friedensvertrags von Versailles vom 19. 7. 1919 von Graf Lambsdorff an den Vertreter der alliierten und assoziierten Mächte General Odry übergeben.[9] Das war zwar einerseits schmerzlich, andererseits konnte die Stadt Memel ihr Hinterland wieder für den Handel erschließen und erhielt politisch eine bisher nicht gekannte Handlungsfähigkeit, ohne auf übergeordnete preußische Instanzen Rücksicht nehmen zu müssen. So konnte z. B. der Hafen nach eigenen Vorstellungen ausgebaut und modernisiert werden, erhielt einen neuen Passagierkai, neue zusätzliche Kräne, neue Mineralöltanks etc. Die Zellulosefabrik wurde voll ausgelastet, eine Export-Schlächterei für Fleisch vornehmlich nach England entstand. Ein Hochhaus entstand, in das die Gebietsverwaltung des Memelgebietes einzog, ab 1939 die Polizeidirektion und unter den Sowjets die Milizzentrale.[10]

1923 gründeten die Litauer ein eigenes Gymnasium in Memel, das Vytautasgymnasium, mit einem neuen Gebäude. Darin wurden 1938 489 Schüler unterrichtet. Sie war achtklassig und entsprach etwa einer deutschen Mittelschule. Im Laufe der 1930er Jahre wurde eine private Aufbauschule für den litauischen Lehrernachwuchs angegliedert.[11]

Von Oktober 1944 bis Januar 1945 war Memel ein hart umkämpfter Brückenkopf und dementsprechend stark zerstört. Unter sowjetischer Regie wurde Memel nach dem Krieg wieder zu einer Großstadt von 130.000 Einwohnern aufgebaut. Auch etliche repräsentative Altbauten haben die Kriegsfurie überstanden – so das Theater, heute die älteste Bühne Litauens, die Marktstrasse, das Dampfboot-Haus und Sparkasse an der Libauer Strasse, das Rathaus, das Schifffahrtshaus an der Dange, die Krankenhäuser und Schulen wie die Auguste-Viktoria-Schule, Kantschule, Luisengymnasium, die neue Post, das Lehrerseminar, das Schützenhaus mit seinem repräsentativen Saal, die Stadtbücherei, das Viktoriahotel, die Staatsbank, die Kasernen am Rand der Plantage. Der zerstörte Rote Leuchtturm wurde am selben Platz wieder aufgebaut. Verschwunden sind die Börse und sämtliche große Kirchen. Es gibt aber noch die Friedhofskapelle und eine apostolische Kirche. Der Fischereihafen wurde zugeschüttet, in Schmelz eine neue Fischerstadt aufgebaut mit Kaianlagen, Kühlhäusern und Gleisanschlüssen. [25]

Königlich Schmelz war seit dem 20. 6. 1833 ein selbständiger Gemeindebezirk und umfasste die Güter Spitzhut, Rumpischken, Bernsteinbruch, Königl. Schmelz mit Schmelzberg, Myrthenhof und Marienhof. Durch Einbeziehung der Mühle Rumpischken entstand 1858 die “Gemeinde Schmelz“. Der Memeler Vorort Rumpischken bekam seinen Namen von dem Kaufmann Rump, der hier 1715 Eigentümer war.[26]

Der Große Kurfürst unterstützte weitsichtig neben Königsberg und Kolberg auch Memel beim Schiffsbau, indem er kostenlos Holz für den Schiffbau zur Verfügung stellte und eine zeitlich begrenzte Zollermäßigung gewährte. Das belebte den Schiffsverkehr. Während Ende des 17. Jhs. und Anfang des 18. Jhs. jährlich 20 bis 50 Schiffe den Memeler Hafen anliefen, waren es 1788 mit 800 Schiffen mehr als sich in Königsberg einfanden. Exportiert wurden hauptsächlich landwirtschaftliche Produkte, Bernstein, Häute etc. Seit die Memeler ab 1728 Schiffsmasten verkauften, kam sukzessive der Holzhandel in Gang, der später eine so große Bedeutung erlangte.[27]

Am Anfang seiner Geschichte sollte Memel Hafen und Handelsplatz für das große schamaitische Hinterland und damit Pendant zu Königsberg und Riga werden. Seit dem Frieden am Melnosee 1422 wurde es jedoch von diesem Hinterland abgetrennt, war die nördlichste Stadt Preußens und später des Deutschen Reichs. Memel hatte keine prächtige großbürgerliche Architektur aufzuweisen und lag im Deutschen Reich am Rande des Geschehens, war Vorposten gen Osten. So kam es, dass die Stadt neben Aurich in Ostfriesland als Verbannungsort für Beamte angesehen wurde, die sich irgendwelcher Verfehlungen schuldig gemacht hatten.[12] Als Litauen zur Sowjetunion gehörte, war Memel deren Ausgangspunkt für die Atlantikfischerei und wesentlicher Umschlagsort für den Außenhandel.[28] Heute ist Klaipeda ein starkes wirtschaftliches Zentrum Litauens.

