Wilkischken

Vilkyskiai – Willkischken/Willischken

Willkischken liegt inmitten des von Endmoränen geprägten Hügellandes des “Willkischker Höhenzuges” zwischen Heydekrug und Jurbarkas, das man mitunter auch als die kleine litauische Schweiz bezeichnet. Die Hügel erheben sich gerade mal 40 bis 50 Meter über die Umgebung, weshalb man den Vergleich mit der Alpenregion auch als Ausdruck lokalpatriotischen Überschwangs werten kann. Aber das gibt es ja nicht nur hier. Jedenfalls beginnen bei Willkischken die weitläufigen Wälder, die sich bis weit ins Litauische Kernland hinein erstrecken.

In die Geschichte tritt Willkischken etwa im 16. Jh. als Kirchspiel ein. Das Gut Willkischken existiert seit 1628, als der Ragniter Kornschreiber Wolf Michael Müllkünzel fünf wüste Hufen nebst Kruggerechtigkeit erwarb.

In der nachfolgenden Zeit litten die Einwohner von Willkischken unter der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Brandenburg-Preußen und den Schweden, aber auch unter Pestepidemien. Der daraus resultierende Bevölkerungsschwund wurde teilweise durch den Zuzug von Salzburger Emigranten ausgeglichen.

Ein Brand bei der Eroberung des Dorfes durch die Russen 1757 zerstörte etliche Häuser, die Kirche, das Pfarrhaus, die Schule.

Bis zur Abtrennung des Memelgebietes nach dem 1. Weltkrieg gehörte Willkischken zum Kreis Tilsit, danach zum Kreis Pogegen und nach der Rückkehr zu Deutschland zum Kreis Tilsit-Ragnit. Die Nationalsozialisten richteten umgehend hier ein Lager des Reichsarbeitsdienstes ein. 1936 wurde der Ort in Willischken umbenannt.

Am 7. Oktober 1944 wurde der Befehl zur Räumung des Memellandes erteilt und die Willkischker verließen für immer ihre Heimat.

Auf Veranlassung Herzog Albrechts erfolgte 1561 die Errichtung des Kirchspiels Willkischken. Die damals gebaute Kirche, die in der Folgezeit mehrfach repariert werden mußte, wurde nach heftigen Zerstörungen im Siebjährigen Krieg in den Jahren 1770/71 durch einen Neubau ersetzt, ein Rechteck aus Ziegeln ohne Turm.

1895 wurde die Kirche abgerissen und bis 1898 ein neues Gotteshaus errichtet, ein neuromanischer dreischiffiger Ziegelbau mit 45 Meter hohem, spitzem Turm. Der flach gedeckte Innenraum war einfach ausgestaltet. Die Orgel war ein Bau von Terletzki in Elbing. Die Kirche hatte zwei Glocken, die eine war ein Guß aus dem Jahre 1772, die andere von 1814 aus der Werkstatt von Copinus in Königsberg. Letzter Pfarrer war Franz Leidereiter.

Nach dem 2. Weltkrieg nutzte man die evangelische Kirche als Getreidespeicher und Mühle und diese litt dementsprechend. In der Sakristei lagerte man ätzenden Kunstdünger, die Fenster waren ausgeschlagen, der spitze Helm des Kirchturms niedergerissen. Die Kirche hat die Strapazen der gottlosen Nutzung überstanden und präsentiert sich wieder in weitgehend ordentlicher Verfassung, wozu insbesondere die Familien Waltraut und Werner Boes, Edith und Hans Friederici und Christel und Herbert Meyer beitrugen. [1] Werner Boes – Werner.Boes@t-online.de – sammelt seit 1989 und immer noch Spenden, damit auch die restlichen Aufbauarbeiten geschafft werden.[2] Es wurden das Dach überholt, 1995 die neue Turmspitze eingeweiht, die zugemauerten Fenster frei gemacht und neue Glasfenster eingesetzt, Aus den Spendengeldern konnten außerdem eine neue Orgel und eine neue Glocke angeschafft werden sowie der Kirchenraum mit Altar, Kanzel und einem großen Kreuz ausgestattet werden. Jetzt sieht die Kirche wieder aus wie früher. Auch beim Pfarrhaus wurden Renovierungsarbeiten in Angriff genommen.[3]

