Przytuly – Przytullen/Kleinkutten
Unweit von Kutten, abzweigend von der Strasse nach Pozezdrze – Possessern, liegt der Ort Przytullen, wesentlicher Handlungsort in den Erinnerungen des Schriftstellers Peter Jokostra: “Heimweh nach Masuren – Jugendjahre in Ostpreußen” (Auch als Taschenbuch im Heyne-Verlag 1985 erschienen). Przytullen wurde 1938 in Kleinkutten umbenannt. Dort gab es einen modern und fachkundig geführten Gutsbetrieb.
Dessen nüchterne Betriebsdaten sahen wie folgt aus: die Ländereien umfaßten 505 ha, davon 259 ha Acker, 40 ha Wiese, 60 ha Weiden, 117 ha Wald, 3 ha Wasser sowie Gelände für Hof, Park, Garten, Wege. Es wurden Winter- und Sommerroggen, Gerste, Hafer, Wickgemenge, Gemüse, Fütterrüben, Kartoffeln, Futtermais sowie Süßlupine und Bohnen für die Silage angebaut. Die eigene Brennerei durfte bis zu 106.000 Liter Alkohol herstellen. Es gab zuletzt 64 Pferde, 190 Rinder, 197 Schweine und 117 Schafe. Der Betrieb war elektrifiziert, hatte eine eigene Druckwasserversorgung und verfügte über alle notwendigen, damals modernen Gebäude, Maschinen und Fahrzeuge. Der Umsatz belief sich i. a. auf 170.000 bis 200.000 RM/Jahr, die Einnahmeüberschüsse in den letzten drei dokumentierten Jahren auf 26.000 bis 63.000 RM. Beschäftigt wurden zuletzt 83 feste Arbeitskräfte.
Dem Gutsbesitzer gelang mit seiner ganzen Familie die Flucht nach Westdeutschland. Die Straße zwischen Przytullen und Kutten ist gesäumt von stämmigen Birken – es ist ein schönes Bild, wenn man dort entlangfährt.
Obwohl es bereits in der Mitte des 18. Jhs. einen Lehrer gab, wurde erst 1820 im Ort eine einklassige Schule auf einer Anhöhe am Ende des Dorfes eingerichtet. Sie wurde nachhaltig von etwa 50 Schülern frequentiert.
Nahebei gibt es den See “Kleine Kutten”. Beim Chausseebau stieß man 1883 auf ein Gräberfeld mit Brandbestattungen aus der Zeit der römischen Kaiser und fand dort mehrere Augenfibeln, 1 Arm- und 1 Fingerring sowie 1 Lanzenspitze aus jener Epoche.
In Przytullen bestand 1553, als Kutten gegründet wurde, ein Vorwerk. Dieses verlegte man 1569 nach Popiollen, wobei in Przytullen eine Restfläche für eine Schäferei verblieb, und dieses Jahr gilt als Gründungsjahr des Ortes. Die Schäfereu arrondierte man nach den Zeiten der Großen Pest 1709 – 1711 mit Flächen, die jetzt brach lagen, und zwar in einem Umfang, der die Anlage eines Domänenvorwerks ermöglichte. Dieses verpachtete man 1715 – 1719 an den Landschöffen Johann Gottfried Strinke. Späterer Besitzer war der Amtsschreiber von Lötzen, Christoph Pilchowski, der das Anwesen 1776 von seinem Vater übernahm und es 1777 an den Amtmann Romeyke in Popiollen weiter reichte.
Das Vorwerk hatte 1815 eine Fläche von 33 Hufen (à etwa 16,5 ha) und wurde 1831 als Rittergut für 5.832 Reichstaler an den Sohn, Amtmann Michael Romeyke, verkauft. Der neue Besitzer vergrößerte die Betriebsfläche um rd. 100 ha und verkaufte das Gut 1838 für 13.000 Mark an Jul. Edwin Florian Fleischer, der ein Jahr später starb. Vom Erwerber Karl Reimer erbrachte der Verkauf einen Erlös von 14.000 Mark. Reimer vergrößerte die Gutsfläche erneut um 29 Hufe. Dessen Tochter Berta Reimer heiratete den Gutsbesitzer und Leutnant August Pilchowski-Kettenberg und der verkaufte das dann 50 Hufen umfassende Gut für 300.000 Mark am 6. 12. 1875 an Wilhelm Karl Fessel aus Westpreußen. Der wirtschaftete sehr erfolgreich und richtete in der Folgezeit Dampfbrennerei, Mühle und Meierei ein. Allerdings gab es 1881 einen Rückschlag, als ein Feuer das Brennereihaus, das Wohnhaus des Brennereiinspektors und etliche Stück Großvieh vernichtete.
