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Gedwangen

Jedwabno – Gedwangen

Der Name des Ortes leitet sich ab von den prußischen Bezeichnungen Gedewewe oder Geduwene, die auf das Wort Geyde = Gerste zurückzuführen sind. Nördlich der Siedlung gibt es noch eine prußische Wehranlage, den „kleinen Schloßberg”, der vermutlich auch noch zu der Zeit benutzt wurde, als der Orden ins Prußenland einfiel.

Der Orden baute um 1375 in Gedwangen ein Jagdhaus, erstmals 1397 urkundlich erwähnt, in dem auch die ständischen Grundherren der Umgebung über das Volk zu Gericht saßen. Daneben gab es das Rittergut Lipnicken. Der Gutsherr auf Lipnicken namens Fleischer war 1804 gleichzeitig Rektor der Schule. Ursprünglich diente das 250 ha große Lipnicken wohl als Jagdgut. König Fiedrich II. verlieh es an den von ihm geadelten Leutnant Schmidt. Nachfolgender Eigentümer war Leutnant Rast und ab 1912 befand sich das nur noch 192,5 ha große Gut im Beitz der Familie Eugen Rasch.[6]

Die Einwohner des Ortes lebten von Beginn an hauptsächlich von der Ausbeutung der Bienen, indem sie Honig und Wachs sammelten. Daneben brannten sie auch den hier vorkommenden Kalk, den man z. B. nachweislich 1383 beim Bau der Neidenburg einsetzte, aber auch bis nach Königsberg und Elbing exportierte. Zeitweise gab es 11 Kalköfen in Gedwangen.

Eine Kirche neben dem nicht mehr existierenden Jagdhaus gab es vermutlich schon vor 1400. Eine sichere Nachricht gibt es aber erst seit kurz vor 1600. Turm in Westen, Vorhalle im Süden. Das folgende Gebäude wurde 1757 – 1759 anstelle einer 1721 abgebrannten Kirche aus dem 16. Jh. gebaut, 1934 noch renoviert und mit einer Warmluftheizung versehen, im 2. Weltkrieg stark beschädigt und 1966 der letzte Überrest in Form des bereits schief stehenden Turms abgerissen.[1] Das Kriegerdenkmal von Gedwangen für die Gefallenen des 1. Weltkriegs war einst von Generalfeldmarschall von Mackensen (oder Feldmarschall von Hindenburg?) 1922 eingeweiht worden.[2]

Die Kirche, die jetzt noch in Jedwabno steht und benutzt wird, ist die frühere und natürlich auch heutige katholische Kirche, ein Bauwerk von 1928 – 1932.

Als der Orden nicht mehr existierte, zogen die Geistlichen in das Jagdhaus ein, und als dieses baufällig war und abgerissen werden mußte, errichtete man auf seinen Grundmauern 1827 ein geräumiges, gutshausähnliches klassizistisches Pfarrhaus.

Gedwangen war ein Marktflecken seit 1861 und Kirchort, der 1937 rd. 1.300 Einwohner beherbergte. Er ist im Süden und Westen umgeben von ziemlich unfruchtbarem Land, von Wiesen und Sandflächen, die von Sumpfflächen unterbrochen werden, während im Norden und Osten bessere Böden anzutreffen sind. Da die städtische Konkurrenz ziemlich weit entfernt war, ließen sich in Gedwangen eine Vielzahl von Handwerkern der unterschiedlichsten Gewerke nieder. Die nahen Wälder begünstigten holzverarbeitende Betriebe wie Sägewerke, aber auch eine Schuhfabrik, die aus Erlenholz Holzpantoffeln herstellte. Der Ausbau der Straßen, vor allem der Chaussee von Passenheim nach Neidenburg in den 1860er Jahren führte zu einer spürbaren Belebung der Wirtschaft in Gedwangen. Aber auch die Separation zwischen 1827 und 1855 förderte den Wohlstand, was durch die zunehmende Anzahl von Häusern aus Stein anstelle von Holzkaten sichtbar wurde.

