Geschichte des Tilsiter Käses
16.01.2016
Käsereien bestanden bereits zur Ordenszeit. Die eingewanderten Holländer Mennoniten, die seit 1713 mit 105 Familien in der Memeler Niederung siedelten und in großen Mengen ihren „Mennonitenkäse“ vermarkteten, und auch die Salzburger verbesserten die Produktionsverfahren. Vor 1845 wurde in Plauschwarren/Milchbude bei Tilsit von einer Frau Westphal, geb Klunk (um 1790 – 1845) aus der Schweiz, Molkereibesitzerin in Tilsit seit 1840, eine Käserei eingerichtet. Als sie noch nicht verheiratet war, entwickelte sie auf dem Gut Brijohlen bei Tilsit den Brijolehner Käse, ein damals 600 bis 700 Gramm schwerer Weichkäse nach Limburger Art Daraus wurde der Tilsiter Käse, ein geschütteter, ungepresster Käse mit Kümmel und Salz, der in standardisierter Form bezüglich Form, Gewicht und Abmessung seinen Siegeszug in der Käsewelt antrat.
Großen Aufschwung nahm die Käseproduktion in der wirtschaftlich prosperierenden Zeit nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Der Anfall an Milch erreichte Größenordnungen, die in traditioneller Weise in Ostpreußen nicht mehr abzusetzen war. Als Ausweg bot sich die Käseherstellung an, denn der Käse war wesentlich haltbarer als Frischmilch, Quark etc. und konnte mit dem neuen Transportmittel Eisenbahn weithin verteilt werden. Die fehlenden Fachkräfte für die Milchgewinnung und die Käseproduktion holte man sich aus der Schweiz, und bis zur Jahrhundertwende wurden viele Käsereien aus der Taufe gehoben. Die Melker aus der Schweiz, die es gewohnt waren, die Kuh umfassend ringsum zu pflegen und zu betreuen, erlangten bald als die „Schweizer“ hohes Ansehen in der Landwirtschaft. Die Bezeichnung wurde sogar als „Schweizarskaja“ in den heutigen russischen Sprachschatz übernommen.
Ende der 1930er Jahre existierten allein rund um Tilsit über 50 Molkereien, die jährlich 4.600 Tonnen Tilsiter Käse herstellten. Nach 1945 verfielen alle diese Molkereien. Dennoch wurde auch in der Oblast Kaliningrad noch Käse dieser Art hergestellt. Nach der Umbenennung von Tilsit in Sowjetsk nannte man ihn dann allerdings fortan Sowjetsker Käse, neuerdings aber auch Tilsitski Syr. In Nordostpreußen wird Tilsiter Käse heute in Heinrichswalde hergestellt, wo eine Fabrik dem Vernehmen nach mit 72 Mitarbeitern täglich 2 Tonnen produziert.
Plauschwarren war ein Vorwerk des Gutes Schilleningken. Die Güter Groß und Klein Plauschwarren lagen dicht beieinander südlich von Pogegen und unweit der Memel. Die Memel überschwemmte jedes Jahr das Land und der herantransportierte Schlick sorgte dafür, dass die Wiesen in dieser Gegend ungemein frchtbar waren und viel Heu lieferten. Das erklärt auch den hohen Stellenwert der Milchwirtschaft hier. Letzter deutscher Besitzer oder Pächter des Gutes Adlig Klein Plauschwarren waren Ludwig Jagst und seine Frau Anna Margarethe Helene, geb. Bastian. Beide wurde von den sowjetischen Eroberern nach Sibirien geschickt. Der Mann starb bereits auf dem Transport dorthin, die Frau später im Lager im Ural. Das Gutshaus wurde gesprengt, der Pferdestall später zu einem Wohnhaus umgebaut.
Der Schweizer Otto Wartmann brachte 1893 das Grundrezept für Tilsiter Käse mit in seine Heimat auf den Holzhof im Kanton Thurgau. Dort passte er die Herstellung an die lokalen Gegebenheiten an und seitdem wird der Schweizer Tilsiter inzwischen in fünfter Generation an Ort und Stelle produziert. Am 1. August 2007 stellten Freunde der Käsemarke zusammen mit Politikern neben dem Holzhof der Wartmanns eine blaue Ortstafel “Tilsit” auf und jetzt wird dort Original Tilsiter Käse aus Tilsit produziert . Der Betrieb hat sich zum Ausflugsziel für Tilsiter-Fans entwickelt.