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Heinrichswalde

Geschichte von Heinrichswalde

Der Kreis Niederung war der einzige ostpreußische Kreis, der über keine Stadt verfügte und daher auch nicht nach einer Kreisstadt benannt wurde. Die Reichsbahn streifte den Kreis nur an der östlichen Peripherie mit den Stationen Skaisgirren, Wilhelmsbruch, Heinrichswalde und Groß Brittanien. 1938 wurde der Kreis Niederung umbenannt in „Kreis Elchniederung“ und 1939 in „Landkreis Elchniederung“. Der Landrat hatte seinen Sitz zuerst in Kaukehmen, dem größten Ort des Kreises, bald danach aber in Heinrichswalde, und das war mit 3.500 Einwohnern nur der zweitgrößte Marktflecken.

Der Große Kurfürst holte eingedenk seiner Jugenderfahrungen aus Holland Strom- und Baggerarbeiter, Schleusen- und Wassermühlenmeister in die Niederung. Sie führten Deich- und Kanalisierungsarbeiten durch, die sich mit Vervollkommnung und Modernisierung bis in die jüngste Zeit erstreckten. So entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte in der Niederung fruchtbares Land, das diesen Kreis zum wohlhabendsten Ostpreußens machte.[2]

Mit dem Inkrafttreten des Versailler Vertrages verlor der Kreis Niederung am 10. Januar 1920 die nördlich des Memeler Mündungsarmes Ruß liegenden Landgemeinden Groß Schilleningken, Heinrichsfelde, Klein Schilleningken, Leitgirren und den Gutsbezirk Perwallkischken an das Memelgebiet. Die beim Deutschen Reich verbliebenen südlichen Restteile des Kreises Heydekrug, die Kirchspiele Herdenau (Kallningken), Karkeln und Schakendorf (Schakuhnen), wurden dagegen vorläufig von Heinrichswalde aus mitverwaltet und zum 1. Juli 1922 auch förmlich in den Kreis Niederung eingegliedert. Zum 1. Oktober 1939 wechselten die Gemeinden Elchwinkel und Skirwiet aus dem Landkreis Elchniederung in den Landkreis Heydekrug, der seit dem 22. März 1939 wieder zu Ostpreußen gehörte. Heute ist der Landkreis Elchniederung bis zur Ruß in etwa als Slawskij Rajon Teil des Kaliningrader Oblast. Am 7. Januar 1946 erhielt Heinrichswalde den russischen Namen “Slawsk”.

Heinrichswalde entstand im 17. Jh. aus einem Ort, den 1657 der kurfürstliche Jägermeister, Hauptmann zu Rhein und Besitzer des Kruges in Kuckerneese, Heinrich Ehrentreich von Halle, vom Großen Kurfürsten übereignet bekam. Er war der Namensgeber des Ortes.

Das Rittergut Heinrichswalde lag nicht weit von der Kirche entfernt am Ortsrand. 1738 wurde Adlig Heinrichswalde an den König verkauft. Seitdem gab es hier das neue Domänenamt Heinrichswalde. Im Vorwerk Heinrichswalde saßen der Amtmann, sein Schreiber, der Landreiter, der Kämmerer, der Hofmann, der Schließvogt sowie einige Bedienstete – um 1750 waren das 42 Erwachsene und 27 Kinder. 1812 kaufte Otto Karl Dietrich Keyserling (1776 – 1829), der in russischem Militärdienst gestanden hatte und mit hohen russischen Orden ausgezeichnet worden war, die Domäne. Seine Familie verkaufte den Besitz 1866 an Johann Friedrich Boy. Der trennte die Gutsbereiche Adlig Lehmbruch, Nassental und Brunischken ab und verkaufte Heinrichswalde 1874 an die Familie Bierfreund, die bis 1945 hier ansässig war. Letzter Eigentümer war Karl Bierfreund, der nach mißglückter Flucht bis ins Samland in einem Straßengraben zwischen Heinrichswalde und Gr. Friedrichsdorf verhungert aufgefunden worden sein soll.[3]

Heinrichswalde war ab 1818 Sitz eines Landrats. Daher verfügte die Gemeinde als Mittelpunkt des Kreises über ein Landratsamt, ein Amtsgericht, über Finanzamt, Gesundheitsamt, Forstkasse. Neben verschiedenen Handwerksbetrieben gab es eine Molkerei und die kleine Maschinenfabrik von Ludwig Klein, die den patentierten Garbenableger „Erntehelfer“ baute und im ganzen Reich vertrieb. Für die Ausbildung des Nachwuchses standen eine Volks- und eine Mittelschule bereit.

1891 wurde Heinrichswalde an die Eisenbahnlinie Tilsit – Königsberg und damit an das deutsche Eisenbahnnetz angeschlossen, was die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Fleckens förderte. Für Freizeit und Spaß gab es eine salz- und schwefelhaltige Quelle mit dazu gebauter Badeanstalt. Trotz des kleinstädtischen Charakters durfte sich Heinrichswalde “Gartenstadt” nennen.

