Geschichte von Mamonowo – Heiligenbeil
Die Kreise Heiligenbeil und Preußisch Eylau waren zwar Kreisgründungen vom 1. 4. 1819 und damit der jüngeren Geschichte, die Grenze zwischen ihnen und nach Süden zum Ermland haben aber wohl historische Wurzeln, die in die Ordenszeit und in die Vorordenszeit zurückreichen, als östlich und südlich von Zinten die Trennungslinie zwischen den prußischen Gauen Warmien und Natangen verlief.
Die Stadt Heiligenbeil an der Jarft wurde nahe einer südlich gelegenen prußischen Kultstätte, dem von uralten Eichen umstandenen „Heiligen Bühl“ oder „Heiligenwald“, sowie dem heiligen Dorf Swentomest (= heilige Stätte) gegründet. Ältere Wissenschaftler behaupteten, dass die heilige Eiche Romowe hier gestanden haben soll. Mit der Christianisierung des Landes fielen die heiligen Eichen aber dem Beil zum Opfer. Daraus leitete man die Entstehung des Namens Heiligenbeil ab. Jüngere Vertreter der Wissenschaft halten allerdings Heiligenbeil als Standort der Eiche Romowe für unwahrscheinlich.
Das Flüsschen Jarft ist ein kleiner Nebenfluss (bei Heiligenbeil 8 Meter breit und 1,50 Meter tief) der bei Mehlsack entspringenden Bahnau, die beim Vorwerk Raade ins Frische Haff mündet. Da die Stadt Heiligenbeil keinen Zugang zum Haff hatte, übernahm der nahe gelegene kleine Ort Rosenberg die Funktion des Hafens.
Die Prußenfeste an der Kultstätte wurde 1272 von Ordenstruppen unter Führung der Grafen Günter und Dietrich von Regenstein, die aus dem Harz kamen, zerstört, blieb aber im Namen der Stadt präsent: dieser leitet sich wohl ab von „swentopil“ (= heiliger Berg, wobei „pil“ auch die Bedeutung von Burg hat, was durchaus nahe läge). Heiligenbeil lag dabei an der uralten Handels- und Heerstrasse vom Samland bis zur unteren Weichsel und wurde regelmäßig von den Bernsteinhändlern benutzt. Bis 1945 war der durch die Reichsstrasse 1 mit einem Hauptverkehrsweg verbundene Durchgangsverkehr prägend für die Stadt – beim Handel zu ihrem Vorteil, bei kriegerischen Auseinandersetzungen als Plage.
Vermutlich 1301, wie von vielen Chronisten angenommen, erhielt der Ort mit dem Namen „Heiligenstadt“ die Handfeste nach kulmischem Recht, und diese wurde 1522 und 1560 erneuert. Die Erstausgabe ging wohl in den verschiedenen Feuersbrünsten, die Heiligenbeil heimsuchten, unter. Im Jahr 2001 feierte die Stadt jedenfalls ihr 700jähriges Jubiläum.
Eine erste urkundliche Bestätigung der Stadt geht auf das Jahr 1330 zurück. Eine Umbenennung in „Heiligenbil“ (Bil = Burg) erfolgte 1344, weil die Stadt über Befestigungsanlagen verfügte und somit Burgcharakter besaß. Bald wurde aus Bil das Beil in Namen und Wappen. Die Kirche wurde 1349 geweiht.
Das 1372 gegründete Augustinerkloster brannte 1520 im Reiterkrieg ab und wurde nicht wieder aufgebaut. Die Klosterglocke erwarb die Stadt und ein Teil des Klostergeländes verkaufte Bischof Georg von Polentz gegen den Willen der Stadtoberen an Heiligenbeiler Bürger für den Bau von Scheunen.
