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Der Wandel ostpreußischer Familiennamen

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Die sorglose Art früherer Zeiten, die Namen zu schreiben, hat schon manchem Familienforscher argen Kummer gebracht. Gab es doch, ehe die Standesämter eingeführt wurden, keine festen Regeln, sondern man schrieb, wie man hörte, oder es einem gerade einfiel. Nicht nur in den Kirchenbüchern des 17. und 18. Jahrhunderts erscheint der Name des Vaters oft zahlreicher Kinder bei jeder Geburtsanzeige etwas geändert, sondern auch in amtlichen Urkunden scheute der Schreiber sich nicht, die Namen nach Gefallen abzuändern. Erst im 19 Jahrhundert wurde es besser, als die Ämter peinlich genau zu arbeiten begannen.

Besonders schlimm wirkte sich die Unsicherheit in Gegenden mit fremden Zuwanderern wie im östlichen Ostpreußen aus, deren Sprechweise nicht leicht verstanden wurde. Was soll man z. B. sagen, wenn Igney eigentlich Hugenin heißt? Ließ doch seinerzeit ein Goldaper Rechtsanwalt erklären, daß er den Namen seiner Schweizer Vorfahren Huguenin wieder annehme. Wie konnte solch ein Wandel geschehen? Der ursprüngliche Einwanderer aus dem französischen Schweizer Jura sagte in unserer Schreib-weise etwa ügeneng; denn der Franzose spricht das „H" nicht aus, unser „u" lautet bei ihm „ü", und die Endung guenin verschmilzt zu einem „eng" mit näselndem Klang, so daß Ugnen und bald Igney entsteht.

Fritz Schütz, der gründliche Gumbinner Familienforscher, zählt in seiner aufschlußreichen Schrift „Französische Familiennamen in Ostpreußen aus der Zeit der Schweizerkolonie". (Gumbinnen 1933) all die Abwandlungen der einzelnen Namen auf. Die Huguenin bringen es in den Kirchenbüchern bis auf 13 verschiedene Formen, von denen sich sechs bis heute erhalten haben.

Ein weiteres Beispiel schwankender Schreibweise, und zwar bei beiden Elternteilen, will ich nennen. Der Schweizer Jaques Cuilla gehörte zu einer Familie, die in der Form Cuillat aus der Westschweiz stammt und seit 1729 in Schwiegsein, Kreis Gumbinnen seßhaft ist. Jaques Cuilla ehelichte 1769 die Maria Magdalaine Petau. Beim ersten Kind 1770 wird der Vater Jaques Coullion geschrieben und die Mutter Marie Magdalaine Peteux, 1772 Jacob Cuilleme und Maria Magdalene, 1774 Jacob Guielleme und Marie Magd. Petoud. So entstehen in dieser Linie noch ganz andere Formen, sogar bis Killian. Gültig sind Cuillat und Peteaux.

Nun gibt es das nicht nur bei den Schweizern. Im Kirchenbuch von Nordenburg offenbart der Pfarrer 1731 einen ganz anders gearteten Namenswechsel. Da steht: Der Instmann Martin Partschan (Partczanny) oder Leinewand aus Kl. Bajohren läßt einen Sohn Jacob taufen. Die Nordenburger hatten das polnische Wort Parczan, welches soviel wie derbe Leinwand oder Gurt bedeutet, längst verdeutscht, und der Pfarrer machte das sozusagen aktenkundig.

Meint man etwa, solches Verändern käme nur bei fremdländischen Namen vor, so irrt man sich durchaus. Auch deutschstämmige Namen müssen das erdulden, nicht zum wenigsten die Salzburger. Wiebmer z. B., wie die Urform lautet, gebiert an die 20 Abarten, wovon Wiemer heute wohl am häufigsten auftritt.

Nicht nur unter uns Ostpreußen, auch anderswo geht Heimatliebe solchen Fragen nach. Das zeigt neuerdings ein schöner Aufsatz des Schweizer Forschers Jacob Kuratli. In der Heimatzeitschrift „Unser Rheintal" (Jahrgang 1969) schreibt er: „Wie sie einst aus dem Bezirk Werdenberg nach Ostpreußen auswanderten." Einst heißt hier 1712 bis 1715; und den Bezirk Werdenberg entdecken wir am Oberrhein unweit des Fürstentums Liechtenstein, wobei aus der Gemeinde Wartau besonders viele Menschen abwanderten. Und wiederum erscheint im andern Land andere Schreibweise Aus Gabathuler z. B. wird Capitoler. Copetuller Kaptuller u. ä.

Nach 1945 spannen sich mehrfach Fäden an zwischen den aus Ostpreußen vertriebenen Nachkommen der ehedem Eingewanderten und ihrer schweizerischen Stammesheimat. Kuratli erzählt einen Fall, wie die Vertriebenenfamilie Captuller nach Anfrage bei den Gabathulers in der Gemeinde Wartau fürsorgliche Betreuer fand.

Die Vielfalt solch veränderlicher Namen ließ schon manchen, der nach der Herkunft seiner Vorfahren suchte, an dem berüchtigten „Toten Punkt" verzagen. Da hilft nur Zusammenschluß und gemeinsames Suchen in Familienverbänden und Vereinen. Es erschließen sich häufig unge-ahnte Quellen. Das ist zugleich ein bescheidener Dienst an der ostpreußischen Heimat und entreißt sie der Vergessenheit, da auch bei veränderten Namen der Zusammenhang zwischen Menschen deutscher Sprache in Ost und West offenbar wird.

Diesem Streben widmet sich seit langem unser Verein für ost- und westpreußische Familienforschung mit seiner Zeitschrift „Altpreußische Geschlechterkunde", wo über 300 Mitglieder Austausch pflegen.

Walter Grunert

Quelle: http://archiv.preussische-allgemeine.de/1970/1970_11_21_47.pdf#search=familiennamen

Geniesst die Hitze
Klaus Holzmann

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Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag. Ich habe beim Verein für Familienforschung nach der dort genannten Veröffentlichung geforscht und folgende Mitteilung erhalten, die allen, die mehr wissen wollen, weiterhelfen wird:
" Die Sonderschrift 18 "Was waren unsere Vorfahren? Amts-, Berufs- und Standesbezeichnungen aus Altpreußen." ist noch als gedruckte Version (3. unveränderte Auflage, 1991) erhältlich. Sie können sie unter dem nachfolgenden Link in unserem Buchshop bestellen." Link: https://vffowbuchverkauf.de/SO-018

Manfred Höhne

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