Im 1. Weltkrieg stießen die Russen bis nach Heinrichswalde und noch weiter vor. Als sie glaubten, von Heckenschützen beschossen worden zu sein, planten sie, als Repressalie sämtliche noch in Heinrichswalde verbliebenen Männer zu erschießen. Als die Frauen eindringlich um Gnade flehten, versprach der verantwortliche Offizier, die Männer laufen zu lassen, wenn sich einer freiwillig zur Exekution bereitfände. Da trat Otto Grau vor und bot sein Leben an. Von diesem Opfermut überwältigt ließ der Offizier alle Männer ziehen, auch Otto Grau. Der war Lehrer, aber schon vor dem Krieg wegen anhaltender Trunksucht aus dem Schuldienst entlassen worden. Aus Dankbarkeit stellte man ihn wieder ein. Er starb hoch betagt nach dem 2. Weltkrieg in Nordhorn.

Um 1900 entwickelte sich Heinrichswalde zum „klimatischen Kurort“. Der nach dem 2. Weltkrieg verliehene russische Name Slawsk bedeutet „Ruhm“.

In der Seckendorf-Linkuhner Niederung um Heinrichswalde herum gibt es fruchtbare Böden, weshalb der Ort früher ein Vermarktungszentrum landwirtschaftlicher Produkte der Umgebung war. Typisch für die Elchniederung war dabei, dass die hauptsächliche Siedlungsform der Bauern der Einzelhof war, der sich im Zentrum seiner Ländereien befand. Die Grünlandböden der Elchniederung eigneten sich insbesondere für die Viehhaltung – die Niederung war prädestiniert dafür. Deshalb war die Haltung von Rindvieh stark verbreitet und die Rindviehzucht wurde intensiv betrieben. Das Zuchtmaterial kam dabei aus dem Westen Deutschlands, sehr stark z. B. aus Ostfriesland. Die Rinder grasten meistens in Sichtweite des Hofes unter dem Auge des Bauern: „Das Auge des Herrn mästet das Vieh!“

Da die Molke als Nebenprodukt der Milchgewinnung sich gut für die Fütterung der Schweine verwenden ließ, waren Schweinehaltung und -zucht ebenfalls sehr stark entwickelt.

Der einzige Bereich in der Niederung mit industrieller Produktion waren die Molkereibetriebe, und diese waren vorwiegend Käsereien. Alle Niederunger waren davon überzeugt, dass der Tilsiter Käse in ihrem Kreis entwickelt worden sein musste und es gab in Sausseningken/Milchhof sogar die einzige Käsefachschule Ostpreußens. Die Mennoniten der Elchniederung reklamierten aber den Ursprung für sich selbst, denn der Tilsiter Käse sei die Weiterentwicklung des „Mennonitenkäses“ gewesen. Käsereien bestanden jedoch bereits zur Ordenszeit. Die eingewanderten Holländer Mennoniten und die Salzburger verbesserten lediglich die Produktionsverfahren.

(Näheres siehe im Kapitel „Tilsiter Käse“ der Stadt Tilsit)

Der Kreis Elchniederung wurde vom 12. bis 30. Oktober 1944 geräumt. Die Trecks der Bewohner wurden im Kreis Heiligenbeil untergebracht, bevor sie auch von dort fliehen mussten. Am 19. Januar 1945 drangen die sowjetischen Truppen bis weit in die Elchniederung ein. Viele Deiche wurden gesprengt, die Maschinen aus den Schöpfwerken gerissen, Starkstromleitungen abgebaut.[4]

Im Juli 2015 wurde in der Oblast Kaliningrad einer der größten Viehzuchtkomplexe Europas eingeweiht. Die Anlage befindet sich in der Nähe von Slawsk. In der Anlage können bis zu 5.500 Kälber gleichzeitig auf einer Fläche von 360.000 Quadratmetern gehalten werden. Das Investitionsprojekt wurde von der Firmengruppe „Salesskoje Moloko“ umgesetzt. Das Projekt wurde im Verlaufe der letzten zehn Jahre Schritt für Schritt entwickelt. Durch Firmenvertreter wurde hervorgehoben, dass in diesen zehn Jahren ein qualifizierter Personalbestand für die Betreuung des Viehbestandes gefunden wurde, aber auch die Regionalregierung mit finanziellen Hilfen den Aufbau der Firma unterstützt habe.[1]



[1] Kaliningrad-Domizil, Uwe Niemeier, 25. 7. 2015
[2] Die Elchniederung gestern und heute, 2006, S. 14
[3] Der Kreis Elchniederung gestern und heute, herausgeg. 2006, S. 161
[4] Die Elchniederung gestern und heute, 2006, S. 15

Bilder

Literatur

Der Kreis Elchniederung gestern und heute

Aus dem Inhalt: Die Kirchspiele – Wasserwege der Memelniederung – Aus Uromas Familienalbum – Mennoniten – Häuser und Höfe – Aus der Geschichte
alter Güter – Schloss und Grafschaft Rautenburg – In der Heimat des
Tiliter Käses – Leben in den Dörfern am Kurischen Haff – Erinnerungen an
die Schulzeit u. a. – Sonderteil: Forst einst und heute von Prof. Dr.
Horst Kramer. Im Farbteil alte Ansichtskarten und Bilder aus allen
Kirchspielen heute