Das ursprünglich weiter außerhalb der Stadt gelegene Hospital St. Georgshof, urkundlich erstmals erwähnt 1416, verlegte Herzog Albrecht, nachdem es zwischenzeitlich eingegangen war, 1563 in die Stadt und übereignete ihm die ehemaligen Klosterländereien.[1] Als es zu klein geworden war, entstand stattdessen 1865 ein größeres Gebäude am Anger, der zu Ehren des geschätzten Bürgermeisters August Feyerabend (1835 – 1882) dessen Namen erhielt.
Heiligenbeil war Mitglied des Preußischen Bundes und stand 1454 gegen den Orden. Doch schon im Dezember 1454 konnte der Elbinger Komtur Heinrich Reuß von Plauen die Stadt einnehmen und bis zum Kriegsende halten.
Nach dem 2. Frieden von Thorn 1466 geriet Heiligenbeil in eine Randlage, denn das nahe Ermland gehörte von da ab bis 1772 zu Polen. Deshalb nahm auch der Durchgangsverkehr ab, denn die Hauptverbindung zwischen Berlin und Königsberg verlief nunmehr über die Nehrung. Dennoch blieb Heiligenbeil militärstrategisch interessant. Im Pfaffenkrieg versammelte der Hochmeister 1477 hier 15.000 Kämpfer, die jedoch nicht zum Einsatz kamen, sondern vornehmlich das Land ausplünderten. Für Hochmeister Albrecht von Hohenzollern diente Heiligenbeil dagegen erfolgreich als Sprungbrett für den Handstreich auf Braunsberg am 1. 1. 1520. Fünf Monate später, im Mai 1520, eroberten die Polen die Stadt Heiligenbeil, hielten sie bis September besetzt und zerstörten das Augustinerkloster.
Ein großer Stadtbrand zerstörte am 28. Mai 1677 die gesamte Stadt innerhalb der Wehrmauern einchließlich Kirche, Rathaus und Schule. Noch 1691 waren die Schäden nicht ganz beseitigt. Ein weiterer großer Stadtbrand am 4. 12. 1807 zerstörte 421 Wohn- und Hinterhofgebäude sowie 12 Scheunen und Speicher. Sämtliche Häuser am Markt wurden ein Opfer der Flammen und Heiligenbeil verlor seine letzten Laubenhäuser, außerdem das Rathaus und die beiden Stadttore. Diesmal nahm der Wiederaufbau nur zwei Jahre in Anspruch.[2]
Die Familie von Beneckendorff, seit 1289 in der Altmark ansässig, die verschiedene Vertreter unter den „Gästen“ des Ordens und unter den Ritterbrüdern hatte, besaß Ländereien in und um Heiligenbeil. Nach der Verbindung mit der Familie von Hindenburg 1789 wurden die Besitzungen im Anfang des 19. Jhs. verkauft.
Auf ökonomischem Sektor war Heiligenbeil ein geschätzter Produktionsstandort für Bier, das sogar bis nach Westpreußen, Danzig, Pommern und Polen exportiert wurde. Um 1700 gab es 150 Braustellen in der Stadt und insbesondere deren Bier der Marke „Gesaltzen Merten“ wurde gern getrunken. Um 1900 gab es noch die beiden Brauereien „Pennersche Klosterbrauerei“ und „St. Georgsbrauerei“, die immer noch guten Absatz fanden. Die Bäcker verfügten über Mehl von hoher Qualität, das für erstklassige Backwaren Verwendung fand: Heiligenbeiler Weißbrot war weithin – bis an den Hof in Berlin – bekannt.
