Boyen

Geschichte der Feste Boyen

Westlich von Lötzen entstand ab 1844 auf Anordnung König Friedrich Wilhelms IV. an einer Enge zwischen Löwentin- und Kissainsee ein Festungswerk mit sternförmigem Grundriß und 6 Bastionen. Benannt wurde die Anlage nach dem preußischen Kriegsminister und Heeresreformer Generalfeldmarschall Hermann von Boyen (1771 – 1848) aus Kreuzburg, Ehrenbürger der Stadt Berlin 1842, der den Bau der Festung empfohlen hatte und auch den Grundstein legte. Den Entwurf erarbeiteten General Ernst Ludwig von Aster und Oberst Johann von Bress-Winiary. Für die Anlage der Gebäude verwendete man restliche Teile des Forts Lyck auf dem Teufelswerder im Spirdingsee. Für die 2,3 km langen gemauerten befestigten Fronten und die Gebäude benötigte man 16 Millionen Ziegelsteine. Der Bau zog sich bis 1875 hin. Die Bastionen benannte man nach den Vornamen des Generalfeldmarschalls von Boyen – Leopold, Ludwig und Hermann – sowie nach seiner Wappendevise: Recht, Licht, Schwert.[3]

Die Festung Boyen behinderte im 1. Weltkrieg trotz schwacher Besatzung den Vormarsch der russischen Truppen unter General Kondratjew ganz erheblich. Deren Aufforderung zur Kapitulation beantwortete der Kommandant der Festung, Oberst Busse, am 27. 8. 1914 mit der Feststellung: “Euer Exzellenz! ….. Was Ihre Aufforderung anbetrifft, die Feste zu übergeben, so weise ich dieselbe für mich und meine tapfere Besatzung als im höchsten Grade beleidigend zurück. Die Feste Boyen wird nur als Trümmerhaufen übergeben!“[1]

Die Russen machten ihre Angriffsdrohung nicht wahr, sondern eilten dem mit der Narew-Armee in Bedrängnis geratenen General Samsonow zu Hilfe. Da die Festung Boyen aber den direkten Weg versperrte, mußten sie einen großen Umweg um den Spirdingsee herum machen und kamen dadurch zu spät zum Einsatz. Die Mannschaft der Feste konnte sich dagegen in der anschließenden Schlacht an den Masurischen Seen vom 5. – 14. 9. 1914 weiterhin nützlich machen, auch unter Einsatz ihres Kanonenbootes “Barbara”.

Derselbe Kommandant der Feste während des 1. Weltkriegs, Oberst Hans Busse, ließ in der Feste Boyen eine „Vaterländische Gedenkhalle“ einrichten, in der etliche Erinnerungsstücke an den Einfall der Russen in Ostpreußen und an die Schlacht an den Masurischen Seen versammelt wurden, aber auch Memorabilia der Feldmarschälle von Boyen und von Hindenburg. Der Letztere hatte die Feste Boyen längere Zeit als Hauptquartier genutzt. Ergänzt wurde die Ausstellung durch archäologische Funde auf einem Urnenfriedhof in Bogatzewen nahe Lötzen, wo man Waffen, Schmuck und Gebrauchsgegenstände aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung gefunden hatte. Diese Ausgrabungen fanden insbesondere auch das Interesse des Generals v. Hindenburg. Das Museum wurde zum Ende des 2. Weltkriegs zerstört. Die vollständige Fundkartei überlebte und findet sich heute im Lötzener Heimatmuseum in Neumünster.[2]

Während Hitler im 2. Weltkrieg sein Hauptquartier in der Wolfsschanze bei Rastenburg eingerichtet hatte, nahm in dieser Zeit die militärische Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht unter Admiral Wilhelm Canaris in der Feste Boyen Quartier. Zur Abwehr der näher rückenden Roten Armee wurden 1944 die Verteidigungsanstrengungen erheblich verstärkt, die Festung Boyen weiter ausgebaut und die Festungsbesatzung auf 18.0000 Man erhöht. Die Anstrengungen waren jedoch vergeblich: am 25. Oktober 1944 wurde der Räumungsbefehl für Lötzen erlassen.[4]

[1] Zit. nach Dr. Max Meyhöfer, Der Kreis Lötzen, Holzner Verlag Würzburg, 1961, S. 119
[2] Manfred E. Fritsche, Ein Museum für Paul von Hindenburg, OPrBl. Nr. 44/2020 (30. Oktober), S. 18
[3] Ausstellungstext 2014
[4] Ausstellungstext 2014