Kurortnoje – Groß Wohnsdorf und die Familie von Schroetter
Die hier auf dem hohen Ufer über der Alle gelegene prußische Wallburg Capostete wurde 1255 vom Orden erstürmt. Der legte ein Wildhaus an. 1319 und 1347 wurde die kleine Burg von den Litauern erobert und zerstört. Groß Wohnsdorf war ab 1348 Kammeramt der Ordensniederlassung Insterburg und die Anlage wurde bis 1356 wieder instand gesetzt. 1384 bestand sie als dreiflügeliges Wildhaus. Aufgrund der mangelnden Widerstandsfähigkeit von Holz-Erde-Konstruktionen ging der Orden ab 1391 daran, die bisherige Wehranlage durch Gebäude aus Stein zu ersetzen.[1]
1468 verpfändete der Hochmeisterstatthalter Heinrich Reuß von Plauen Burg und dazu gehörendes Land wegen ausstehender Soldforderungen an Hans von Weyer. Seitdem befand sich hier das Zentrum einer privaten Gutswirtschaft. 1525 belehnte Herzog Albrecht den Edelmann Heyno von Döberitz und 1552 Andreas von Flanns mit dem Gut. Die Gutsanlagen wurden um 1590 umgebaut und erweitert.
Seit 1702 bis 1945 gehörte der Besitz der Familie von Schroetter. Die Familie ist seit 1203 als schweizerischer und alemannischer Ministerialadel am Hoch- und Oberrhein nachgewiesen. Augustin von Schrötter kam im Anfang des 16. Jhs. mit dem Deutschen Orden nach Königsberg. Sein Urenkel Johannes von Schrötter war Vize-Schatzmeister und General-Postmeister in Polnisch-Litauen und nahm 1683 unter König Johann III. Sobieski siegreich am Kampf gegen die Türken vor Wien teil. Zur Belohnung wurde er am 13. 3. 1700 von Kaiser Leopold I. zum Reichsfreiherrn und Magnaten von Ungarn ernannt.[2]
Der spätere Oberpräsident und Staatsminister von Ost- und Westpreußen, Friedrich Leopold Freiherr von Schroetter (1. 2. 1743 – 30. 6. 1815), wohnte in jungen Jahren im Torturm mit damals noch funktionierender ordenszeitlicher Zentralheizung und führte zusammen mit seinem Vater auf der Terrasse des Turms philosophische Gespräche mit Immanuel Kant, der der Familie freundschaftlich verbunden war und sich gerne in Groß Wohnsdorf aufhielt. »Mir ist nur ein einziges Haus bekannt, das in meilenweiter Entfernung von Königsberg sehr oft auf mehrere Tage von unserm Weltweisen besucht worden ist und wo er sich so ganz nach seinem Geschmack glücklich gefühlt hat, nämlich das väterliche Haus des Ministers und des Kanzlers v. Schroetter zu Wohnsdorf. Kant wusste nicht genug zu rühmen, welche Humanität in diesem Hause seines Freundes geherrscht habe und mit welcher ausgezeichneten Freundschaft er von dem vortrefflichen Mann, gegen der er noch im Alter die größte Hochachtung hegte, stets aufgenommen worden ist. Besonders versicherte er deshalb hier die angenehmste ländliche Erholung gefunden zu haben, weil sein humaner Gastfreund ihn nie eingeschränkt habe, ganz wie in seinem eigenen Hause, nach seinem Geschmack zu leben.« (Jachmann, 1804)
Friedrich Leopold Frhr. v. Schroetter schlug die militärische Laufbahn ein und nahm bereits an zahlreichen Schlachten des siebenjährigen Krieges als Fähnrich und später als Leutnant teil. Sein Engagement im Rosenkreuzerorden 1782 – 1786 brachte ihn in Verbindung mit dem Thronfolger, dem späteren König Friedrich Wilhelm II. Schroetter arbeitete den Plan zur Organisation des Oberkriegskollegiums aus und dieser wurde realisiert. In diesem Kollegium erhielt er 1787 die Stelle eines Assessors und wurde 1790 zum Geheimen Oberfinanzrat beim Oberkriegskollegium mit Sitz und Stimme im General-Direktorium ernannt.[3] Nach dem Tod des Vaters übernahm er 1790 die Bewirtschaftung der Begüterung in Groß Wohnsdorf. Am 7. April 1791 machte ihn der König zum Oberpräsidenten der Ostpreußischen, Westpreußischen und Lithauischen Kriegs- und Domänenkammer und Mitglied der Westpreußischen Kammerdeputation zu Bromberg. Im selben Jahr erwarb er für 80.000 Taler das Gut Ripkeim im Kreis Wehlau. 1795 wurde v. Schroetter zum Staats- und Finanzminister von Ost- und Westpreußen ernannt. Die durch die 3. polnische Teilung erworbene Provinz Neuostpreußen wurde 1796 Schroetters Departement zugeschlagen.