Jetzt soll die Memelburg wiedererstehen, und zwar im Bauzustand des 17. Jhs. Nach Fertigstellung wird daraus ein multifunktionales Objekt mit Teilen des Museums für die Geschichte Kleinlitauens, Räumen für historische Bildung, Konferenzzentrum, Repräsentationsräumen der Stadtverwaltung, Touristeninformation sowie einem Zentrum für historische Handwerkskünste und Verkaufstände für Erzeugnisse des Handwerks. Es ist geplant, den ersten Bauabschnitt 2013 abzuschließen – rechtzeitig zur litauischen EU-Präsidentschaft.

Weitere Informationen zur Memelburg beim Heimatkreisvertreter Memel-Stadt: Hans-Jörg Froese, Phöbener Chausseestrasse 10, 14542 Werder-Phöben, e-mail hjfroese@web.de, der gleichzeitig Präsident der Prussia ist.

Die bekannteste Zeitung des Memellandes war das “Memeler Dampfboot“, das mit kurzer Unterbrechung nach dem Krieg, seit 1849 bis heute erscheint. Der Titel war nicht nur angemessen für eine Hafen- und Handelsstadt, sondern machte auch auf den Fortschritt in der Seefahrt aufmerksam. In der zweiten Hälfte des 19. Jhs. entwickelte sich das Blatt zur führenden Zeitung im Memelland. Nach der Okkupation des Memellandes durch Litauen musste sich das Memeler Dampfboot als Sprachrohr der deutschen Memeler bis zum 2. 11. 1938 einer Zensurbehörde unterordnen und auch Geldstrafen für Verstöße zahlen Der Autor des “Buchs vom Memelland, Heinrich A. Kurschat, trat 1935 in die Redaktion des Memeler Dampfboots ein. Er sorgte dafür, dass die Zeitung ab 1948 in der Bundesrepublik weiter erscheinen konnte.[29]

In Memel wurde der Astronom Friedrich Wilhelm August Argelander (22. 3. 1799 – 17. 2. 1875) als Sohn eines finnischen Kaufmanns und einer deutschen Mutter geboren. Als die königliche Familie sich in Memel aufhielt und öfter die Familie Argelander besuchte, freundete sich der junge Argelander mit dem Kronprinzen an, besuchte dann das Gymnasium in Elbing und das Collegium Fridericianum in Königsberg und begann dort 1817 zu studieren. An der Albertina lehrte Friedrioh Wilhelm Bessel, der den Studenten Argelander in seinen Bann zog und 1820 zu seinem Assistenten machte. Im Jahr seiner Promotion 1823 veröffentlichte er auch noch die Schrift „Untersuchungen der Umlaufbahn des Großen Kometen von 1811“, die ihn in Fachkreisen in ganz Europa bekannt machte. Das war sicher ein Grund dafür, dass er noch im selben Jahr als Observator an die Sternwarte in Turku, Finnland, delegiert wurde, was er mit seiner Hochzeitsreise verband. Hier forschte er, bis er 1837 nach Bonn wechselte, wo er eine neue – preußische – Sternwarte aufbaute. Diese wurde 1845 eingeweiht und Argelander begann hier, den Himmel systematisch zu durchmustern. Bis 1863 vermaß er mit seinen Assistenten über 324.000 Sterne und stellte damit einen Sternenkatalog auf, der als “Bonner Durchmusterung” bekannt wurde. Im Sommer 1874 erkrankte Argelander an einem heftigen Fieber und starb im folgenden Jahr in Bonn, wo er auch begraben wurde.

