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Bokellen

Frunzenskoe – Bokellen

Bokellen wurde 1719 erstmals urkundlich erwähnt und entstand wenige Jahre vorher auf einem gerodeten Waldstück der Astrawischkenschen Wildnis. Es gehörte zum Gut Neu Astrawischken. Neben den Bauernstellen gab es ein Vorwerk, das man seit 1787 „Bokellen“ nannte und das über ein Pächter- oder Verwalterhaus verfügte. Neu Astrawischken mit Bokellen gelangte im 18. Jh. durch Heirat an die Familie von Saucken und Wilhelm von Saucken verkaufte den Besitz 1801 an Friedrich von Farenheid auf Klein Gnie. Nach mehreren Besitzwechseln erlangte 1844 Anton von Below die Erhöhung des Vorwerks zum 334 ha großen Rittergut. Etwa Mitte 19. Jh. erwarb Friedrich Steputat das Gut. Im Jahr 1871 erhielt Bokellen seinen Eisenbahnaschluß an die Linie Insterburg – Korschen.

Auf dem Rittergut Bokellen lebte Dr. Willy Steputat (1868 – 1941), Enkel des Gutserwerbers Friedrich Steputat, bekannt durch sein 1891 bei Reclam erstmals erschienenes Reimlexikon, das allgemeine Anerkennung – sogar bei Tucholsky – fand, sich durch mehrere Neuauflagen zum Standardwerk entwickelte und immer noch in modernen Neuauflagen erscheint (Neuauflage 1997).

Willy Steputat wurde auf Gut Bokellen geboren und starb auch dort. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Insterburg studierte er in Königsberg, Genf und Greifswald Jurisprudenz und Betriebswirtschaftslehre. Er promovierte in Greifswald zum Dr. jur. mit einer Dissertation über die verfassungsrechtliche Stellung der deutschen Landesherren zur deutschen Gerichtsbarkeit.

Steputat war Regierungsrat in Gumbinnen und nahm am Ersten Weltkrieg als Rittmeister d. R. teil. Seine schriftstellerische Tätigkeit hatte er fortgesetzt. Es entstanden Gedichte, Aphorismen, Erzählungen. Der größte Teil seiner Arbeiten aber ging 1914 bei Kriegsbeginn durch Brandschatzung auf Gut Bokellen verloren. Erhalten geblieben sind nur die poetische Erzählung “Die Trappisten”, 1904, und der Gedichtband “Eine Kostprobe”, 1927.

Willy Steputat sprach fließend litauisch und schuf z. B. einen litauischen Sprachführer für die Truppe der Tilsiter Dragoner, bei der er im 1. Weltkrieg eingesetzt war. Am 6. August 1921 wurde er anstelle des zurückgetretenen Landespräsidenten William Falk zum Landespräsidenten des Memelländischen Landesdirektoriums ernannt, wozu seine Sprachkenntnisse sehr hilfreich waren. Nach dem Handstreich der Litauer im Januar 1923 mußte er der neuen Regierung im Memelgebiet weichen.

Seitdem lebte er auf seinem Gut. Dieses hatte eine Größe von 390,5 ha, vornehmlich Ackerland, Wiesen und Weiden, und einen Viehbestand von 40 Pferden, 140 Rindern, 350 Schafen und 8 Schweinen. 1922 kam ein Vorwerk von 180 ha hinzu, das allerdings in den 1930er Jahren wieder abgetrennt werden musste..

Die Tochter Birute Ludwig beschrieb jetzt in ihrem im Eigenverlag erschienenen Roman “Bokellen, ein Rittergut in Ostpreußen” Leben und Werk ihres Vaters vor dem Hintergrund lebendiger familiärer und politischer Ereignisse, zu beziehen über Volker Ludwig, Am Alten Bach 14 a, 41470 Neuss.

Am 23. oder 25. Januar 1945 wurde Bokellen von der Roten Armee eingenommen.[1] Zuvor konnte ein großer Teil der Leute aus Bokellen, so auch die Gutsfrau, in Zügen und Güterwaggons nach Pommern und Mecklenburg entkommen. Ein Teil der Trecks kam ebenfalls durch, andere erlebten die übliche Katastrophe der sowjetischen Eroberung. Der Erbe des Gutes, Ringaud Steputat, fiel am 3. April 1945 in der Nähe von Danzig. Das Gutshaus wurde bei der Eroberung zerstört. Bis in die Zeit nach 2000 verschwanden nacheinander auch die weiteren Gutsgebäude. Erhalten blieben die Schule, die Post, der Bahnhof und sechs Siedlungshäuser. [2]

Viele Details und Bilder siehe Wulf D. Wagner, „Kultur im ländlichen Ostpreußen – Geschichte, Güter und Menschen im Kreis Gerdauen“, Band I, Husum Verlag, 2008, S. 442 – 453

Der russische Name, den das Dorf nach dem 2. Weltkrieg erhielt, geht auf den Offizier Frunzens zurück, der in den Kämpfen um Ostpreußen fiel.

In einem der auf einst Steputatschem Grund in den 1930er Jahren in Bokellen gebauten Siedlungshäuser wurde 1941 der Maler und Graphiker Dieter Otto Berschinski geboren. Er studierte in Dresden und Frankfurt/Main und hat im In- und Ausland bereits eine Vielzahl an Einzel- und Teilausstellungen präsentiert. Dabei schafft er meist großformatige und farbintensive Bilder sowie Holzschnitte. Die Heimatkreisgemeinde Gerdauen schreibt über den Künstler: „Es sind wundersame Zeichen und Figuren in den Bildern, Strichmännchen, angedeutete Pferde, Pfeile, Bögen und Sterne, manches erinnert an Höhlenmalereien oder an asiatische Kalligraphien. Der Farben- und Figurenrausch bezaubert.“[3]



[1] Wulf D. Wagner, Gerdauen I, S. 233

[2] Wolf D. Wagner, Gerdeuen I, S. 452

[3] Aus den Heimatkreisen – Kreis Gerdauen, Oprbl. Nr. 36/2007, S. 20