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Schalau

Dubki – Paskalwen/Schalau; Remonteamt Ragnit-Neuhof, Remonten-Ankauf

Paskalwen liegt zwischen Tilsit und Ragnit an der ehemaligen Reichsstraße 132, keine 2 km von der Memel entfernt im Memelbogen am Rande der Stromwiesen, die entweder Illgeßer genannt oder vom Flüßchen Illgeßer durchzogen wurden. Vom nahen Paskalwusberg östlich von Paskalwen konnte oder kann man bis zum Rombinus und die Willkischker Höhen sehen.1938 erfolgte die Umbenennung in Schalau. Von 1946 bis 1992 hieß der Ort Petrovo, seitdem Dubki. Dubki wurde in neuerer Zeit als Teil der Siedlung Mischurinski nach Ragnit eingemeindet

Die Umbenennung in Schalau 1938 erinnerte daran, dass 1293 hier vom Deutschen Orden die Schalauerburg errichtet worden war. Sie diente als Stützpunkt für die Feldzüge der Christen gegen die heidnischen Litauer und wurde aus diesem Grund verschiedentlich angegriffen. Nach Zerstörungen 1385 baute man diese kleine Burg nicht wieder auf.

Es gab in Paskalwen eine zweiklassige Schule. Die letzten Lehrer waren Herr Kerkau und Herr Schwark. Weiterhin bestanden im Ort zwei Gastwirtschaften – Reich und Scheer, wobei es das Haus von Scheer offenbar immer noch gibt. Weiterhin gab es eine Freiwillige Feuerwehr, eine Schmiede, eine kleine Käserei. Im Schlossgarten von Paskalwen, der zum Remontedepot Ragnit-Neuhof gehörte, wohnte die Familie Mirwald. Das ist vielleicht der Hintergrund dafür, dass das Gutshaus dort als das verschiedentlich genannte „Schloss Mierwalde“ bezeichnet wurde, das nach dem Krieg von einem Angehörigen der russischen Nomenklatura als persönliches Heim genutzt wurde. Dort wohnte auch die Familie des Amtmanns Stottmeister.

Zwischen Paskalwen und Ragnit lage das große Remontedepot, das zum Heeresremonteamt Ragnit-Neuhof gehörte. Schon ab 1832 wurde die Armee von den Remontedepots mit Pferden aus eigener Zucht versorgt. Die Remontedepots waren Staatsdomänen, die zuerst dem Hauptgestüt in Trakehnen, zuletzt dem Kriegsministerium bzw. dem zuständigen Generalkommando unterstanden. Das Remonteamt Neuhof-Ragnit, russisch Kotelnikowo, hervorgegangen aus einer Domäne in der ersten Hälfte des 19. Jhs., war eines der ältesten Einrichtungen dieser Art in Ostpreußen und mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 1.230 ha das größte dieser fünf Heeres-Remonteämter. Hier und in den angeschlossenen Vorwerken stand ein Viertel der in Ostpreußen aufgekauften Pferde. Zum Remonteamt gehörten die Vorwerke Klein-Neuhof, Paskalwen, Girschunen, Krakonischken, Gudgallen/Großfelde und Bambe.[1] Es gab die Inspektion 1 unter Remonteamtsinspektor Goldmann mit dem Hauptgut Neuhof-Ragnit und den Vorwerken Klein-Neuhof und Krakonischken sowie die Inspektion 2 unter Remonteamtsoberinspektor Förster mit den Vorwerken Paskalwen/Schalau, Girschunen, Gudgallen/Großfelde/Damnitzhof, Bambe/Heidenhof.[2]

In Ragnit-Groß-Neuhof wurden regelmäßig 180 Remonten untergebracht, in Klein-Neuhof 120 Remonten. Im Vorwerk Paskalwen/Schalau standen zwischen 70 und 90 Remonten, in Gudgallen 120 Remonten.