Rudolf Naujock schrieb in Ruß die “Kleine memelländische Dorfchronik”. Naujock wurde in Schmelz geboren und wurde Lehrer. Nach dem Krieg lebte er im Taunus: Sonstige Werke: Romane – “Daheim am Strom”; “Gewitter am Morgen”; “Die Solberweide”; “Der Herr der Düne”; “Frau im wischenland”; “Sommer ohne Wiederkehr”; “Die Beiden Trabanten”; “Zeit der hellen Nächte”‘. Erzählungen – “Das Lächeln der Guten”; “Über den Schatten springen”.

Der Maler Karl Eulenstein wurde in Memel geboren. Er hat viel in Nidden gelebt und gemalt.[30]

In Memel wurde der Maler und Graphiker Archibald Bajorat (15. 3. 1923 – 15. 12. 2009), Maler und Weltbürger, geboren. Er malte viele Sujets auf der Kurischen Nehrung, insbesondere auch nach der Wende von 1991. Die Eheleute Bajorat gründeten 1973 auf Anregung von Walther Bühler ein Therapeutikum für Rhythmische Massage, Mal-Therapie und Heil-Eurythmie in Oberursel, das bis Mai 2008 bestand. 1989 zeigte Bajorat in seiner ersten Ausstellung in Memel Bilder aus dem Kalevala-Epos. Er unternahm viele Reisen nach Skandinavien und Finnland und präsentierte dort seine Werke in 150 Ausstellungen, wo insbesondere die Große Düne im Vordergrund stand. [13]

Aus Memel stammt die Sängerin Lena Valaitis, geboren am 7. 9. 1943. Der Vater fiel im Krieg, die Mutter flüchtete mit Lena und ihrem Sohn in den Westen des Reichs und fand in Memmingen eine neue Heimat. Lena besuchte dort die Volksschule und später das Litauische Gymnasium in Hüttenfeld, wo sie aber zwei Jahre vor dem Abitur abging. Statt dessen begann sie eine Ausbildung bei der Deutschen Bundespost in Frankfurt/Main. Bereits während der Schulzeit hatte sie Gesangsunterricht genommen. Jetzt nahm sie erfolgreich an Nachwuchswettbewerben teil und konnte 1970 ihren ersten Platenvertrag bei Phillips unterzeichnen. Später trat sie auch in der Hitparade von Dieter Thomas Heck auf und brillierte mit dem Song “Ob es so oder so oder anders kommt”. Ihr größter Erfolg war die Teilnahme am Grand Prix d’Eurovision 1981, wo sie mit “Johnny Blue” den zweiten Platz belegte. 1993 zog sich Lena Valaitis aus dem Showgeschäft zurück, kam aber 2001 mit dem Titel “Ich lebe für den Augenblick” auf die Bühne zurück. Eine weitere Pause folgte 2008 nach dem Tod ihres Mannes Horst Jüssen, Schauspieler, Kabarettist und Autor, mit dem sie fast 30 Jahre verheiratet war. Inzwischen setzt sie jedoch ihre Karriere fort.[14]

Zur Geschichte von Memel mit vielen Bildern und Landkarten siehe auch http://wiki-de.genealogy.net/Memel . Viele Informationen entstammen dem Buch von Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990.


[1] York Albat, Oprforum 2.4.07,
[2] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 239
[3] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 281
[4] Hans Georg Prager, Das Seenotwerk begann in Ostpreußen, PAZ Nr. 47/09 (21, Nov.), S. 11
[5] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 292
[6] Richard Meyer, Heimatkunde des Memelgebietes, Memel 1922, S. 100
[7] GenWiki über Memel
[8] Richard Meyer, Heimatkunde des Memelgebietes, Memel 1922, S. 101
[9] Richard Meyer, Heimatkunde des Memelgebietes, Memel 1922, S. 102; Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 400
[10] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 317 f
[11] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 489
[12] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 100
[13] Benjamin Weder, einziger offizioeller Privatschüler, Assistent und Verwalter seines Nachlasses, Memeler Dampfboot, 20. 2. 2010 – weder@googlemail.com
[14] M. Rosenthal-Kappi, Star seit über 40 Jahren, PAZ Nr. 36/2013 (7. September), S. 9
[15] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 21
[16] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 482
[17] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 271
[18] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 272 f
[19] H.-J. Froese, Die Geschichte der Memelburg, Oprbl. Nr. 3/2009 (17. Januar), S. 13
[20] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 278
[21] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 281 f
[22] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 294
[23] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 487 f
[24] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 316
[25] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 108 f
[26] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 267/268
[27] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 271
[28] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 21
[29] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 534 f
[30] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 526