Eine katholische Kirche wurde im ehemaligen Wohnhaus der jüdischen Familie Epstein, die in Willkischken ein Textilgeschäft betrieben und bei der Rückübertragung des Memellandes an Deutschland flüchteten, eingerichtet. Nach dem Krieg war das Haus Sitz der sowjetischen Geheimpolizei mit angeschlossenem Gefängnis, in dem grausam gefoltert worden sein soll, und seit 2006 nutzt die katholische Gemeinde das Gebäude wieder für ihren Gottesdienst.[4]

Eine Schule bestand in Willkischken bereits im 16. Jh. Das alte, vielfach renovierte bzw. wieder aufgebaute Holzhaus wurde 1818/19 durch ein massives Gebäude mit Strohdach ersetzt. Diese alte Schule steht neben der evangelischen Kirche.

Etliche Wohnhäuser und auch Gutsgebäude sind bis heute erhalten geblieben und zeigen Reste des Charmes, der die kleine Gemeinde einst auszeichnete. Die Altstadt von Willkischken steht heute unter Denkmalschutz. Das restaurierte Gasthaus Pechbrenner beherbergt heute das Hotel Lavirga.

In Willkischken wurde der Pfarrer Oskar Brüsewitz (30. 5. 1929 – 22. 8. 1976) geboren, der sich 1976 vor der Michaeliskirche in Zeitz öffentlich verbrannte, um gegen die DDR-Repression und den Anpassungsdruck auf die Evangelische Kirche zu protestieren. Aus der Kriegsgefangenschaft wurde Brüsewitz in die Sowjetische Besatzungszone entlassen. Er absolvierte in der Nähe von Chemnitz eine Schumacherlehre, siedelte dann aber um nach Melle bei Osnabrück, wo er eine Schuhmacherwerkstatt eröffnete und die Meisterprüfung ablegte. Seine Ehe scheiterte bald und er kehrte fluchtartig in die DDR zurück. Von 1964 bis 1969 besuchte er die Predigerschule in Erfurt, wurde 1970 ordiniert und erhielt in Rippicha bei Zeitz eine Anstellung als evangelischer Pfarrer. Als solcher handelte er oft unkonventionell und regimekritisch, was ihm viel Zuspruch und eine volle Kirche, aber auch einige Kritik von staatlichen Stellen und Amtsbrüdern einbrachte. Am 18. August 1976 parkte er seinen Wartburg, auf dessen Dach er zwei den Kommunismus verdammende Plakate aufgestellt hatte, vor der Michaeliskirche in Zeitz und übergoss sich mit Benzin, das er anzündete. Er starb an den Folgen seiner Verbrennungen. Seine Tat fand ein lebhaftes Echo in den westlichen Medien und führte zu einer DDR-weiten Solidarisierung. Etliche Intellektuelle protestierten bei der SED. Der Liedermacher Wolf Biermann bezeichnete die Selbsttötung als Republikflucht in den Tod und wurde zwei Monate später ausgebürgert. Die durch Brüsewitz entfachte Opposition wurde eine der Wurzeln für das Ende der DDR.

Willkischken war auch Handlungsort in dem Roman “Litauische Claviere” von Johannes Bobrowski.

Weitere Details zu Willkischken mit vielen Bildern und Landkarten siehe bei GenWiki “Willkischken” – http://genwiki.genealogy.net/Willkischken, http://genwiki.genealogy.net/Willkischken_(Gut) und http://willkischken2.jimdo.com/


[1] Oprbl. Nr. 29, 2008, S. 15
[2] e-mail vom 25. 9. 2011 – memel
[3] GenWiki
[4] GenWiki