Eine Schule gab es in Gedwangen mindestens seit 1595 und diese war lange Zeit die einzige im Kirchspiel. Sie war bis zum Neubau eines Schulgebäudes 1859 einklassig, danach bis 1897 zweiklassig, dann dreiklassig. 1926 erhielt Gedwangen eine neue Volksschule mit Sportplatz, die dann über vier Klassen verfügte.[3]

Der Arzt Dr. Otmar Kohler, der 1902 zum Kreisarzt von Neidenburg ernannt wurde und imselben Jahr die erste Arztpraxis in Jedwabno/Gedwangen eröffnete, machte sich in seinem Dorf für den Bau eines Krankenhauses stark. Er überzeugte die Kreisbehörden von seinem Vorschlag. Das Krankenhaus wurde gebaut und 1910 offiziell eröffnet, nachdem Dr. Kohler bereits 1908 im Alter von 40 Jahren gestorben war. Das Haus existiert noch heute.

Dieser Dr. Otmar Kohler war der Vater des gleichnamigen Chirurgen Dr. Otmar Kohler (19. 6. 1908 – 27. 7. 1979), der dem Schriftsteller Heinz-Günther Konsalik als Vorbild für sein Buch „Der Arzt von Stalingrad” diente, das eine Auflage von 3 Millionen Exemplaren erlebte. Nachdem der Vater Kohler noch während der Schwangerschaft seiner Frau gestorben und auf dem Friedhof von Gedwangen begraben worden war, zog Mutter Kohler nach Gummersbach in Westfalen, wo Otmar Kohler geboren wurde. Nach dem Medizinstudium und einer angeschlossenen Facharztausbildung wurde Kohler gleich 1939 zu Beginn des 2. Weltkriegs als Chirurg in Feldlazaretten und bei einer Sanitätskompanie eingesetzt, geriet 1943 in Stalingrad in Gefangenschaft und wurde zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt, wo er in vielen Gefangenenlagern segensreich wirkte. Er arbeitete teilweise unter unvorstellbaren Bedingungen – eine Oberarm-Amputation gelang ihm mit einer geborgten Eisensäge, eine Schädeloperation mit Bohrer und Meißel aus einer Lagerschreinerei.[4] Am 31. 12. 1953 kam er frei und erhielt aus den Händen von Bundespräsident Heuß wegen seiner längst bekannt gewordenen aufopfernden Tätigkeit in der Sowjetunion das Große Bundesverdienstkreuz, 1954 die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft. Heinz-Günther Konsalik machte ihn als „Dr. Böhler“ zur Hauptfigur seines Buches, das das Leben in der sowjetischen Kriegsgefangenschaft anhand der Berichte vieler Heimkehrer schildert (erschienen 1956). In dem gleichnamigen Film (Premiere 1958) wurde der Arzt von O. E. Hasse dargestellt. Dr. Otmar Kohler wurde später Chefarzt des Stadt-Krankenhauses in Idar-Oberstein und starb kurz nach seiner Pensionierung.[5]



[1] Reinhard Kayss, 9. 8. 2010
[2] Die Heimat einst, Neidenburger Heimatbrief, Weihnachten 1972, S. 17
[3] Hans Jerwin, Gedwangen. Ein Dorf im Kreis Neidenburg/Ostpreußen, 1934, abgedruckt in Neidenburger Heimatbrief, Weihnachten 2015, S. 29 ff
[4] Wikipedia, August 2010
[5] Jürgen Szepanek, Der Arzt von Stalingrad, Neidenburger Heimatbrief, Pfingsten 2009, S. 78/79
[6] Fritz Suchalla, Marktflecken und Kirchdorf Gedwangen (Jedwabno), Neidenburger Heimatbrief, Ostern 1981, S. 48