Der Sohn Walter Fessel übernahm den Betrieb von seinem Vater am 20. 6. 1910 als hochleistungsfähiges Mustergut. Bei den Kämpfen mit den Russen im 1. Weltkrieg wurden die Gebäude des Gutes weitgehend zerstört, doch Walter Fessel baute sie mit großer Tatkraft wieder auf. Die Art und Weise seiner Bewirtschaftung kann man gut nachlesen bei Peter Jokostra. Walter Fessel starb im Oktober 1945 im Harz.
Kleinkutten, zusammengestellt von Georg Malz[1]
Kleinkutten, nahe dem See „Kleine Kutte“ gelegen, hatte 1939 eine Flächengröße von 840,2 ha, auf der 231 Einwohner lebten. Letzter Bürgermeister war der Landwirt August Wittke. Kleinkutten gehörte zum Amtsbezirk Wiesental. Dessen letzter Vorsteher war der Lehrer a. D. Fritz Schikorra aus Kl. Strengeln. Als Ortsteil gehörte das Gut Karlsberg zu Kleinkutten. Die Umbenennung von Przytullen in Kleinkutten erfolgte im Jahre1938. (Bis 1820 war für Przytullen auch die Bezeichnung Kutten, Kammergut gebräuchlich.)
Vorgeschichtliche Funde sind 1883 beim Chausseebau in der Nähe Przytullens entdeckt worden, und zwar mehrere Augenfibeln, 1 Arm- und 1 Fingerring sowie 1 Lanzenspitze auf einem Gräberfeld mit Brandbestattungen aus der römischen Kaiserzeit.
Auf der Gemarkung von Przytullen scheint seit 1553, der Gründung des Kirchdorfs Kutten, ein Vorwerk bestanden zu haben. Dieses wurde 1569, dem Jahr der Primordialverschreibung für das Dorf Przytullen, nach Popiollen verlegt, und zwar mit der Massgabe, dass in Przytullen 6 Hufen für eine Schäferei reserviert werden, während man die übrigen 49 Hufen zur Gründung eines Dorfes bestimmte, das mit Bauern besetzt wurde.
Nachdem während der Pestjahre 1709-10 viele der Bauernhöfe wüst geworden waren, schlug man deren Ackerflächen (12 Hufen) und Wiesengelände zur Schäferei, welche zum Kern eines neuen Vorwerksbetriebes wurde. Eine derartige Praxis ist nach den Pestjahren in Ostpreußen sehr häufig zu beobachten. Die wegen des Mangels an Menschen brachliegenden Flächen wurden zwischenzeitlich recht häufig für den Schäfereibetrieb genutzt. Gehalten wurden zu dieser Zeit in Przytullen bis zu 800 Schafe.
Für Scharwerksdienste wurden die Bauern aus den Dörfern Jakunowken, Jesziorowsken, Klein Strengeln, Kutten, Przerwanken sowie Willudden herangezogen.
Um 1700 war Hironimus Ungefug Amtmann in Przytullen und Wilhelm Adamski Landkämmerer, d.h. Wirtschaftsführer des Vorwerksbetriebes.
Aus den schlimmen Pestjahren in Ostpreußen (1709-10) überliefert Superintendent Hermann Braun eine tragikomische Begebenheit, die sich auf der Domäne Przytullen zugetragen haben soll: Pfarrer Paul Bernhard Drigalski (1676- 1752) aus Kutten, der mit seinem kleinen Sohn und einem Knecht zu den wenigen Überlebenden der Pest in seinem Kirchdorf gehörte, begab sich in das nahegelegene Przytullen, um zu erkunden , wer dort noch am Leben sei. Er traf auf eine in Seide gekleidete und mit Goldketten geschmückte junge Dame. Es war die Gänsemagd des Vorwerks, welche von allen Bewohnern als Einzige nicht der Seuche zum Opfer gefallen war. Sie hatte sich Kleidungsstücke und Schmuck der Frau des Pächters angeeignet, Nahrungsmittelreserven angelegt und versucht, in Przytullen zu überleben. Pfarrer Drigalski rügte sie für ihr Verhalten und nahm die Magd mit nach Kutten, wo sie ihm als Hilfe bei der Hausarbeit sehr nützlich war.
Von 1715-19 war Przytullen an den Landschöppen Johann Gottfried Strinke verpachtet. In der Ämteruntersuchung des Litauischen und des Ostpreußischen Kammerdepartements aus dem Jahre 1777 wird Johann Kaeler als Kämmerer des Vorwerks Przytullen genannt. Er versah dieses Amt bereits seit 5 Jahren. Johann Buscheck war seit 1767 Lohnschäfer auf dem Vorwerk. Für seine Arbeit erhielt er einen festen Betrag, war aber am Ertrag der Schafhaltung nicht beteiligt, allerdings auch nicht an den dabei anfallenden Unkosten.
