Dolgorukowo – Stablack, Gut Waldkeim, Kreis Pr. Eylau
Die Landschaft des Stablack ist ein von Moränen geprägter weiträumiger Landesteil, der sich zwischen dem Mittellauf der Alle, dem Unterlauf der Passarge sowie ihren Nebenflüssen Drewenz und Frisching erstreckt. Die Gerölllandschaft baut sich zur Mitte hin stufenförmig auf und erlangt in der Gegend von Wildenhoff ein Niveau von 200 Metern üNN. Höchste Erhebung ist mit 215,5 Metern der Schlossberg bei Wildenhoff. Der mit den Moränen verbundene Reichtum an Steinen war Pate für die Namensgebung: prußisch stabis = Stein und laucks = Acker entwickelte sich zu Stablack = Steinfeld. Im Geländedreieck Kupgallen – Kanditten – Lichtenfeld traf man besonders häufig auf bemerkenswerte Findlinge. Königsberger Geschäftsleute und andere beuteten insbesondere nach 1900 diese Vorkommen in Steinbrüchen für den Bau von Straßen und Häusern aus. Die Besten benutzte man als Gedenksteine wie den Bismarckstein in Heiligenbeil und das Gefallenendenkmal in der Kirche von Badiau. Sehr bald wurden die Findlingsblöcke jedoch immer seltener, so daß der Abbau im Großen eingestellt wurde.
Die Höhenzüge werden unterbrochen von mehr oder weniger gewellten Ebenen, geprägt von Äckern, Weiden, Wiesen, Wäldern und Mooren. Besonders im Hochstablack hat sich einiger Waldbestand wie z. B. der sagenumwobene Goida erhalten, ein fast kreisrunder Mischwald. Noch zur Ordenszeit war die ausgedehnte Wildnis so schwer durchdringbar, dass Herkus Monte hierher flüchtete. Er wurde trotzdem von den Ordensrittern aufgespürt und am Ast einer Eiche aufgeknüpft. Aber auch in späteren Gefahrenzeiten diente der Stablackwald vielen Bauern als Unterschlupf. Bis ins 16. Jh. hinein war der Stablack aber auch reich an Wild: Auerochsen, Bären, Elche, Wildpferde, Hirsche, Wildschweine und allerlei Kleinwild. Der Schloßberg fällt nach Osten zu dem unmittelbar vor ihm liegenden Klaren See und dem Muschenkbruch, dem größten Hochmoor des Stablack, steil ab. Die Flora hier wird geprägt von braunen und braungrünen Torfmoosen, Wollgras, Moosbeeren und Krüppelkiefern, flankiert von einem Bruchwald aus Birken, Erlen und Fichten.
Hauptorte im Bereich des Stablack sind die Städte Domnau, Pr. Eylau, Landsberg, Mehlsack, Heiligenbeil und Zinten.
Im Sommer 1934 begann man, im östlichen Bereich des Stablack auf einer Fläche von 10.000 Hektar den „Truppenübungsplatz Stablack“ als zweiten Truppenübungsplatz neben Arys anzulegen. Seit der dritten Septemberwoche 1939 brachte man polnische Kriegsgefangene in großen Zeltlagern auf dem Gelände unter, bevor sie zum Arbeitseinsatz auf die umliegenden Dörfer verteilt wurden. Anschließend errichtete man hier das Stalag I A (Stammlager 1 a), ein Barackenlager für Kriegsgefangene. Zu Beginn des 2. Weltkjriegs wurden hier 40.000 Polen interniert, gefolgt von belgischen und französischen Gefangenen in 1940, dann von Russen und 1944 von Italienern. Insgesamnt nahm das Lager rd. 162.000 Kriegsgefangene auf, von denen viele starben und auf dem Lagerfriedhof Klein Dexen beigesetzt wurden. Polnische, belgische, französische und italienische Kriegsgefangene erhielten 543 Einzelgräber. Die russischen Soldaten begrub man in 14 Massengräbern. Seit 1990 erinnert eine Gedenktafel an die gestorbenen Lagerinsassen: „Internationaler Friedhof der Gefangenen von Stalag I A Stablack“.[3]
Unmittelbar nach dem Ende des 2. Weltkriegs wurden dann viele deutsche Männer und Frauen hier interniert.
Der russische Name Dolgorukowo für die Gartenstadt Stablack bezieht sich auf Fürst Dolgorúkow aus einem alten russischen Adelsgeschlecht, der sich in der Schlacht bei Preußisch Eylau vom 7. – 9. Februar 1807 gegen die napoleonischen Truppen hervorgetan hatte.