Neben einer Vielzahl von Handwerkerberufen in der Stadt wie Kannengießer, Goldschmiede, Orgelbauer, Bader, Tuchmacher, Gerber waren insbesondere gedrechselte Heiligenbeiler Spielsachen aus dem Holz des Kaddigstrauchs waren seit über 250 Jahren begehrte und auch überregional begehrte Artikel. In einer aus Kaddigholz gedrechselten Dose von etwa 17 cm Höhe und 9 cm Durchmesser befand sich kleines Spielzeug wie zierliche Tässchen, Kaffeekännchen, Tellerchen, Bügelhenkeltöpfe und Kelchgefäße, ein schlankes Butterfass, ein Mörserchen, ein Salzfässchen und ein paar Garnröllchen – alles zusammen rund 28 verschiedene Stückchen. Und die dufteten dann auch noch nach Wacholder.[4] Dazu passt folgendes Gedicht (zitiert nach Georgine Kretschmer-Heiligenhaus):
Heiligenbeiler Spielzeugbüchse
Am Frischen Haff in Heil’genbeil,
da bot man Drechselarbeiten feil
zum Träumen und zum Spielen,
die Kindern sehr gefielen.
Man stellte Kaffeekännchen her,
Gedecke, Krüge, leicht und schwer,
auch Löffel, Gabeln, Messer,
Geschirr und Räucherfässer.
Man schnitzte eckig, spitz und rund,
das Pferd, die Ziege und den Hund,
auch Hasen, Rehe, Füchse,
sogar die Spielzeugbüchse.
Man war erfahren und gewitzt
und wusste, dass gekonnt geschnitzt,
Wacholder-Spielzeugsachen
auch Grossen Freude machen.
Die Handwerker hatten im 17. und 18. Jh. ihre beste Zeit. Nach 1870 nahm die Zahl der Handwerker ab und die Industrialisierung hielt ihren Einzug. Der letzte Drechsler gab 1898 seine Werkstatt auf.
Als die Große Pest in Ostpreußen wütete, blieb auch Heiligenbeil nicht verschont, obwohl die Soldaten des Herzogs von Holstein den Zugang streng reglementierten. Im Jahr 1710 fielen ihr über 1.100 Einwohner zum Opfer. Das waren fast zwei Drittel der Stadtbevölkerung. Mehrere Familien starben ganz aus.
Stadtbrände verwüsteten viele Gebäude 1463, 1519, 1677. Im Jahr 1807 zerstörte eine Feuersbrunst 421 Gebäude und 12 Speicher und damit fast die gesamte Innenstadt. Dennoch wurde Heiligenbeil 1819 Kreisstadt und Sitz eines Landrats, weil sie verkehrsgünstig gelegen war. Allerdings gab es zwischenzeitlich die in Ostpreußen offenbar öfter vorkommende Eigentümlichkeit, dass der Landrat, weil sein Land-Wohnsitz zu weit entfernt lag, eine andere Stadt zu seinem Kreissitz erkor. So verlegte der Landrat Moritz von Saint Paul-Jäcknitz 1857 das Landratsamt nach Zinten, das er leichter erreichen konnte. Obwohl seine Amtszeit 1868 endete, erfolgte die Rückverlegung des Landratsitzes erst 1875.
Über Jahrhunderte war der Ort immer wieder Garnisonsstadt, wobei lange Zeit keine Kasernen errichtet wurden, weil die Soldaten in Bürgerquartieren untergebracht waren. Das älteste preußische Regiment, das 1626 gegründete Grenadier-Regiment Nr. 4, zu Zeiten auch Finckensteinsches Regiment oder Regiment Friedrich der Große genannt, hatte seinen Standort 35 Jahre lang hier. Andere hatten einen weniger langen Aufenthalt wie die Grenadierregimenter Nr. 5 (Dohnasches) und Nr. 3 (Herzog von Holstein-Beck). Nach den Befreiungskriegen 1812 wurden keine Garnisonen mehr in Heiligenbeil stationiert, bis 1936 das MG-Bataillon 9 hier seinen Standort fand.