Schroetter galt als Befürworter einer Reform des preußischen Staates und war Anhänger der freien Wirtschaftslehre von Adam Smith, wie sie von Prof. Christian Jakob Kraus an der Viadrina wissenschaftlich vertreten wurde. Zum Kernpunkt der Schroetterschen Reformbemühungen gehörte die Agrarreform mit der Abschaffung der Erbuntertänigkeit, der Aufhebung der Hand- und Spanndienste und deren Ersatz durch Geld und Getreideabgaben. Bereits 1796 wurden diese Grundsätze in Neuostpreußen eingeführt 1802 folgte die Bauernbefreiung auf den Staatsgütern in Westpreußen und 1804 in Ostpreußen, und auf den Gütern der Familie von Schroetter sowieso. Nach dem Tilsiter Frieden wurde er zum vielleicht wirksamsten und leistungsfähigsten Mitarbeiter des Freiherrn vom Stein. Die Reformgesetze von 1807 und 1808 wurden fast sämtlich in dem Schroetter unterstehenden preußischen Provinzdepartement erlassen. So trägt das Edikt vom 9. 10. 1807 mit der Bauernbefreiung, der Gewerbefreiheit, der Aufhebung des Zunftzwangs und der Standesgrenzen in der Wirtschaft die Handschrift von Friedrich Leopold und seinem Bruder Carl Wilhelm von Schroetter, der seit 1803 Chefpräsident der Westpreußischen Regierung in Marienwerder war. Infolge der Auflösung des Provinzialdepartements wurde Friedrich Leopold im Dezember 1808 aus dem Dienst entlassen und 1810 zum Mitglied des Geheimen Staatsrats, 1814 zum königlichen Kommissar bei der interimistischen Landes-Repräsentation ernannt.
Ein wesentliches kartografisches Werk geht auf Friedrich Leopold von Schroetter zurück: das Kupferstichwerk „Karte von Ost-Preußen nebst Preußisch Litthauen und West- Preußen nebst dem Netzedistrict, aufgenommen unter Leitung des Kgl. Preuß. Staatsministers Frey – Herrn v. Schroetter in den Jahren 1796 bis 1802“. Das Ergebnis war, dass Preußen um etliche Kilometer kleiner war als bis dato angenommen und das Kartenwerk gilt als der erste zuverlässige Atlas von Ostpreußen.[4]
Der trutzige Torturm in der Mitte der Südwestfront der Ordensburg entstand 1356. Im Gegensatz zu den Burggebäuden überstand er die nachfolgenden Jahrhunderte. Er ist dreigeschossig auf quadratischem Grundriss und verfügt über eine Fallgitternische mit Pechnase über dem Eingang. 1790 brannte der Turm ab, wurde aber von Friedrich Gilly, dem Sohn des Landbaumeisters David Gilly, wiederhergestellt, wobei er ein antikisierendes Kranzgesims hinzufügte und das Satteldach durch ein geschweiftes Bohlendach ersetzte. Der Turm verfügte wohl über eine ordenszeitliche Zentralheizung, die noch bis 1945 ihren Dienst verrichtet haben soll und alle Räume in den drei Stockwerken behaglich warm hielt.[5]
Die 1830 abgebrannten Burggebäude dagegen trug man danach ab und verwendete die Steine z. T. für das neue Gutsgebäude, das 1868/69 im Park auf dem Gelände der ehemaligen Vorburg auf Veranlassung von Hermann Leopold von Schroetter entstand.
