Geschichte von Jantarnyj – Palmnicken
Palmnicken war zunächst ein winziger Ort an der Ostsee, der in der Mitte des 17. Jhs. gerade mal vier Bauernstellen umfasste, zu denen bis 1833 lediglich 2 Höfe hinzu kamen. Als Palmnicken jedoch derHauptort der Bernsteingewinnung wurde, nahm die Bevölkerung sprunghaft zu. Um 1900 lebten hier rd. 700 Personen und nach dem 1. Weltkrieg rd. 1500. Im Jahr 1906 wurde Palmnicken eine selbständige Gemeinde.
Der Name des Ortes leitete sich entweder ab von dem prußischen pelwis, pelky = Moorerde und deutete somit auf moorige Viehweiden hin, oder es drückte aus, dass die Leute hier an der Palwe wohnten, denn früher hieß der Ort auch „Palweniken“.
Es gab ein Gut Palmnicken. Dieses Gut erwarb Mitte des 18. Jhs. Johann Sigmund Hamilton zusammen mit den Gütern Dorbnicken und Warschken. Die Güter Nodems und Hl. Kreuz besaß er bereits. Nach Hamiltons Tod verwaltete die Witwe bis 1778 den Besitz, der dann an die Tochter überging. Die heiratete den Kriegsrat Porsch und deren erbende Tochter heiratete 1805 den Justizamtmann Stein. Später kaufte Moritz Becker den Besitz.[1]
Eine Schule erhielt Palmnicken 1740 noch unter König Friedrich Wilhelm I. Das Gebäude der einstigen Volks-und Mittelschule mit Lehrerwohnungen befindet sich links hinter der Kirche. Auf dem sich anschließenden Gelände Richtung Kraxtepellen wurden etliche Wohngebäude für die Angestellten der Bergwerksgesellschaft gebaut.
1884 erhielt Palmnicken eine Bahnverbindung nach Fischhausen. Die Eisenbahn führte durch das hübsche Tal des Germauer Mühlenfließes. Zunächst für die Bedürfnisse der Bernstein-Werke gedacht und von der Bergwerksgesellschaft bezahlt, gab die Bahn auch Impulse für die touristische Erschließung der Gegend.
In Jantarnyj leben heute rd. 5.100 Menschen. Viele Wohnhäuser aus deutscher Zeit sind erhalten geblieben. Durch das russische Interesse für die Bernsteinförderung blieben auch die Nachbarorte Pokrowskoe – Sorgenau und Sinjawino – Groß Hubnicken weitgehend bestehen. Sorgenau war einst das größte Fischerdorf der samländischen Küste. Hier stehen auch noch etliche Häuser aus deutscher Zeit.[3] Kraxtepellen wurde 1934 oder 1936 eingemeindet. Der steinfreie Seebadestrand ist gegen kalte Nordwinde gut geschützt. Die reizvolle wald- und schluchtenreiche Steilküstenlandschaft lädt zu Spaziergängen ein.
Der Bernsteinunternehmer Becker stiftete, obwohl Jude, der christlichen Gemeinde Palmnickens eineKirche, für die am 8. 9. 1887 der Grundstein gelegt und die am 3. 1. 1892 der Gemeinde übergeben wurde. Ihre Gestalt orientierte sich an der St. Georgskapelle im Garten von Schloss Monbijou in Berlin. Eine selbständige Kirchengemeinde in Palmnicken gab es erst seit 1906. Bis dahin gehörte die Gemeinde zu Germau. Johannes Jänicke, der letzte Pfarrer in Palmnicken und Mitglied der Bekennenden Kirche, wurde nach seiner Ausweisung aus Ostpreußen 1947 zum Bischof von Magdeburg gewählt. Das Pfarrhaus befindet sich von der Straße aus gesehen rechts der Kirche.