Paskalwen und Ragnit-Neuhof lagen im Bereich des großen Memelbogens. Die Wiesen im Memelbogen lagen ziemlich tief, so dass sie bei Hochwasser oder der Schneeschmelze immer überschwemmt waren. Landschaftlich waren diese Wiesen besonders schön. Zuständige Bahnstation war Girschunen, von wo aus die eingerittenen und ausgebildeten Remonten verladen wurden. Leiter des Depots war Oberst Perl-Mückenberger. Dessen Haus stand 1992 noch, ebenso wie das Haus des obersten Veterinärs Dr. Nickels. Ebenso gab es noch die lange Scheune, den alten Speicher, das lange Acht-Familien-Haus, das Bürogebäude und die Badeanstalt. Amtmann Stottmeister leitete die Verwaltung und für die Landwirtschaft war Inspektor Goldmann zuständig. Kämmerer teilten die Gutsarbeiter ein und überwachten deren Arbeit, die Gespannführer pflegten die Pferde und für jeweils 20 Remonten waren der Futtermeister und Remontewärter zuständig. Remonten wurden im Alter von zwei bis drei Jahren von einer Remontekommission aufgekauft, meist auf den im Land verteilten Gütern mit Trakehner-Pferdezucht, und dann ein bis zwei Jahre für das Militär vorbereitet.

Die Pferde wurden eingewöhnt, eingeritten und gesundheitlich überwacht. Die Remonten waren meist oder nur Trakehner-Warmblutpferde von schlanker Gestalt, mit langen Beinen und breiter Brust, die sich durch Ausdauer, Härte und Zähigkeit auszeichneten. Sie wurden in Gruppen von etwa 20 Pferden in einem Stall untergebracht und sollten sich hier an die Gemeinschaft mit anderen Pferden gewöhnen, denn sie kamen ja aus den verschiedensten Ställen der Provinz. Außerdem wurde hier ihre körperliche Entwicklung gefördert, indem sie eine gleichmäßige Fütterung erhielten, sie in eigens dafür angelegten Bewegungsbahnen in Schwung hielt, sie abhärtete.

Hans-Georg Tautorat schrieb in „Am Memelstrom“ über die Remontierung: „Alljährlich im Frühjahr wurden in der Presse Termine bekannt gegeben, zu denen Dreijährige für das Militär aufgekauft werden sollten. Die Züchter brachten ihre Pferde an die vereinbarten Orte und führten sie auf diesen Remontemärkten einer Remontierungskommission, die zumeist aus dem „Remontepräses“, zwei Offizieren, einem Veterinär und dem Zahlmeister bestand, zur Musterung vor. Der Militärtierarzt untersuchte Augen und Gebiss, nahm die Hufe in Augenschein, stolzierte um das Pferd herum und musterte jede Stelle des Körpers genau. An der Trense wurde das Pferd dann vorgeführt, zuerst im Schritt, dann im Trab. Dabei beobachtete die Kommission insbesondere die Gangart. Nach der Musterung und Untersuchung wurde dann für die als tauglich befundenen Pferde sofort der endgültige Preis festgesetzt.

Diese Remonteankaufskommissionen suchten aber auch Güter auf. Für einen solchen Gutsbetrieb war der „Remontetag“ immer ein großes Erlebnis. Er brachte Abwechslung, aber auch die Anerkennung der züchterischen Leistung des jeweiligen Besitzers, die nicht nur in ideeller Weise zu Buche schlug, sondern sich insbesondere in klingender Münze auszahlte. Schon Tage vorher wurden die Remonten besonders reichhaltig gefüttert, getränkt und solange gestriegelt, bis das Fell wie Seide glänzte. Sie wurden regelrecht „aufgeputzt“. Pferdepfleger schnitten den Tieren Schweif und Mähne und kämmten das Haar sorgfältig aus. Im Stall gab es ein Großreinemachen. Nach dem Ausmisten wurde frisches Stroh geschüttet, die Ställe durchgelüftet. Der Gutshof wurde gefegt und geharkt. Alles sollte den besten Eindruck vermitteln, wenn die Kommission anrückte. Die zu einem guten Preis gekauften Pferde kamen dann in die Remonteämter, wo sie auf den Militärdienst vorbereitet wurden.“


[1] Helmut Subroweit, mail 15. 3. 2017 – helmutsubroweit@web.de; Hans Augusti, Heimatkunde Kirchspiel Neuhof-Ragnit (Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit); Erich Piek, …und alte Wunden brachen wieder auf, Oprbl. Nr. 41/1992, S. 11
[2] Walter Betschart in Ostpreussische Familie, Oprbl. Nr. 14/2017 (7. April), S. 14