Der Lagerfriedhof von Stalag I A befindet sich rd. 300 Meter östlich von Klein Dexen. Dort wurde ein Denkmal erreichtet, zu dem eine Inschrift gehört, die übersetzt wie folgt lautet: „Internationaler Gefangenenfriedhof des einstigen hitlerischen Konzentrationslaagers Stalag I A Stablack. Im Lager befanden sich polnische, französische, belgishe und sowjetische kriegsgefangene Mannschaften und Unteroffiziersränge. Die Beisetzungen wurden ausgeführt in den Jahren 1939 – 1944. Polen, Franzosen, Belgier waren beigesetzt in Einzelgräbern, sowjetische beigesetzte Kriegsgefangene in ungeordneten Massengräbern. Im Jahr 1971 wurde aus 164 Gräbern die Exhumierung der Leichen französischer Kriegsgefangener durchgeführt.“[2]
Auch für die im Stablak I A gestorbenen Italiener wurde ein Gedenkstein aufgestellt, dessen Inschrift übersetzt lautet: „Zum Gedächtnis der im Lager Stalag IA Stablack verstorbenen Italiener – in Treue zu ihrem Militäreid – und der zivilpersonen, die selbst unter Tofdesdrohungen ihre Heimat nicht aufgeben wollten. 1943 – 1945“[4]
Während des ganzen 2. Weltkriegs war der Truppenübungsplatz mit Militär belegt. Es fanden laufend die verschiedensten Lehrgänge statt, die von den deutschen Soldaten durchlaufen wurden. Daneben gab es auch Einrichtungen wie eine streng geheime Anlage der Heeresmunitionsanstalt (MUNA). Dafür wurde extra 1937 ein Güterbahnhof an der Strecke Heiligenbeil – Pr. Eylau angelegt. Die militärische Nutzung durch die Sowjets schloss sich nahtlos an. Auch heute sollen im russischen Teil des Stablack noch Schießübungen stattfinden.
Auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes entstand ab Herbst 1935 zwischen den Flüsschen Liebe und Rogoßel auf den Flächen des Dorfes Domtau und der Güter Grundfeld und Waldkeim das Lager Nord und eine Ansiedlung, die Gartenstadt Stablack, heute russisch Dolgorukowo. Noch zum Kriegsbeginn war die vorgesehene Planung nicht vollständig umgesetzt. Diese Gartenstadt, die 1939 einschließlich Militär 2730 Einwohner zählte, geriet ohne große Kampfhandlungen in die Hände der Sowjetarmee, die vor allem die Kasernenanlagen weiter nutzte.
Die Kirche in Stablack entstand 1937 und wurde im 2. Weltkrieg nicht wesentlich beschädigt. Danach räumte man die Ausstattung der Kirche, die aus Klein Dexen stammte, aus und nutzte das Schiff als Pferdestall, später als Kinosaal. Danach wurde aus der Kirche der Sitz eines Clubs und inzwischen ist sie Kulturhaus. Den Turm riss man bis auf Dachfirsthöhe ab.
In Stablack wurde am 22. August 1938 der Sänger Günter Neumann geboren. Nach einer Ausbildung zum Stahlgussformer in Hennigsdorf kam er zur Solistenvereinigung des Berliner Rundfunks (1962) und wurde ein zunehmend anerkannter Tenor. Sein erstes Engagement erhielt er 1965 am Hans-Otto-Theater in Potsdam (als Boccaccio in Carl Orffs „Bernauerin“ und Belmonte in der „Entführung aus dem Serail“). Nach der staatlichen Solistenprüfung (1966) wechselte er für zwei Jahre (1967-1969) an das Deutsche National Theater in Weimar. 1969 wurde der 31jährige von Walter Felsenstein an der Komischen Oper in Berlin engagiert.
Gut Waldkeim musste 1934/35 ca. 50 Hektar seiner Betriebsfläche von 441 ha für die Anlage des Truppenübungsplatzes Stablack abgeben. Der Ort war einst ein größeres prußisches Dorf, in dem sich zur Ordenszeit Bauern aus dem Reich ansiedelten. Er wurde verschiedentlich in den Kriegen des Ordens – Hungerkrieg, Städtekrieg – stark in Mitleidenschaft gezogen. Im 18.Jh. gehörte das Gut zur Familie Dönhoff, abwechselnd in den Linien Friedrichstein und Dönhofstädt. Letzter deutscher Eigentümer war Carl Hüttenbach (gest. 27. 8. 1964) seit 1913 bis 1945. Nach dem Krieg war Waldkeim nach Dolgorukowo eingemeindet, ab 1997 aber mit dem russischen Namen „Walki“ wieder zu eine selbständige Gemeinde.[1]
[1] Gut Waldkeim, Preußisch Eylauer Kreisblatt, 3. 12. 2016, S. 25 f
[2] Herr Seiler aus Kusel, Bericht über Stablack –Dolgorukowo, Preußisch Eylauer Kreisblatt, 26. Mai 2018, S. 33
[3] E.B., Eine Gedenktafel in Pr. Eylau erinnert an Kriegsgefangenenleid, Oprbl. Nr. 53/2020 (31. Dezenmber), S. 13
[4] Herr Seiler aus Kusel, Bericht über Stablack –Dolgorukowo, Preußisch Eylauer Kreisblatt, 26. Mai 2018, S. 34
[5] Dr. Hans Hüttenbach, Gut Waldkeim, 1965 in Preußisch Eylauer Kreisblatt, 22. Mai 2021, S. 51