Die Kirche von Palmnicken wurde 1990 restauriert und dient seitdem der russisch-orthodoxen Gemeinde. Die Glocke hing in einem separaten Metallgerüst und wurde 2008 nach erfolgter Restaurierung wieder im alten Glockenstuhl aufgehängt.[4] Jetzt wurde in Palmnicken im einstigen Gutshaus ein neues Heimatmuseum eingerichtet.[2]
Gegenüber der Kirche in dem ehemaligen Beamtenhaus wurde 2008 ein Hotel der gehobenen Kategorie eröffnet, das Hotel Becker, das bezugnehmend auf den Ururenkel des Bernsteinfabrikanten über dem Eingang den Namen Becker trägt. Auch das frühere Schlosshotel, bis 1898 repräsentativer Wohnsitz von Moritz Becker, in dem früher die Bernsteinaufkäufer abstiegen und das bis dato eine Musikschule für Kinder und Jugendliche beherbergte, ist renoviert. Ab 1911 wurde das Schlosshotel von dem Koch Berking bewirtschaftet, der eine seinerzeit beliebte Küche anbot. Der an das Schlosshotel anschließende Saalbau mit schönem Fachwerk und rotem Dach, früher eine Depandance des Schlosshotels und heute Kulturhaus mit Saal und Bühne, ist bereit fertig.[5]
Ein weiteres neues Hotel, das Hotel „Anna“, entstand im früheren Bürgermeisterhaus/Gemeindeamt in Kraxtepellen. Nach dem 2. Weltkrieg befand sich hier eine sowjetische Administration, dann eine Poliklinik, und 2004 brannte das Haus ab. Nachdem es lange als Brandruine die Sinne störte, wurde es jetzt zum Hotel hergerichtet.[6] Das einstige Hotel „Glück auf“, heute ein normales Wohnhaus, befindet sich in der Hauptstrasse nach Süden unweit des Hotels Anna. Das große Haus gegenüber dem Hotel Anna ist das seit über 100 Jahren bestehende Krankenhaus.
In Palmnicken gab es mit 325 Mitgliedern die größte Baptistengemeinde des Samlands. Sie verfügte über einen schlichten Kapellenbau als Andachtsstätte.
Der alte Wasserturm hinter dem Bahnhof dient als Kohlenlager. Die alte deutsche Fördergrube ist geflutet, nimmt eine Fläche von rd. 2 qkm ein und ist 15 – 20 m tief. Im Assessorhaus residierte einst der Direktor des Bernsteinbergwerks. Außerdem gibt es noch mehrere Wohnhäuser.
In Russland werden die Glücksspielzonen stark eingeschränkt und nur noch in wenigen ausgewählten Regionen dürfen Glücksspiele betrieben werden. Die Oblast Kaliningrad gehört zu den ausgewählten Zonen und innerhalb des Gebietes konzentrieren sich die Planungen auf die Gegend um Palmnicken bis hin zum Dorf Kirpehnen. Das Glücksspiel soll hier in ein großes touristisches Projekt integriert werden, das aus Hotels, Wassersporteinrichtungen, einem Ferienhauskomplex sowie Kur- und Erholungseinrichtungen bestehen wird. Der Kern der Glücksspielzone soll in Povarovka – Kirpehnen liegen.[7]
Unterhalb der Holocaust-Gedenkstätte im nördlichen Bereich von Palmnicken befindet sich heute ein schöner breiter Sandstrand, der mitunter auch als schönster der Bernsteinküste angesehen wird. In dem Gelände darüber erstreckte sich einst die längst stillgelegte Grube „Anna“ und auf einem Standort daneben hat sich eine „Galeere“ als Ausflugslokal mit Bars angesiedelt.[8]
Als ortskundiger Reiseführer und Reisebegleiter bietet Herr Ewgeni Snegowski –snegowskew@mail.ru – seinen Service an (siehe Info-Punkt). Adresse: 238580 Kaliningrad Oblast, Jantarnyj, Lesnaja 20, Telefon und Fax: 0074015337289
[1] Edmund Bellmann, Erinnerungen an Palmnicken und das Bernsteinwerk, Unser schönes Samland, Winter 1988, S. 64 f
[2] Von Tohus, Juni 2008, S. 101
[3] Fritz Zimmermann, Unser schönes Samland, Sommer 2008, S. 68
[4] Janne Neumann, Es tut sich was in Palmnicken, Oprbl. Nr. 35/2008 (30. 8.), S. 15
[5] Janne Neumann, Es tut sich was in Palmnicken, Oprbl. Nr. 35/2008 (30. 8.), S. 15
[6] Ewgeni Snegowski, Unser schönes Samland, Sommer 2008, S. 36
[7] Jurij Tschenyschew, Geteiltes Echo auf Glücksspielzone, Oprbl. Nr. 42/2007, S. 15
[8] Manuela Rosenthal-Kappi, Bernstein, Strand und Luxusjachten, Oprbl. Nr. 31/2009 (1. August), S. 13