Arys

Geschichte von Orzysz – Arys

Hochmeister Konrad von Erlichshausen unterzeichnete 1443 die Handfeste für den Ort Neudorf, den man schon 1507 als Arys erwähnte. Dieser Name steht in Verbindung mit dem Arysfluß. Bei den zugewandeten Masowiern bürgerte sich der Name Orsisch oder Orzyc ein. Lokator des Dorfes war ein Lorenz Polun aus deutschem oder prußischem Geschlecht.

In der Kirche wurde bis 1702 nur masurisch gepredigt, danach vormittags deutsch und nachmittags masurisch und ab Anfang des 19. Jhs. nur noch deutsch.

Diese Aussage aus der Literatur muss allerdings relativiert werden. Herr Dietrich Peylo schrieb uns dazu: „Nach meinen Informationen stimmt die Angabe nicht, dass in Arys ab Anfang des 19. Jhdts. nur noch deutsch gepredigt wurde. Nachkommen der letzten Pfarrer von Arys und Eckersberg berichteten, dass bis in die 40er Jahre des 20. Jhdts. für die Älteren vom Lande auch noch auf Masurisch gepredigt wurde. Die Pfarrer hatten eine entsprechende Ausbildung.“

Unter dem Komtur von Rhein begründete man in Arys einen Ordenshof mit Vorwerk, einer Korn- und einer Schneidemühle sowie 4 Schiffen und 2 Keuperkähnen. In der Herzogszeit wurde aus dem Ordenshof ein Amtshof. Die Wassermühle des Amtshofs bestand von 1516 – 1861. Dann fiel der Mühlendamm Entwässerungsarbeiten zum Opfer.

Das Dorf war vermutlich bereits im 16. Jh. Sitz des Landgerichts des Amtes Rhein. Da hier häufig über Beutner-Fälle entschieden werden musste, nannte man es auch das “Bienengericht“. Jedenfalls nahm es eine prosperierende Entwicklung, nur unterbrochen durch die Verwüstungen des Tatareneinfalls und die hohe Sterblichkeit in der Pestzeit um 1710.

Das Stadtprivileg erhielt die Gemeinde dann 1725 unter König Friedrich Wilhelm I. und seitdem ist Arys die kleinste städtische Gemeinde Masurens, allerdings in den 1930er Jahren mit dem größten Truppenübungsplatz in der Nähe, der über 20.000 ha umfasste.

Als nach dem siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) eine Schwadron Husaren in Arys stationiert wurden, war die Stadt Garnisonsstandort. Später kamen weitere Bataillone und Regimenter hinzu, und all diese Truppenteile erhielten 1893 einen Übungsplatz. Der war wegen seineer Abgelegenheit nicht sonderlich beliebt und man reimte „Hier halten die Wölfe treu die Wacht, die Füchse sagen gute Nacht“. Aber das änderte sich, als Arys 1905 an das Eisenbahnnetz ageschlossen wurde und dadurch mit der Welt verbunden war. Kurz vor Beginn des 1. Weltkriegs führte die 1. Infanteriedivision hier ein längeres Manöver durch, durch das die Soldaten sich intime Ortskenntnisse aneigneeten, die ihnen im bald folgenden Kampf gegen die russische Samsonow-Armee halfen, besonders erfolgreich gegen den Eindringling zu kämpfen und am 7. und 8. Septmber 1914 direkt auf dem Übungsplatz die Russen zurückzuschlagen und dadurch den Durchbruch der deutschen 8. Armee Richtung Osten zu ermöglichen.

In den 1930er Jahren wurde der Übungsplatz stark vergrößert. Es entstanden Bunkersysteme und man testete verschiedene Artilleriegeschosse, auch später im 2. Weltkrieg. Es entstanden über 100 Kasernen rund um den Übungsplatz und etliche Frontverbände für den Kampf im Osten wurden hier zusammengezogen. Auch Waffen-SS-Verbände, in denen u. a. belgische und holländische Freiwillige dienten, hielten hier ihre Übungen ab. Parallel dazu erprobte man neue Waffen, wobei auch Hitler einmal an einer Präsentation teilnahm. Zum Bau von Marschflugkörpern und Raketen zum Kriegsende kam es hier nicht mehr.