In der Zeit der beginnenden Industrialisierung im 19. Jh. wirkte ein erfolgreicher Unternehmer auch in Heiligenbeil: Rudolf Wermke (21. 9. 1842 – 1897), der aus Stolzenberg zugezogen war. Sein Vater war Schmiedemeister. Er setzte dessen Werk fort und fing mit einer kleinen Pflugschmiede an, um die bis dahin üblichen Holzpflüge mit eisernen Schaaren durch effektivere neue Pflüge aus Eisen und Stahl zu ersetzen. Ab 1882 besaß er die erste ostpreußische Landmaschinenfabrik mit Dampfmaschinenbetrieb und 20 Schmiedefeuern, deren Produkte dank guter Qualität schon 1895 mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde. Die Fabrik erwarb sich so den Ruf als „ostdeutscher Pflugbauer“. Als Rudolf Wermke auch die Ostdeutsche Maschinenfabrik Heiligenbeil erworben hatte, schmeichelte man ihm, indem man ihn den „Heiligenbeiler Krupp“ nannte. Durch die Umwandlung des Unternehmens 1897, nach Wermkes frühem Tod aufgrund eines Herzleidens, in die „Ostdeutsche Maschinenfabrik vorm. Rud. Wermke AG“, wurde die Kontinuität gewahrt. Der Erfolg der Produkte aus dieser Fabrik hielt bis zum 2. Weltkrieg an. Der Export erstreckte sich vornehmlich nach Russland, Rumänien und Ungarn, aber auch nach Italien, Südamerika und Südafrika. Die Werksanlagen existieren noch und beherbergten seit 1949 und wohl immer noch ein Fischkombinat. Für seine Mitarbeiter ließ Wermke vorbildliche Arbeiter- und Beamtenhäuser errichten und sorgte für eine beispielgebende Arbeiterfürsorge.
Neben diesem Spitzenbetrieb gab es weitere Industrieunternehmen – Mühle, Sägewerk, Maschinenfabrik, Kalksandsteinfabrik, Zementwarenfabrik, die Fabriken von Karl Stoll, Eugen Hinzke und Werning etc., Leichtmetallfabrik außerdem die Druckerei und Verlagsanstalt der Heiligenbeiler Zeitung und die Landwirtschaftsschule..Die Leichtmetallgießerei war die erste in Ostpreußen und produzierte Löffel, Gabeln, Spielzeug etc. Während des 2. Weltkriegs wurden Produkte des militärischen Bedarfs hergestellt und die Fabrik zur einzigen Stahlgießerei Ostpreußens umgebaut.[3] Die seit 1842 bestehende Heiligenbeiler Kreissparkasse war die erste ihrer Art in Ostpreußen und ihre Statuten wurden in anderen Kreisen oft kopiert.
Der Anschluss an das Eisenbahnnetz der Ostbahn Marienburg – Königsberg erfolgte 1853. Die Reichsstraße 1 durchquerte die Stadt. Die 1933 – 1937 gebaute Autobahn lag 10 Kilometer östlich der Stadt. 1929 erfolgte recht spät die Fertigstellung des Kanalisationssystems. Die fortschrittliche regionale Infrastruktur hatte auch die positive Folge, dass sich in Heiligenbeil 1937 das Industriewerk Heiligenbeil mit einer Belegschaft von 500 Mitarbeitern ansiedelte. Dieses war ein Tochterunternehmen von Schichau in Elbing und hatte die Funktion, Reparaturwerk für Flugzeugmotoren und –zellen zu sein. Als weitere Folge dieser Ansiedlung entstand in Nordosten ein Flughafen für die Stadt. Während des 2. Weltkriegs gab es auf dem Gelände des Industriewerks ein Gefangenenlager für rd. 300 sowjetische und 500 belgische und französische Kriegsgefangene, die als Arbeitskräfte zwangsweise zum Einsatz kamen. Das Industriewerk wurde im Krieg weitgehend zerstört.
