Der Oberländische Kanal

Ein Kanalsystem wurde konzipiert für die Strecke Osterode nach Elbing mit einem Abzweig bei Mylomlyn – Liebemühl nach Ilawa – Deutsch Eylau am Geserichsee (jez. Jeziorak) und damit auch nach Zalewo – Saalfeld. Es sollte das wirtschaftliche Einzugsgebiet Elbings vergrößern, andererseits Deutsch Eylau und Osterode besser mit dem Frischen Haff verbinden.

Eine erste Anregung dazu gab es bereits 1825. Ein Vorbild zum Bau von Geneigten Ebenen existierte damals im Pennsylvania Kanal System, wo zwischen Hollidaysburg und Johnstown zwei Kanalenden durch eine 36 Meilen lange Eisenbahnlinie verbunden wurden, die über die Allegheny-Bergkette geführt wurde. Dabei schuf man zwischen 1829 und 1834 jeweils 5 geneigte Ebenen aufwärts und abwärts, auf denen die Schiffe, die auf die Eisenbahnwaggons verladen worden waren, hinauf und hinunter transportiert wurden. Ähnliches gab es offenbar im Verlauf des Morriskanal, der aus dem Legigh, einem Nebenfluss des Susquehannah, nach New York führte. Im nebenstehenden Bild des Pennsylvania Kanalstraßen symbolisiert Punkt 18 den Schiffstransport über die Berge und bei Punkt 1, dem Standort des berühmten nationalen Kanal-Museums der Vereinigten Staaten in Easton, beginnt der Morriskanal nach rechts.

Die Planung des Kanals für Ostpreußen dauerte dann fast 20 Jahre bis 1844. Nach 8 Jahren Bauzeit war ein Teilbereich bis Liebemühl und Deutsch Eylau fertiggestellt. Seit 1852 verkehrten zwischen Deutsch Eylau und Elbing Schiffe der Firma “Reederei Matzmor” (Schraubendampfer “Martha” und “Ernst”). Ein Transportunternehmen aus Saalfeld namens Munter verfügte über das Schiff “Ursula”.

Die Strecke von Liebemühl nach Osterode hat man offiziell erst im Jahre 1860 eröffnet, obwohl das erste Schiff aus Elbing nach Osterode schon im Jahre 1858 angekommen war. Den letzten Abschnitt des Kanalsystems von Osterode bis Alt Jablonken über den Pausensee hat man erst 1873 dem Verkehr übergeben.

Um eine gleichmäßige Wasserhöhe im Kanal zu gewährleisten, musste das Niveau der Seen gesenkt werden. Dadurch reduzierte sich die Fläche der in den Kanalverlauf eingebetteten Seen im Zeitraum 1845 – 1852 um 500 ha. Eine Sonderstellung nahm dabei der Abiskarsee ein, der noch 1,5 Meter tiefer lag. Hier ließ Steenke an der schmalsten Stelle des Sees das Kanalbett über 484 Meter auf einem künstlichen Damm verlaufen und teilte damit den Abiskarsee in zwei Teile, die allerdings unterirdisch verbunden waren.

Der Kanal hatte vom Drausensee bis Liebemühl eine Länge von 52 km, von Liebemühl bis Saalfeld eine Länge von 34 km und von Liebemühl bis Osterode und Baarwiese eine Länge von 30 km. Die Gesamtlänge des Kanals von Deutsch Eylau bis zum Drausensee beträgt rd. 176 km. Davon entfielen etwa 44 km auf künstliche Wasserstraßen, die Reststrecke verlief auf den in das System einbezogenen Binnenseen (Drausensee, Roethlofsee, Samrodtsee, Drewenzsee, Schillingsee, Pausensee). Die Schiffe durften 24,5 Meter lang, oben 3 Meter und unten 2,50 Meter breit sein bei einem Tiefgang von max. 1 Meter. Wegen der Schiffswagen auf den Geneigten Ebenen durften sie nur mit max. 50 Tonnen beladen werden. Das Fahrwasser war mindestens 1,25 m tief, die Sohlebreite betrug 7,53 Meter und die obere Breite 15,07 Meter.[1] Die Fortbewegung geschah in den Kanälen durch Pferdetreidel. Auf den Seestrecken war das Segeln erlaubt.

Vorwiegend wurde Getreide in den Hafen von Elbing transportiert. Mit der endgültigen Fertigstellung des Kanals 1873 war er aber bereits technisch durch den Aufschwung des Eisenbahnsystems überholt, obwohl er von 1872 – 1876 noch aufwendig verbreitert worden war. Die Eisenbahn konnte die Güter schneller und zeitlich flexibler befördern. Der Gesamtverkehr auf der Wasserstraße betrug im Jahre 1878 (berg- und talwärts) noch 44.210 Tonnen. Vor dem Bau der Thorn-Insterburger Eisenbahn 1872 war das Volumen entsprechend größer. Der Kanal diente noch bis 1912 dem Transport von Holz, Landwirtschaftsprodukten und Industriewaren. Danach blieb er mehr und mehr den touristischen Ausflugsfahrten und den Sportbooten vorbehalten .

Im 2. Weltkrieg wurden die Kanalanlagen beschädigt, aber nach Reparaturen, u. a. auch mit Hilfe des deutschen Reeders Adolf Tetzlaff (geboren 1888 in Siemiany–Schwalgendorf – 1952 in Ostróda-Osterode), der 1912 in Osterode die nach ihm benannte Reederei gegründet hatte und jahrzehntelang den Kanal mit seinen Ausflugsdampfern “Hertha” (1914), “Heini” (1925) und “Konrad” (1927) befuhr. Der Kanal wurde 1947 wieder eröffnet und am 11. 6. 1948 dem Verkehr zwischen Elbing und Osterode zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2015 erfolgte eine Generalüberholung der Geneigten Ebenen und großer Teile des Oberländischen Kanals.



[1] Prof. Dr. Alois Bludau, Oberland, Ermland, Natangen und Barten, abgedruckt in Osteroder Zeitung, Dez. 2010, S. 33 ff