Am 23. 1. 1945 fiel der Truppenübungsplatz in die Hände der Roten Armee und wurde im folgenden August von den Polen übernommen. 1970 erhielt das Gelände die endgültige Bezeichnung „Ausbildunngszentrum der Landstreitkräfte“. Ab 2000 übten hier auch Soldaten der Bundeswehr den Kampf unter winterlichen Bedinngungen. Seit 2017 ist Arys das Hauptquartier der NATO Battlegroup Poland.[3]

Nachdem die Stadt 1826 einem Flächenbrand zum Opfer fiel, erholte sie sich davon kaum noch und entwickelte sich nicht weiter. Anschluss an das Eisenbahnnetz erst 1905. Erneute Zerstörungen brachte der 1. Weltkrieg und auch nach Beendigung der Kämpfe im 2. Weltkrieg vernichteten Brände viele Häuser. Es existieren dennoch einige Häuser aus dem 18. und 19. Jh.

In Arys kam am 19. 9. 1912 der bekannte Dirigent Kurt Sanderling als Kind einer jüdischen Kaufmannsfamilie zur Welt. Nach dem Musikstudium in Königsberg ging er nach Berlin, wo er jedoch in den 1930er Jahren vor den Nationalsozialisten fliehen musste. Er begab sich in die Sowjetunion, arbeitete als Musiker und wurde 1941 für 19 Jahre der Dirigent der Leningrader Philharmoniker. Dann holte ihn Walter Ulbricht als Chefdirigent des Berliner Symphonie-Orchesters nach Deutschland zurück, weil er danach strebte, ein Gegengewicht zu den westberliner Philharmonikern aufzubauen. Ab 1977 entfaltete Sanderling eine rege Gastspieltätigkeit. Erst im Frühjahr 2002 gab er sein letztes Konzert und feierte im September hochgeehrt im Kreis seiner Kollegen seinen 90. Geburtstag. Er gilt insbesondere als Schostakowitsch-Interpret, zumal er diesem Komponisten in tiefer persönlicher Freundschaft verbunden war. Seine drei Söhne sind ebenfalls Dirigenten geworden. Kurt Sanderling starb am 18. 9. 2011.

Waldemar Rösler (21. 4. 1882 – 14. 12. 1916), Landschaftsmaler und Wahlostpreuße, nahm sich in Arys das Leben, tief erschüttert durch das Grauen des Krieges. Geboren wurde er in Striesen bei Dresden, doch die Familie zog bald nach Königsberg. Waldemar Rösler besuchte dort die Realschule und bereits mit 14 Jahren die Kunstakademie, wo er bei Max Schmidt, Emil Neide und zuletzt bei Ludwig Dettmann studierte. Schon 1905 nahm er an einer Ausstellung der Berliner Sezession teil, deren Vorstandsmitglied er 1911 auf Vorschlag Max Beckmanns wurde, nachdem Max Liebermann zurückgetreten war. Der aufstrebende Künstler heiratete 1906 die ostpreußische Malerin Oda Hardt aus Schildeck, die er bei Ludwig Dettmann kennen gelernt hatte. Das Ehepaar zog nach Berlin-Lichterfelde und hatte zwei Kinder, Louise und Fritz. Louise wurde ebenfalls Malerin und Fritz fiel im 2. Weltkrieg in Italien.

Gemeinsam mit Theo von Brockhusen gründete Waldemar Rösler den Künstlerkreis Klein-Kuhren, dem später u. a. auch Alfred Partikel angehörte. Am 1. Weltkrieg nahm er als Leutnant an der Westfront teil, verkraftete die grauenhaften Erlebnisse an der Front jedoch nicht und brach physisch und psychisch zusammen. Nach Arys versetzt, machte er dort seinem Leben ein Ende. Begraben wurde er auf dem Gut der Familie Hardt in Schildeck im Kreis Osterode.[2]

Literaturhinweise von Dietrich Peylo:

Arys/Ostpreußen in Bilddokumenten, Herausgeber: Gemeinschaft Arys Stadt und Land, Geiger-Verlag Horb
Fritz Brack, Aus der Chronik der Stadt Arys, Johannisburg 1925
Bernhart Jähnig, Die Stadtwerdung von Arys, Hamm 1993
Erich Weise, Handbuch der historischen Stätten in Ost- u.Westpr., Stuttgart 1966
E.J.Guttzeit, Der Kreis Johannisburg, Holzner Verlag Würzburg, 1964


[1] Kontaktformular 5. 11. 2008
[2] Silke Osman, „Sein Talent war sein Charakter“, PAZ Nr. 16/2007)
[3] Wolfgang Kaufmann, Ein Truppenübungsplatz im Niigenndwo, PAZ Nr. 46/2024 (15. November), S. 18

Literatur

Arys/Ostpreußen

Dokumentation mit 150 Ansichtskarten und einem Porträt der Stadt

von Dietrich Peylo
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