In den letzten 50 deutschen Jahren wurde auf dem Gut eine intensive Pferdezucht betrieben. Es gelang in dieser Zeit, über 300 Hengste des Trakehner Warmbluts an die preußische Gestütsverwaltung zu liefern.
Vom spätklassizistischen Herrenhaus ist noch eine solide Ruine vorhanden, die erhebliche Verfallserscheinungen zeigt, aber im Erdgeschoss begehbar ist Das Gelände des Gutshauses einschließlich des noch vorhandenen Wirtschaftsgebäudes ist umzäunt und so vor Vandalismus geschützt. Der Torturm hat seit 1945 ein eingestürztes Dach und zerstörte Decken. Es stehen nur noch die Außenmauern, aber eine Bürgerinitiative beabsichtigt, den Ordensturm zu rekonstruieren.
Nahe Groß Wohsdorff gab es einen kleineren Stausee des Ostpreußenwerks für Elektrizitätserzeugung, als die Alle zwischen Friedland und Groß Wohnsdorff 1922/23 aufgestaut wurde. Das Kraftwerk hier war das 2. nach Friedland und ist heute noch in Betrieb.
Der ordenszeitlich Torturm in Groß Wohnsdorf
Die Ordensburg in Groß Wohnsdorf aus dem 14. Jahrhundert brannte 1830 so gründlich aus, dass man sie nicht wieder aufbaute. Der Torturm der Burg, in dem Immanuel Kant als Gast seinerzeit untergebracht war, wurde 1796 von Friedrich und David Gilly rekonstruiert und überstand anders als die Burg die Zeiten. Bis zum Ende der deutschen Zeit wurde er für Wohnzwecke genutzt. Danach verfiel das Bauwerk, soll aber wieder instand gesetzt werden.
Von 1702 bis 1945 gehörte Groß Wohnsdorf einschließlich des Burgareals der Familie von Schroetter. Immanuel Kant war mit dem Oberpräsidenten und Staatsminister von Ost- und Westpreußen, Friedrich Leopold Freiherr von Schroetter (1. 2. 1743 – 30. 6. 1815) befreundet und besuchte diesen verschiedentlich auf seinem Gut. Dabei wohnte er in diesem Torturm, auf dessen Terrasse auch philosophische Gespräche geführt wurden.
Der Unternehmer Wladimir Sosinow hat sich vorgenommen, den ruinösen Wohnturm in Kurortnoje – Groß Wohnsdorf – ohne Dach, mit beschädigten Fensteröffnungen und Wänden und beschädigtem Ziegelmauerwerk – wieder nutzbar zu machen. Dann hätte der Turm drei Etagen, die museal genutzt werden sollen. Im Erdgeschoss denkt man an eine ständige Ausstellung zur Geschichte der Ordensburg Groß Wohnsdorf. Das 1. Obergeschoss will man den Vertretern der Familie von Schroetter widmen und im 2. Obergeschoss soll Kant dargestellt werden, und zwar weniger als berühmter Philosoph, sondern vor allem als Mensch.
Bereits 2017 wurde ein Vertrag über die kostenlose Nutzung des Vorburgareals und des Gutsparks für 25 Jahre geschlossen. Jetzt müssen Zufahrtsmöglichkeiten, Strom- und Wasseranschluss geschaffen und die Bauplanung in Angriff genommen werden. Bis zum 300jährigen Jubiläum von Kants Geburtstag soll das geschafft sein, wozu man dem Initiator viel Glück und Erfolg wünschen muss. Aber er würde sicher auch für fachkundige Hilfe sehr dankbar sein.
[1] Friedrich Borchert, Groß Wohnsdorf und Allenburg, Oprbl. Nr. 36/88, S. 12
[2] Jörn Pekrul und Dr. Dieter Freiherr von Schrötter, Die Schrötterstrasse und die Familie derer von Schrötter, Königsberger Bürgerbrief, Winter 2017, S. 39 ff
[3] Wulf D. Wagner, Stationen einer Krönungsreise, S. 127
[4] Wulf D. Wagner, Stationen einer Krönungsreise, S. 129
[5] pb, Wanderung an der Alle, Ostprbl. Nr. 44/2012 (3. November), S. 20