Nach dem 1. Weltkrieg gründete man am 3. April 1924 in Heiligenbeil ein „Hauswirtschaftliches Töchterheim“. Es war die einzige Privatschule dieser Art in Ostpreußen, noch ergänzt am 1. Mai 1929 um eine „Kriegerwaisen-Haushaltungsschule“ und 1934 um eine „Mädchenfortbildungsschule“. In der Zeit des 2. Weltkriegs diente das Haus bis Mitte oder Ende 1944 als Erholungsheim für verwundete Soldaten. Bis 1948 nutzten dann russische Soldaten das Heim als Casino. Das Gebäude in der Dreßlerstrasse existiert heute noch und wird vielleicht zu einem Jugendheim umgewidmet.[5]
1936 erhielt Heiligenbeil Kasernen für das MG-Bataillon 9 und für Luftwaffeneinheiten wie das Kampfgeschwader 3, dazu die neuen Wohnviertel „Heiligenbeil Süd“ im Südosten der Stadt, „Heiligenbeil Nord“ und „Gartenstadt“ mit insgesamt 900 Wohnungen. Durch die stark gewachsene Anzahl der Einwohner war Heiligenbeil Süd dafür vorgesehen, neues Stadtzentrum anstelle der zu klein gewordenen Altstadt zu werden. Die Stadt Heiligenbeil hatte die Zahl ihrer Einwohner von 3.385 im Jahr 1871 auf rd. 12.100 Einwohner im Jahr 1939 enorm gesteigert. Am 1. 10. 1944 waren es sogar rd. 16.000. Der Kreis Heiligenbeil hatte 1939 rd. 53.000 Einwohner.
Bei Heiligenbeil richteten die Nazis eine Außenstelle des Konzentrationslagers Stutthoff ein.
Im sog. „Heiligenbeiler Kessel“ wurden zum Ende des 2. Weltkriegs nach wochenlangen schwersten Abwehrkämpfen die Reste der deutschen 4. Armee, die den Rückzug von Soldaten und Flüchtlingen auf die Nehrung deckten, eingeschlossen und vernichtet. Die Stadt Heiligenbeil wurde ab 18. März 1945 mit Brand- und Phosphorbomben, Flieger und Artilleriebeschuss angegriffen und zerstört und am 23. März 1945 von der Roten Armee eingenommen. Fünf Tage später hörte der Heiligenbeiler Kessel auf, zu bestehen. Bei diesen fürchterlichen Endkämpfen erlitt die Stadt erhebliche Zerstörungen, das Stadtzentrum wurde praktisch ausgelöscht. 20 Prozent der Bürger von Stadt und Kreis Heiligenbeil verloren im Krieg, auf der Flucht oder in den sowjetischen Gulags ihr Leben.
Nach dem verlorenen Krieg wurde Heiligenbeil Grenzgebiet. Der größere Teil des Kreises Heiligenbeil liegt in der jetzt russischen Oblast Kaliningrad, der kleinere südliche Teil im polnischen Teil Ostpreußens. Die Demarkationslinie zwischen beiden Gebieten wurde formell am 17. Oktober 1945 zur Grenze zwischen Polen und der Sowjetunion.
Das Grenzgebiet zum polnischen Teil Ostpreußens zwischen Heiligenbeil und Balga ist seit dem 2. Weltkrieg noch kaum betreten worden. Deshalb vermodern hier immer noch, von Raubgräbern unbehelligt, die Zeugnisse der schweren Rückzugskämpfe der 4. Armee: Waffen jeglicher Art, Granaten, Patronen, Minen, Medikamentenpackungen, Konservendosen, Funkgeräte, Telefone, Pferdegeschirre, Werkzeuge, Gegenstände aus zivilem Fluchtgepäck, Menschenknochen. Aufgrund von Hinweisen ehemaliger Offiziere der 4. Armee wurde nach einer längeren Suchaktion im Juni 2004 das Archiv der 4. Armee unter dem Kommando von General Müller in einem Panzerschrank entdeckt, der seinerzeit hier in einem Erdloch vergraben worden war. Die Papiere – 12 Aktenordner, Befehle, Lageberichte etc. – waren zwar durchnässt, aber noch gut lesbar und werden seitdem im Moskauer Militärarchiv ausgewertet.[6] Nicht weit entfernt von diesem Platz fand man später noch fünf große Armee-Funkgeräte deutscher Produktion, die kurz unter der Erdoberfläche vergraben lagen. Da die Geräte in wasserdichte Planen eingewickelt worden waren, sind sie verhältnismäßig gut erhalten geblieben. Die historischen Funde – sowohl die gefundenen Funkgeräte als auch die geretteten Teile des Archivs – sind als Ausstellungsstücke für die Kaliningrader Museen vorgesehen.
