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Wolla

Woli – Wolla/Grenzdamm, Bialuty – Bialutten, Napierki – Napierken/Wetzhausen

Die Orte Wolla und Napierken, unmittelbar an der Grenze zu Polen gelegen, sind ein typisches Beispiel für die Zerteilung Ostpreußens nach dem 1. Weltkrieg. 1874 bildete man den Amtsbezirk Bialutten aus den Landgemeinden Bialutten, Dzwierznia, Krokowo – Krokau, Napierki – Napierken und Woli – Wolla und den Gutsbezirken Bialutten und Grabowo. Im Zuge des Versailler Vertrags von 1919 wurde der Amtsbezirk Bialutten aufgeteilt zwischen Polen und dem Deutschen Reich. Wolla und Napierken kamen zu Deutschland, Bialutten zu Polen.

1938 änderte man den Ortsnamen Wolla in Grenzdamm, den von Napierken in Wetzhausen. Die Gründungsurkunde von Wolla ist verloren gegangen, die erste urkundliche Erwähnung ist für 1411 dokumentiert. Im 1. Weltkrieg brannte ein großer Teil des Dorfes ab. In der nachfolgenden Volksbefragung stimmten 100 Wähler für Deutschland, 2 für Polen. Die Kinder besuchten die Schule in Krokau. Zum Ende der deutschen Zeit gab es 157 Einwohner.[1]

Bei der Eroberung von Wolla durch die Rote Armee wurden etliche Häuser durch Feuer vernichtet. Die vorhandene Windmühle und zwei Zollhäuser wurden demontiert, das Holz verbrannt und die Ziegel genauso wie von den zerstörten Häusern zum Wiederaufbau von Warschau abtransportiert. Im Jahr 2006 gab es noch 42 Einwohner.[2]

Bialutten, 1470 erstmals urkundlich erwähnt, als der katholische Gutsbesitzer von Narzym das Gut in Bialutten kaufte und dafür sorgte, daß die Gemeinde erneut katholisch wurde, ist seit Versailles als Bialuty ein zu Polen gehörendes Dorf. Auch vor der Reformation gab es bereits eine Kirche, die aber in der nachreformatorischen Zeit teils der evangelischen, teils der katholischen Glaubensrichtung als Gotteshaus diente, aber letztlich katholisch blieb. Erst der Gutsbesitzer Alfred Ferdinand Oehlrich (geb. 31. 7. 1846 in Thorn), Mineralölfabrikant aus Riga/Baku, ließ 1905 eine evangelische Kirche errichten. Wesentlicher Teil der Kirchenausstattung war die lebensgroße Figur des segnenden Christus aus weißem Alabaster, eine Kopie der Marmorstatue, die der Bildhauer Bertel Thorvaldsen 1833/34 in Rom angefertigt hatte und die sich heute in Kopenhagen befindet. Die Statue aus Bialutten, die vermutlich von dem Fabrikanten Oehlrich gestiftet worden war, steht seit 1967, dem 440. Jahrestag der Reformation, vor der evangelischen Kirche in Neidenburg.[5]

Die fürchterliche Große Pest, die die Bevölkerung Ostpreußens im Anfang des 18. Jhs. dezimierte, fand ihr erstes Opfer in Bialutten. Die sich aus Südpolen ausbreitende Pest erreichte 1707 Warschau und kam dann der ostpreußischen Grenze immer näher. Die Behörden verordneten Reisenden aus Polen eine längere Quarantäne, bevor sie ins Land durften, ihr Gepäck wurde desinfiziert, letztlich die Grenze nach Polen vollständig geschlossen. Es half alles nicht. Im August 1708 wurde die Grenze bei Soldau überschritten und das Dorf Bialutten von der Pest befallen. Binnen eines Monats starb fast die gesamte Dorfbevölkerung hier aus. Und die Pest zog weiter.[4].

Der Ort Napierken erhielt seine Handfeste am 27. 2. 1484 und wurde 1938 in Wetzhausen umbenannt, weil der Hochmeister Martin Truchsess von Wetzhausen diese Gründungsurkunde unterzeichnet hatte. Bei der Volksabstimmung nach dem 1. Weltkrieg votierte eine größere Anzahl von Einwohnern für Polen: für Deutschland entschieden sich 202 Stimmberechtigte, für Polen immerhin 51, wobei offenbar der Pfarrer Stock aus Bialutten sehr für das neue Nachbarland geworben haben soll.

Ein altes Schulhaus wurde 1887 durch einen einklassigen Neubau ersetzt. Als die Zahl der Schüler stark anstieg, richtete man eine zweite Klasse ein, die jedoch erst 1910 durch Aufstockung des vorhandenen Gebäudes einen eigenen Klassenraum erhielt. 1923 erweiterte man den Schulbereich um eine dritte Klasse. Glücklicherweise ist die Schulchronik, die 1938 von Oberlehrer Sinske angelegt wurde, gerettet worden. Sie reicht bis zum Schulweihnachtsfest 1944 und befindet sich heute im Archiv der Kreisgemeinschaft Neidenburg.

In Napierken wurde am 7. November 1919 Ernst-Otto Steger geboren, der in seiner Karriereleiter bis zum Direktor am Colegio Humboldt in Mexiko aufstieg. 1940 legte er in Königsberg die Reifeprüfung ab und begann ein Studium an der Hochschule für Lehrerbildung in Elbing. Doch schon zwei Semester später hatte er sich bei der Wehrmacht einzufinden. Er diente als Funker in der Flugabwehr und wurde bei der Invasion der Alliierten 1944 gefangen genommen. Er kam in ein Gefangenenlager in Texas und wurde von dort 1946 nach Mittelengland verlegt. Nach seiner Entlassung im Dezember 1947 setzte er sein Studium an der Hochschule für Lehrerbildung in Flensburg fort und legte 1953 sein Staatsexamen ab. Nach zwei Jahren als Schulleiter holte ihn der Schulleiter der Deutschen Schule in Mexiko-Stadt an seine Schule. Von dort wechselte er nach fünf Jahren 1960 an das Colegio Humboldt in Puebla, wo es ein VW-Werk gab und wo er 1975 bis 1986 die Schulleitung übernahm.[3]



[1] Friedrich Wach, Entstehung und Verfall des Heimatdorfes Wola (Grenzdamm), Neidenburger Heimatbrief, Pfingsten 2007, S. 35
[2] Friedrich Wach, Entstehung und Verfall des Heimatdorfes Wola (Grenzdamm), Neidenburger Heimatbrief, Pfingsten 2007, S. 39
[3] Festschrift zum 75, Jahrestag der Gründung des Colegio Humboldt, Puebla 1986, in Neidenburger Heimatbrief, Pfingsten 1987, S. 7 f
[4] Horst Schulz, Der Natanger Kreis Preußisch Eylau, 1972, S. 123
[5] Anna Maria Szambora-Jaszewska , Die vergessene evangelische Kirche in Bialutten, in Neidenburger Heimatbrief, Weihnachten 2020, S. 54 ff