1815 gehörte zum Domänenvorwerk Przytullen eine Betriebsfläche von insg.33 Hufen. 1831 wurde dieses für 5832 Reichstaler an Michael Romeyke verkauft und jetzt (gem. den behördlichen Vorgaben) als Rittergut eingestuft. Seine weitere Besitzgeschichte ist durch die chronikalischen Aufzeichnungen des Kaufmanns Oskar Thies recht gut dokumentiert. Romeyke vergrößerte die Betriebsfläche durch Zukauf von 399 Morgen Bauernland und verkaufte das Gut 1838 für 13.000 Mark, also mit beträchtlichem Gewinn, an einen gewissen Fleischer weiter. Fleischer verkaufte das Vorwerk 1839 an Karl Reiner für 14.000 Mark.
(Häufige Besitzwechsel, durch Überschuldung verursacht oder wegen erwarteter Spekulationsgewinne ausgelöst, waren vor allem beim Großgrundbesitz zu dieser Zeit in Ostpreußen an der Tagesordnung.)
Karl Reiner vergrößerte das Gut durch weitere Zukäufe von insg. 29 Hufen, legte die Vorwerke Natalienhof (1939 zur Gemeinde Kl. Strengeln gehörend) und Karlsberg an und verkaufte den gesamten Besitz 1875 an Wilhelm Karl Fessel aus Westpreußen. (Flächengrösse: 50 Hufen, Preis 300.000 Mark).
Fessel hat auf dem Gutskomplex eine Dampfbrennerei, Mühle, Meierei sowie eine Dampfpresstorffabrik eingerichtet und schuf damit für viele Menschen zusätzliche Verdienstmöglichkeiten. 1885 beschäftigte das Gut 100 polnische Wanderarbeiter alleine bei der Kartoffelernte. Auf dem Gut lebten zu diesem Zeitpunkt 134 Personen (28 Haushaltungen) in 6 Wohnhäusern. 1881 vernichtete ein Großfeuer das Brennereihaus, das Wohnhaus des Brennereiinspektors sowie mehrere Stück Großvieh.
Unter dem letzten Eigentümer des Gutes Kleinkutten, Walter Fessel, er hatte dieses 1910 von seinem Vater geerbt, galt Kleinkutten (Betriebsfläche zusammen mit Natalienhof: 550 ha) als Mustergut, auf dem Hochleistungen bei der Erzeugung von landwirtschaftlichen Produkten erbracht wurden. Einige Monate vor dem Ende der Kampfhandlungen des 1. Weltkrieges brannte der Gutshof von Przytullen bis auf wenige Reste nieder. Walter Fessel hat mit großer Tatkraft die teilzerstörten Gebäude wiederaufgebaut und sich besonders dem Hackfruchtanbau gewidmet. Er betrieb eine von den nach 1918 im Kreis Angerburg noch arbeitenden vier Brennereien. Auch arbeitete Walter Fessel engagiert bei berufsständischen Organisationen mit und war geschätztes Mitglied des Angerburger Kreisausschusses.
Die Flucht für die Gutsangehörigen begann am 22. 1 .1945 und führte über das Eis des Frischen Haffes, auf dem die meisten Fuhrwerke des Trecks versanken. Nur mit großer Mühe entkam der fast 70jährige Gutsherr dem Untergang und ist im Oktober 1945 im Harz verstorben.
Das Gut Karlsberg mit Flächenanteilen in Przytullen und Kl.Strengeln hatte 1903 eine Grösse von 192,92 ha und gehörte Rudolf Hundsdörfer, 1920 (jetzt mit 198 ha ausgewiesen) einer Familie Grohnert und danach Gustav Färber. Gehalten wurden auf dem Gut 1932: 16 Pferde, 50 Rinder und 30 Schafe.
Kleinkutten gehörte zum Kirchspiel Kutten.
Bereits zwischen 1744 und 1781 wird Michata Broza als Schulmeister und Schulze in Przytullen genannt. Eine einklassige Schule ist aber erst 1820.eingerichtet worden. Zu ihr gehörten 15 Morgen Schulland (1929). Das Schulgebäude befand sich auf einer kleinen Anhöhe am Ende des Dorfes. Die Schülerzahl lag im Jahr 1820 bei 51, 1854 bei 55 und 1935 bei 48. Als erster Lehrer wird 1820 Friedrich Schiemann genannt. Samuel Knischewski unterrichtete hier zwischen 1901 und 1924, Fritz Wegner zwischen 1925 und 1935. Letzter Stelleninhaber war ab 1937 Friedrich Möller. Während der Kriegsjahre wurde er von seiner Frau, Annemarie Möller, vertreten.
Quellen: Schmidt, Pfeiffer, AHB, Rech.Vf.,
[1] www.angerburg.de, Febr. 2007