1947 benannte man die Stadt um in „Mamonowo“, um den Kommandeur des 331. sowjetischen Geschwaders Nikolaj W. Mamonowo zu ehren, der am 26. 10. 1944 bei Pultussk gefallen war. Seine sterblichen Überreste wurden später in Heiligenbeil beigesetzt.
Von 1947 bis 1951 gewährte man dem Ort nur den Status eines Dorfes, bevor es am 28. 3. 1951 wieder Stadtrechte erlangte. Trotz der erheblichen Zerstörungen hat Heiligenbeil inzwischen wieder eine gewisse Größe erreicht und wird heute von ca. 9.000 Russen bewohnt. 1995 konnte eine Heimatstube mit Ausstellung eingeweiht werden.
In Burgdorf existiert ein eindrucksvoller Gedenkstein, ein Findling mit der Aufschrift „Kreis Heiligenbeil unvergessen!“. Für den Kreis Heiligenbeil hatte die Region Hannover die Patenschaft übernommen. Diese Patenschaft wurde aber durch die Region Hannover als obsolet gekündigt, was einigermaßen verwundert. Patenstadt für Heiligenbeil ist Lehrte.
Heiligenbeil liegt am Flüsschen Jarft, das sich südlich an der Stadt vorbei tief eingeschnitten durch die Landschaft windet und sehr malerisch ist. Früher führte ein Promenadenweg am Ufer entlang. In westlicher Richtung kam man nach Karben. 7 km östlich gab es besonders hohe Steilufer mit vorspringenden Bergnasen, tiefen Schluchten und schönem Mischwald. Diese Gegend nannte man auf der einen Seite der Jarft den Hospitalwald (rechts), auf der anderen Seite den Lateinerberg (links), und beide zusammen den Stadtwald. Es war ein beliebtes Ausflugsziel der Bevölkerung. Auf dem Lateinerberg hat es einst eine bedeutende prußische Burg gegeben.
In Mamonowo – Heiligenbeil gibt es ein privates Ziegeleimuseum mit einer Sammlung deutscher Ziegelsteine aus vielen Jahrhunderten, zum großen Teil aus Kirchen der Ordenszeit.[7]
[1] Emil Johannes Guttzeit, Verlorene, aber unvergessene Heimat, Heimatblatt der Kreisgemeinschaft Heiligenbeil, Sommer 2015, S. 125
2] Emil Johannes Guttzeit, Verlorene, aber unvergessene Heimat, Heimatblatt der Kreisgemeinschaft Heiligenbeil, Sommer 2015, S. 125/126
[3] Ramborg Johnson, geb. Gerlach, Tochter des Fabrikanten für Leichtmetallerzeugnisse in der Braunsberger Landstraße, in „Meine Erinnerungen an Heiligenbeil“, Heimatblatt des Kreises Heiligenbeil, Mai 2017, S. 124
[4] Heimatblatt des Kreises Heiligenbeil, Mai 2016, S. 107
[5] D. Matern, Gab es in Heiligenbeil ein Krankenhaus „Schröder“?, Heimatblatt Heiligenbeil, Mai 2007, S. 119
[6] Thoralf Plath, Das Niemandsland gibt ein Geheimnis preis, Königsberger Express, 30. 6. 2004
[7] Siegfried Dreher, Eindrücke beim Besuch im privaten Ziegelmuseum in Momonowo – Heiligenbeil, Heimatbrief Heiligenbeil, Mai 2008, S. 66